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sagte Zobel, verzog das Gesicht und trat vor den Likörschrank.

      »Und dann,« fuhr Ilse fort, »wir müssen doch wissen, was wird.«

      »Gar nichts wird,« sagte Zobel und goß sich einen Likör ein. »Was soll denn werden?«

      »Mir auch bitte.« sagte der Landrat, trat an seinen Schwager heran, goß erst einen, dann einen zweiten uralten Meukow herunter, wischte sich mit seinem Batisttuch den Mund, klemmte das Monokel fest, stemmte die Arme in die Hüften, beugte sich ein wenig nach vorn und sagte:

      »Diese verfluchte Rührseligkeit! Machen wir uns doch klar, was ist denn eijentlich jeschehen?«

      »Nun fang nur du nicht auch noch an!« wehrte Zobel ab und goß sich einen Chartreuse ein.

      »Jott bewahre! Fällt mir nich ein. Mir steht’s bis da! Aber unter uns: Tatbestand? Tippmamsell – Regierungsassessor. Das landesübliche Verhältnis. Statt auf Schmuck und Sekt mehr auf Jefühl jestimmt. Schon faul. Die Sache vertieft sich. Familie jreift ein. Ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit. Jeder, der auf sich jibt, hält seinen Stall rein. Und ’n Stammbaum ist schließlich keine Hühnerleiter. Sondern eine verdammt ernst zu nehmende Sache. Die Karriere des Jungen stand auf dem Spiel. Bei seinen Verbindungen konnte er’s mal zum Staatssekretär oder Botschafter bringen. Wir haben’s in Jüte versucht, indem wir ’ne Abfindung boten. Wir waren wahrhaftig nich kleinlich. Aber nee! Nu jerade nich! – Was sollten wir tun? Sollten wir nachjeben und uns mit der Pedellstochter verschwägern? Mama war jlücklich so weit. Sie öffnete die Arme, die Mätresse verwandelte sich in eine Märtyrerin und flog ihr als Schwiejertochter in die Arme. Das reine Theater! Na, da mag se denn wohl selbst jefühlt haben, daß was nich stimmte. Als sie am Halse unserer lieben Schwiejermutter hing, jing ihr der Atem aus! Es is eben doch ’ne andere Luft als in der Pedellsstube. Jott sei Dank! – Wenn n’en Droschkenjaul sich plötzlich für’n Steepler hält und über Hürden jeht und sich dabei das Jenick bricht, so is das seine Sache.«

      »Ausgezeichnet!« stimmte Zobel bei; und der Medizinalrat, der eben ins Zimmer trat und die letzten Worte mit angehört hatte, sagte:

      »Gewiß! nur ist dir nicht ganz der Nachweis gelungen, lieber Neffe, daß du dich als Mensch so hoch über diese Aenne erhebst, wie der Steepler als Pferd über einem Droschkengaul steht.«

      »Na, erlaub mal,« wehrte sich der Landrat gekränkt, »an Klasse doch nu mal sicher.«

      »Was du unter Klasse verstehst, ist etwas rein Aeußerliches,« erwiderte der Medizinalrat. »Etwa: wenn ein reicher Viehhändler auf der Eisenbahn erster Klasse und ein gottbegnadeter Dichter dritter Klasse fährt, so bleibt der eine darob doch ein Vieh und der andere ein höheres Wesen.«

      »Erlaub mal,« erwiderte der Landrat gereizt und trat fast drohend vor den Medizinalrat hin, »willst du damit etwa sagen . . .«

      »I Gott bewahre,« fiel ihm der ins Wort. »Da du meines Wissens kein reicher Viehhändler bist und die arme Aenne kein gottbegnadeter Dichter, so trifft auch der Vergleich auf dich nicht zu.«

      »Das wollte ich nur in aller Form festjestellt wissen,« sagte der Landrat mit starker Betonung und wandte sich von dem Medizinalrat ab. Aber der Rittergutsbesitzer Kurt Freiherr von Zobel, dessen Güter einen besonders reichen Viehbestand hatten, setzte das Glas, das er eben zum Munde führen wollte, ab, wandte den Kopf zu dem Medizinalrat und sagte:

      »Ich muß dich ebenfalls um eine Erklärung ersuchen, Onkel.«

      »Aber ich sagte ja schon,« erwiderte der Medizinalrat, »da die arme Aenne keine Dichterin war, so kannst du dich doch nur im Falle eines schlechten Gewissens betroffen fühlen.«

      »Danke,« erwiderte Zobel, »das genügt mir,« setzte an und trank seinen dritten Likör.

      Ilse, die schärfer sah, flüsterte dem Medizinalrat zu:

      »Ich bitt’ dich, Onkel, laß das! Wir haben gerade Verdruß genug. Sag’ uns lieber, was nun werden soll.«

      »Mir scheint, ihr werdet eure Mutter nicht zurückhalten können, zu Peter zu fahren.«

      »Sie wird ihm doch nicht erzählen, daß Aenne Selbstmord beging?« fragte Hilde.

