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ist dieser Vorwurf falsch und niederträchtig. Wir haben mit deinem Einverständnis Peters Abwesenheit in Südwest dazu benutzt, um ihn von seinem höchst seßhaften Verhältnis zu befreien, das er ohne uns vielleicht nie mehr losgeworden wäre.«

      »Sehr richtig!« stimmte der Landrat bei, der sich wieder in der Gewalt hatte. »Weiter nischt!«

      »Aber wie? wie habt ihr das gemacht?« rief Frau Julie.

      »Zuerst auf deinen speziellen Wunsch mit Glacéhandschuhen,« sagte Zobel, und der Landrat fügte hinzu:

      »Die wir uns dabei jehörig bedreckt haben.«

      »Das habt ihr,« stimmte Frau Julie aus vollem Herzen bei.

      »Ne, ne,« winkte der Landrat ab. »So nich, anders, liebe Mama. »So ’ne Loseisung, so ’n letzter Akt einer Liaison is doch schließlich kein Hofball! Das is für jewöhnlich ’n ziemlich schwieriger Handel, mit mehr oder wenijer rührselijem Einschlag.«

      »Je kleiner die Abfindungssumme, um so größer die Rührung,« ergänzte Zobel.

      »Sehr richtig,« stimmte der Landrat bei. »Hauptsache is bei so ’ner Szene die Tonart. Wenn man se natürlich wie du von vornherein statt auf Dur auf Moll stimmt, darf man sich nicht wundern, wenn’s ’n Kladderadatsch jibt.«

      »Jetzt bin am Ende noch ich daran schuld!« rief Frau Julie.

      »I Jott bewahre! Schuld is Peter. N’ Verhältnis – verzeiht, aber mir scheint, daß das doch ’mal jesagt werden muß – also so ’n Verhältnis is doch nichts weiter als ein auf materieller Verständijung beruhender körperlicher Zusammenschluß auf Widerruf.«

      »Laß das!« befahl Frau Julie.

      Aber dem Landrat gefiel die Formel.

      »Wenn ein Teil widerruft, is es aus. Da jibt’s nichts! Und so wenig das Jesetz aus so ’ner Art Verbindung rechtliche Folgen herleitet, so wenig anerkennt der jesellschaftliche Kodex Pflichten moralischer Art – was ja auch sinnlos wäre, da das Janze ’ne höchst unmoralische Anjelejenheit is.«

      »Ich bin auch der Ansicht,« sagte der Justizrat, »daß es in unser aller Interesse und nicht zuletzt in dem Peters liegt, wenn wir diese unglückselige Angelegenheit endgültig ad acta legen.«

      Frau Julie, deren Nerven seit einer Stunde übermäßig angespannt waren, rückte ein wenig nach vorn, legte die weiße, gepflegte, noch immer schöne Hand auf den Tisch, sah ihre Schwiegersöhne an und sagte mit starker Betonung:

      »Gut, es mag das letztemal sein! Aber entgegen dem Gesetz, dem gesellschaftlichen Kodex, und vor allem entgegen deinem Urteil, Anton, wonach ein derartiger Fall eine höchst unmoralische Angelegenheit ist, will ich, daß der armen Aenne wenigstens einmal ihr Recht wird. Dann mag der Fall zwischen euch und mir begraben sein.«

      »So laß es doch ruhn, Mama,« bat Ilse, »und reg’ dich nicht auf!«

      »Nein! nein!« wehrte Frau Julie heftig ab. »Ich dulde nicht, daß man sie noch über das Grab hinaus kränkt. Ganz kurz! Was war dann? Ist der Oberpedell eines Gymnasiums ein anständiger Mensch?« fragte sie laut.

      »An sich – warum nich,« erwiderte der Landrat.

      »Ja oder nein?« fragte Frau Julie.

      »Er kann es sein.«

      »Genau so gut und so schlecht, wie es ein Landrat sein kann.«

      »Erlaube! erlaube!« widersprach Anton heftig. »Mir scheint doch, daß der Vergleich . . .«

      » . . . i Gott bewahre!« fiel ihm Frau Julie ins Wort. »Ich erlaube gar nicht: es gibt anständige Pedells und unanständige, genau so wie es anständige und unanständige Landräte gibt.«

      ». . . und – unanständige . . . Land . . . räte!« wiederholte Anton. »Na, da muß ich doch sagen, daß man bei der Auswahl der Landräte denn wohl doch etwas sorgfältiger verfährt, als bei der Auswahl von Schuldienern. – Verzeih, Mama, aber der Vergleich ist grotesk.«

