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Leben lebt – Irene, die mich aufwärts hebt

      Die Sonette auf Irene

I

      Ich traf den Engel von der Mondkohorte

      Am Friedhofstor. Er führte mich die Pfade.

      Er badete in meinem Tränenbade

      Die Trauerweide, die am Grabe dorrte.

      Ihr toter Leib ist noch wie Sonnengnade.

      Die Blumen sprießen hell in seinem Horte.

      Aus seiner weit emporgerissnen Pforte

      Treten Kamelie, Rose, Dahlie, Rade.

      Pflück eine Blume dir von ihrem Haupte,

      Das so voll blonder Sonne war wie keines,

      Das nur dem Licht und nur dem Lichten glaubte,

      Und flüchte in die Einsamkeit des Haines,

      Der euch so oft zu zweit dem Werktag raubte.

      Und auf die Blume hin: dein Herz verwein es …

III

      Und immer, wenn die Türe ging, du lauschtest,

      Ob ich nicht käme. Und ich war so weit

      Und wußte nichts von deinem letzten Leid,

      Und daß du mit dem Tod schon Blicke tauschtest.

      Wie eine Fledermaus im Dunkel rauschtest

      Du zaubrisch zwischen Zeit und Ewigkeit.

      Du schriest nach mir wie eine Eule schreit,

      Und immer, wenn die Türe ging, du lauschtest …

      Die Totenglocke hat um eins gebimmelt.

      Ich bin verschlafen aus dem Traum geschreckt.

      Ich sah mein Haupt wie einen Pilz verschimmelt

      Und meine Brust mit Messern ganz besteckt.

      Mit Sternen war die Nacht wie nie behimmelt.

      Ich schlief, bis mich ein Donnerschlag geweckt.

IV

      Es war November. Draußen stob der Föhn.

      Das Lob der Heimat schien dich zu beglücken.

      Wir mußten näher aneinanderrücken,

      Um Donau, Inn und Oberhaus zu sehn.

      Und unsre Wangen streifen sich und wehn.

      Blut klopft an Blut. Wir sehn in unsren Blicken

      Erfüllung glänzen, lächeln, jubeln, nicken.

      Und Lippe sank auf Lippe engelschön.

      Nicht suchte Hand nach Hand. Es klang kein Wort.

      Die Uhr im Zimmer tickte unverdrossen.

      Und unsre Herzen schlugen fort und fort

      Wie Wellen, die ins große Meer geflossen.

      Du standest auf. Das Buch lag noch am Ort.

      Leis hast du hinter dir die Tür geschlossen.

VII

      Schon sieben Tag und Nächte muß ich weinen,

      Und immer wieder fließt der Fluß der Tränen.

      Und immer wieder will das Herz sich dehnen,

      Sich flügelnd mit dem Ewigen zu vereinen.

      Entflög es doch und fänd sich bei der Einen

      Als Kissen ihrem Fuß, darauf zu lehnen,

      Wenn die Schalmein der schönen Engel tönen,

      Zum Lob gestimmt der Einen ganz All-Einen.

      O wär mein Herz ihr Schemel, drauf zu ruhn,

      Wenn sich das Haupt in Wolkenkissen schmiegt.

      Ich will nichts wissen, wollen oder tun.

      Ich will nur bei ihr sein, und leicht gewiegt

      Von ihren himmlisch zarten Silberschuhn

      Erbebt mein Herz, das ihr zu Füßen liegt.

VIII

      Kämst du doch eine Nacht, wie ich dich kannte,

      Im leichten Hemd zu mir ins Bett geschlüpft!

      Die goldne Schnur der Küsse war geknüpft

      Aus Sternenfäden, die Urania sandte.

      Der Mond sein Licht auf unser Spiel verwandte,

      Das er mit kleinem Heiligenschein getüpft.

      Er zitterte, wenn ich das Hemd gelüpft

      Und deine Brüste rot mit Küssen brannte.

      In einer Nacht wie dieser ward das Kind.

      Du weißt es noch und fühltest, daß es werde.

      Im Schneewald sang des Februares Wind.

      An Schlitten klang Geläut der Nebel-Pferde.

      Du sprachst: Weil wir nun eins geworden sind,

      So steigt im Kind der Himmel auf die Erde.

XVII

      Nachts steige ich mit Lampe, Hammer, Schippe

      In Sturm und Regen übern Friedhofszaun.

      Ich taste glücklich mich und ohne Graun

      Durch alle Gräber zu der heiligen Krippe.

      Ich schaufle und zerbrech den Sarg. Die Lippe

      Seh ich im Scheine der Laterne blaun.

      Und deine halbgeschlossnen Augen schaun

      Nach innen auf den Tanz der Engelsippe.

      Und meine Lippen küssen dein Skelett.

      Sie neiden dem Gewürm die schönsten Brüste.

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