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so angenehm für die Beteiligten, aber ich will nicht in meinem Stuhl versauern … Auf Wiedersehen, mein Kind … Ich werde mich freuen, wenn du mich bald wieder auf ein Plauderstündchen besuchst. Du bist mir stets ein lieber Gast … Auf Wiedersehen…«

      5. Kapitel

      Eines Tages wurde die Familie Brettschneider durch ein Telegramm aus Hamburg überrascht. Dort wohnte ein einsames, altes Fräulein, eine entfernte Verwandte, eine Kusine von der Mutter der Gutsherrin.

      Vor langen Jahren, als die Kinder in Andreaswalde noch klein waren, war sie einmal auf einige Zeit zu Besuch gewesen. Seitdem beschenkte sie die Kinder regelmäßig zum Geburtstag und zu Weihnachten mit Kleinigkeiten und erhielt jedes Mal einen gemeinsamen Dankbrief.

      Ob die Tante Borkchen reich war oder nur ihr kümmerliches Auskommen hatte, wusste man nicht.

      Man war deshalb in Andreaswalde einigermaßen überrascht, als die Pflegerin der alten Dame in der Depesche um schleunigen Besuch der Frau Brettschneider bat, da ihre Herrin sich recht schwach fühlte und ihre einzige Anverwandte noch gern vor ihrem Tode sehen und sprechen möchte.

      Frau Brettschneider hatte nicht große Lust, dieser Bitte zu entsprechen, aber als Hanna einen Ausflug nach Helgoland, Sylt usw. in Vorschlag brachte, wurde die Reise beschlossen und mit möglichster Beschleunigung vorbereitet. Am nächsten Morgen bereits traf ein Telegramm ein, das den Tod der alten Dame meldete und noch dringlicher um den Besuch eines der Mitglieder der Familie Brettschneider bat. Zur Regelung des Nachlasses würde die Anwesenheit eines männlichen Familienmitgliedes erwünscht sein.

      Jetzt kam Hanna auf den Gedanken, dass es sich vielleicht doch um eine bedeutende Erbschaft handeln könnte. Nun machte Brettschneider den Vorschlag, dass die Mutter mit Hanna hinfahren und Wolf als männlichen Beistand mitnehmen sollte.

      »Er steht uns doch so nahe wie ein Sohn, und wird es ja wahrscheinlich auch noch werden«, meinte der Hausherr mit glücklichem Lächeln.

      Seine Gattin maß ihn mit einem langen, verwunderten Blick.

      »Du scheinst es gar nicht zu wissen, dass diese Kindereien zwischen Wolf und Hanna längst abgetan sind. Hanna denkt gar nicht daran, Wolf zu heiraten.«

      Wohl oder übel musste Herr Brettschneider sich selbst entschließen, seine Gattin zu begleiten. Aber mit einer Entschiedenheit, die sonst selten bei ihm zum Ausdruck kam, bestimmte er, dass Hanna zu Hause bleiben solle.

      Am zweiten Tage nach der Abreise der Eltern wurde Brinkmann im Stall von einem Pferde geschlagen und erheblich verletzt. Grete, die Jüngste, die sich immer auf dem Hof befand, brachte die Nachricht ins Gutshaus und warf in ihrer praktischen Art sofort die Frage auf, wer nun die Wirtschaft leiten sollte. Wie aus einem Munde riefen Christel und Hedwig: „Wolf“.

      Es sei selbstverständlich, dass er gleich benachrichtigt werden müsste. Hanna widersprach. Die Beziehungen zwischen Andreaswalde und Dalkowen hätten sich so geändert, dass es nicht mehr möglich sei, die Dienste des Nachbars in Anspruch zu nehmen. Christel schwieg dazu. Hedwig jedoch erklärte rund heraus, sie ginge es gar nichts an, was Hanna mit Wolf vorgehabt hätte, für sie blieben Tante Mathilde und Wolf, was sie immer gewesen wären, die liebsten Menschen und die besten Freunde.

      »Das ist deine Sache«, erwiderte Hanna. »Ich als Älteste werde tun, was ich für richtig halte. Grete geht jetzt sofort zu Brinkmann und stellt fest, ob er imstande ist, durch den Kämmerer die Wirtschaft zu leiten.«

      Nach wenigen Minuten brachte Grete den Bescheid zurück, dass Brinkmann schon selbst die Sache so geordnet habe. Damit glaubten die Mädchen den Zwischenfall erledigt.

      Als sie sich eben an den Kaffeetisch gesetzt hatten, erschien Herr Nadrenko im Gutshause und ließ sich bei Hanna melden. Die Mädchen waren noch nie mit dem Russen, obwohl sie ihn täglich sahen, in persönliche Berührung gekommen. Er erschien zwar jeden Tag nach Feierabend im Gutshause und blieb manchmal auch länger bei dem Gutsherrn, als die Besprechung der Arbeitsaufträge erforderte. Dann erzählte der Hausherr jedes Mal, dass er sich mit dem russischen Inspektor in anregender Weise über alles Mögliche unterhalten habe. Es sei ein interessanter, gebildeter Mann.