      »Nein,« erwiderte der Medizinalrat, »ich habe ihr klar gemacht, wie das unter Umständen zeitlebens auf ihn wirken könnte. Sie sieht das ein und wird die Lüge, daß sie eines natürlichen Todes starb, aufrecht erhalten.«

      »Gott sei Dank!« sagte Ilse und atmete auf.

      »Trotzdem halte ich es für notwendig,« fuhr der Medizinalrat fort und wandte sich an die beiden Frauen, »daß eine von euch mit ihr fährt.«

      »Ich bin bereit,« erklärte Hilde.

      Zobel wandte sich an seine Frau und sagte:

      »Dann fahr’ auch du mit!«

      »Fräulein Margot Rosen!« meldete Johann.

      Im selben Augenblick rauschte ein ungewöhnlich hübsches und geschmackvoll gekleidetes junges Mädchen ins Zimmer. Vielleicht, daß die ganze Art ihrer Haltung und Kleidung für ein Mädchen aus gutem Hause eine Nuance zu mondän und bewußt war. Daß sie zu unbefangen auftrat und jene reizvolle Schüchternheit vermissen ließ, hinter der sich sonst die Scheu und die Neugier erwachter Sinnlichkeit verbergen. Aber ihr Scharme milderte, was sonst vielleicht aufdringlich gewirkt hätte.

      Sie begrüßte höflich die beiden Damen, indem sie ihnen die Hand reichte, und grüßte dann zu den Herren hinüber, die an sie herangetreten waren und sich vor ihr verbeugten. »Wir haben uns lange nicht gesehen,« begann sie unbefangen.

      »An uns lag es nicht,« erwiderte Ilse, »Sie wissen, daß wir uns immer mit Ihnen freuen,« – Margot machte ein verschmitztes Gesicht – »oder glauben Sie das etwa nicht?«

      »Doch, doch – das heißt – teils – teils.«

      »Ja, was heißt das?« drängte Ilse. »Haben wir es Ihnen gegenüber jemals an der nötigen Achtung fehlen lassen? Bewußt jedenfalls nicht.«

      »Aber nein, liebe Frau Baronin,« erwiderte Margot und setzte wieder ihr allerliebstes Lächeln auf, »wirklich nicht. Ich wollte damit nur sagen: eine Komtesse wär Ihnen als Schwägerin jedenfalls lieber als Margot Rosen.«

      Alle waren verdutzt, nur Hilde raffte sich auf und sagte:

      »Wie können Sie glauben!«

      »Ich nehme Ihnen das durchaus nicht übel. Mama auch nicht. Sie sagt: das Leben besteht aus Kompromissen. Alles Gute findet sich selten beieinander – na ja, da hat sie doch recht. Ueberhaupt, ich finde es so komisch, daß Mama alles ausspricht, was sie denkt. Sie glauben gar nicht, in welche komischen Situationen sie sich und uns alle dadurch oft bringt. – Na, Sie werden sie ja nun wohl endlich kennen lernen. Es tut mir leid ihretwegen – aber es wird sich nicht umgehen lassen. Ich liebe Mama und finde, es spricht durchaus nicht gegen sie, daß sie in all den Jahren sich den sogenannten gesellschaftlichen Schliff noch immer nicht angeeignet hat.«

      »Ja, ich bejreife ja nich,« sagte der Landrat, »warum Sie so aggressiv jejen uns vorjehn.«

      Und Baron Zobel, der ganz in Margots Anblick vertieft war, und bald das hübsche Gesicht und die ebenmäßigen Glieder, bald die weißen Hände und den kleinen Fuß anstaunte, schnalzte mit der Zunge und sagte:

      »Ich muß auch sagen, Sie finden durchaus unsern Beifall. Sie gefallen uns sehr. Wenigstens mir. Na, und mit dem übrigen, vor allem mit der Frau Mama, da werden wir uns schon abfinden.«

      Margot, die längst fühlte, mit welchem Behagen Zobels Augen auf ihr ruhten, schlug die Beine übereinander, lächelte und sagte:

      »Es wird Ihnen auch gar nichts anderes übrig bleiben.«

      »Aber im Gegenteil,« parierte Ilse die Unart ihres Mannes, »wir hatten schon lange den Wunsch, Ihre Frau Mutter kennen zu lernen.«

      »Na, der Wunsch hätte sich im Laufe der Jahre am Ende erfüllen lassen,« erwiderte Margot. »Mama hat von der Stunde an, wo ich durch Familienbeschluß Ihrem Bruder in Südwest verlobt, oder doch wenigstens zugesprochen wurde, täglich auf Ihren Besuch gewartet.«

      »Wir

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