      »Ist es durchaus nicht. Denn ich spreche nicht von der Herkunft, von der Kinderstube, von der Bildung, die neben verschiedenen andern weniger wichtigen, meist rein äußern Formen die Voraussetzung für die Ernennung eines Landrats sind: sondern ich spreche von der rein menschlich moralischen Seite, und da wirst du mir zugeben, daß ein Pedell ein ebenso anständiger Mensch wie ein Landrat sein kann.«

      »Diese Nebeneinanderstellung!« wehrte Anton verdrießlich ab. »Fühlst du denn jar nich, wie unanjenehm und kränkend das für mich is.«

      »Ganz und gar nicht. Ich für meine Person wenigstens ziehe einen anständigen Schuldiener einem unanständigen Landrat vor.«

      »Das sind doch rein jesellschaftlich jar nich miteinander komparable Begriffe.«

      »Wir sprechen ja jetzt von höheren als gesellschaftlichen Werten,« lenkte Frau Julie ein ohne es zu wollen, »nämlich von menschlichen. Jedenfalls, du gibst mir zu, ein Pedell kann bei allem, was ihn gesellschaftlich vom Landrat trennt, ein anständiger Mensch sein.«

      »Jewiß!«

      »War nun Oberpedell Hoffmann ein anständiger Mensch?«

      »Das war er wohl.«

      »Und seine Frau?«

      »Die war es wohl auch.«

      »Diese Aenne war demnach achtbarer Leute Kind.«

      »Ja, ja, aber was soll das nur?« fragte der Landrat ungeduldig.

      »Diese Aenne besuchte eine höhere Schule, eine Handelsakademie, sprach mehrere Sprachen und bekleidete in einem der ersten Anwaltsbüros eine durchaus nicht untergeordnete Stellung.«

      »Jewiß! jewiß! ’n Bürovorsteher oder ’n Volksschullehrer wäre wahrscheinlich sehr glücklich mit ihr jeworden.«

      »Peter, der kurze Zeit bei demselben Anwalt arbeitete,« fuhr Frau Julie fort, »erkannte ihre außergewöhnlichen Qualitäten und die beiden Menschen verliebten sich ineinander.«

      »Was man so lieben nennt,« warf Baron Zobel ein.

      »O nein!« widersprach Frau Julie, »vielmehr eine Liebe, wie man sie heutigen Tages leider nur noch selten findet. Sie vertraute ihm und er hatte den ernsten Willen, sie zu seiner Frau zu machen.«

      »Das is ja doch der Wahnsinn!« erwiderte der Landrat. »Um es dazu nich kommen zu lassen, um diese Mesalliance zu verhindern, veranlaßten wir seine Versetzung nach Südwest.«

      »Weil wir keine Ahnung von der Tiefe des Gefühls hatten, das die beiden Menschen miteinander verband,« sagte Frau Julie, und der Medizinalrat ergänzte:

      »Weil wir uns einredeten, diese Trennung würde genügen, um sie auseinander zu bringen.«

      »So hattet ihr es mir wenigstens dargestellt,« sagte Frau Julie, »ich sehe euch beide« – wandte sie sich an ihre Schwiegersöhne – »noch vor mir, als wenn es heute wäre. ›Laß uns nur machen‹ sagtet ihr, ›das geht ganz schmerzlos. Man macht ihr klar, daß Peter für die nächsten Jahre fort ist, für ihre Zwecke also ausscheidet, legt auf die Wunde ein Pflaster und verabschiedet sie an den Nächsten, mit dem es ihr ein paar Monate später dann genau so geht.«

      »Das ist ja doch so üblich,« erwiderte Zobel, und Frau Julie sagte:

      »Ich, die ich von den Dingen natürlich keine Ahnung hatte, war entsetzt und fragte: ist es denn möglich, hat so eine Frau denn kein Gefühl? worauf ihr nicht ohne Spott erwidertet: ›Gewiß! das hat sie schon. Aber die Person spielt dabei keine so große Rolle. Wen sie hat, auf den konzentriert sie’s.‹ »

      »Tut se’ auch,« bestätigte der Landrat, »wenigstens im allgemeinen.«

      »Aber ihr nahmt euch nicht die Mühe, festzustellen, ob euer Wald- und Wiesenrezept auch auf diese Aenne zutraf. Bei ihr war die Liebe nicht das Primäre, für das sie nur einen Gegenstand der Betätigung suchte: gleichviel, wer es war. Peter war es, der jenes Gefühl in ihr zum Erwachen brachte, das eine Frau nur einmal und nur an einen zu vergeben hat. Für eine Frau von Wert wird das ihr Schicksal bedeuten. Aenne war

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