      Ohne Bedenken ließ Hanna Herrn Nadrenko eintreten, bot ihm eine Tasse Kaffee an und fragte ihn nach der Ursache seines Besuches.

      Nadrenko verbeugte sich lächelnd und erwiderte, er wolle nur um die Adresse des Gutsherrn in Hamburg bitten, um sich mit ihm in Verbindung zu setzen.

      »Aha«, rief Grete, die nicht gewohnt war, ihren Gedanken und ihrem Munde Zügel anzulegen, »Sie wollen Herrn Brinkmann nicht gehorchen.«

      »Nein, mein kleines, gnädiges Fräulein«, erwiderte Nadrenko, »ich habe bis jetzt nur mit Ihrem Herrn Vater zu tun gehabt und lasse mir nicht durch den Kämmerer ansagen, was ich zu tun habe. Das müssen Sie doch selbst einsehen, dass ich mir das nicht gefallen lassen kann.«

      »Kann diese Sache nicht in der Schwebe bleiben, bis mein Vater zurückkommt?«

      Der Russe zuckte die Achseln.

      »Es muss doch entschieden werden, ob Herr Brinkmann mir Anweisungen erteilen darf.«

      »Haben Sie sich denn nicht mit meinem Vater besprochen, was während seiner Abwesenheit hier geschehen soll?« fragte jetzt Christel, und es lag eine deutlich erkennbare Verwunderung in ihrem Ton.

      »Nein, gnädiges Fräulein, Ihr Herr Vater ließ mir darin freie Hand, ich machte ihm nur ab und zu Vorschläge.«

      »Verstehen Sie denn so viel von der Wirtschaft?« rief Grete vorlaut dazwischen.

      Christel und Hedwig lachten, denn die Kleine hatte ausgesprochen, was sie selbst eben dachten. Hanna sandte der jüngeren Schwester einen strafenden Blick zu, aber ehe sie die dazugehörigen Worte gefunden hatte, erwiderte Nadrenko mit feinem Lächeln:

      »Das kleine Fräulein hat nur ausgesprochen, was Sie alle in diesem Augenblick gedacht haben, und ich fühle mich verpflichtet, darauf Antwort zu geben, um die Damen der Sorge zu entheben, dass Andreaswalde unter meiner Leitung nicht gut aufgehoben sein könnte. Ich habe die Landwirtschaft nicht nur gelernt, sondern auf einem viel größeren Gute geleitet. Es war allerdings nicht mein ursprünglicher Beruf…«

      Er machte eine Pause und sah Hanna an. Sie schien in seinem Blick die Aufforderung gelesen zu haben, ihm Gelegenheit zu geben, weiterzusprechen, denn sie tat die Frage, was er denn vorher gewesen sei.

      »Wenn es die Damen interessiert, will ich Ihnen gern meinen ziemlich bewegten Lebenslauf schildern.

      Ich habe schon mehrere Berufe gehabt, bin aber in keinem sehr weit gekommen. Ich stamme aus einem sehr guten, begüterten Hause und wurde schon ganz jung zum Offizier bestimmt. Als der Krieg mit Japan ausbrach, war ich gerade Leutnant geworden.«

      »Ach, Sie haben wirklich den Krieg mit Japan mitgemacht?« rief Grete dazwischen.

      »Jawohl, mein kleines Fräulein.«

      Er hob seine Tasse und reichte sie Christel hin.

      »Darf ich noch um eine Tasse des köstlichen Getränkes bitten, für dessen Bereitung ich wohl Ihnen mein Kompliment machen darf?«

      »Keine Ursache«, erwiderte Christel trocken, »wir trinken immer guten Kaffee.«

      Nadrenko verbeugte sich lächelnd und fuhr fort:

      »Ich habe bei diesem Anlass erst den richtigen Begriff von der Größe meines Vaterlandes bekommen. Es ist unermesslich. Vier Wochen waren wir mit der Bahn unterwegs, Tag und Nacht.«

      »In dem Krieg mit Japan haben Sie sich aber nicht mit Ruhm bekleckert«, rief Grete dazwischen.

      Die Schwestern lachten, Herr Nadrenko machte ein sehr verwundertes Gesicht.

      »Nicht mit Ruhm bedeckt«, erklärte Hanna.

      »Ah, nicht bedeckt mit Ruhm, meint das kleine Fräulein. Ja, der Ausgang des Krieges war unglücklich. Wir haben den kleinen Gegner unterschätzt, unsere Führung war schlecht, und am meisten hinderte uns die gewaltige Entfernung, genügende Truppenmassen auf dem Kriegsschauplatz zu entfalten. Einen Feind, der

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