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kommt nicht mehr! . . . und weißt Du warum, Amme?«

      »Ja, gnädiger Herr. Ihre Gebieterin hat, wie mir Jacinthe das letzte Mal sagte, vom König die Erlaubniß erhalten, sich wenigstens bis zum Ende des Krieges in ein Kloster zurückzuziehen.«

      »Wahrhaftig!« sagte Gabriel mit einem sanften, schwermüthigen Lächeln.

      Und während eine Thräne, die erste, die er seit zwei Monaten vergoß, langsam über seine Wange floß, fügte er bei:

      »Theure Diana!«

      »Oh! gnädiger Herr,« rief Aloyse außer sich vor Freude, »Ihr habt diesen Namen ausgesprochen, ohne eine Erschütterung, ohne darüber ohnmächtig zu werden. Meister Nostradmus hat sich getäuscht. Der gnädige Herr ist gerettet, der gnädige Herr wird leben, und ich brauche meinen Schwur nicht zu brechen.«

      Man sieht, daß die arme Amme vor Freude verrückt war, aber Gabriel verstand zum Glück nur ihre letzten Worte. Mit einem bittern Lächeln erwiderte er:

      »Ja, ich bin gerettet, und dennoch, meine gute Aloyse, werde ich nicht leben.«

      »Wie so, gnädiger Herr?« fragte Aloyse, an allen Gliedern zitternd.

      »Der Körper hat muthig Widerstand geleistet,« antwortete Gabriel, »doch die Seele, Aloyse, glaubst Du, die Seele sei nicht tödtlich verletzt? Es ist wahr, ich werde mich von dieser langen Krankheit erholen, und ich lasse mich heilen, wie Du siehst. Doch zum Glück schlägt man sich auf der Grenze, ich bin Kapitän der Garden, und mein Platz ist da, wo man sich schlägt. Sobald ich zu Pferde steigen kann gehe ich dahin, wo mein Platz ist . . . Und in der ersten Schlacht, die ich mitmache, Aloyse, werde ich es so einrichten, daß ich nicht mehr zurückzukommen brauche.«

      »Heilige Jungfrau! Ihr werdet Euch tödten lassen! Und warum dies, gnädiger Herr, warum dies?«

      »Warum? weil Frau von Poitiers geschwiegen hat, Aloyse, weil Diana vielleicht meine Schwester ist, und weil ich Diana liebe; weil der König vielleicht meinen Vater hat ermorden lassen, und weil ich den König nicht ohne eine Gewißheit bestrafen kann. Da ich nun weder meinen Vater rächen, noch meine Schwester heirathen kann, so weiß ich nicht, was ich auf der Welt zu thun hätte. Deshalb will ich sie verlassen.«

      »Nein, Ihr werdet sie nicht verlassen,« sprach Aloyse mit dumpfem Tone und düsterer Miene. »Ihr werdet sie nicht verlassen, gerade weil Ihr viel zu thun habt, weil Euch ein schreckliches Geschäft obliegt, dafür stehe ich Euch. Doch hiervon werde ich mit Euch erst an dem Tag sprechen, wo Ihr völlig wiederhergestellt seid, und wo mir Meister Nostradamus die Versicherung gibt, daß Ihr mich hören könnt, und daß Ihr Kraft dazu habt.«

      Dieser Tag kam am Dienstag der darauf folgenden Woche. Gabriel ging seit drei Tagen aus, um sein Feldgeräth in Ordnung bringen zu lassen und Vorbereitungen zu seiner Abreise zu treffen, und Nostradamus hatte gesagt, er würde noch einmal am Tage seinen Wiedergenesenden besuchen, doch dies wäre das letzte Mal.

      In einem Augenblick, wo Aloyse sich mit Gabriel allein fand, sprach sie:

      »Habt Ihr über den äußersten Entschluß, den Ihr gefaßt, nachgedacht, und beharrt Ihr bei diesem Entschluß?«

      »Ich beharre dabei.«

      »Ihr wollt Euch also tödten?«

      »Ich will mich tödten lassen.«

      »Weil Ihr kein Mittel mehr habt, um zu erfahren, ob Frau von Castro Eure Schwester ist oder nicht ist, sterbt Ihr?«

      »Aus diesem Grunde.«

      »Was sagte ich Euch, um Euch auf die Spur dieses furchtbaren Geheimnisses zubringen? Erinnert Ihr Euch?«

      »Gewiß! Gott in der andern Welt und zwei Personen in dieser wären allein in dieses Geheimniß eingeweiht gewesen. Die zwei menschlichen Geschöpfe wären Diana von Poitiers und der Graf von Montgommery mein Vater. Ich habe Frau von Valentinois gebeten, beschworen, bedroht, doch ich bin unsicherer und trostloser als je von ihr weggegangen.«

      »Aber Ihr fügtet bei, gnädiger Herr: müßtet Ihr in das Grab Eures Vaters hinabsteigen, um ihm das Geheimniß zu entreißen, Ihr würdet hinabsteigen, ohne zu erbleichen.«

      »Oh! ich weiß nicht einmal, wo dieses Grab ist.«

      »Ich auch nicht, doch man sucht es, gnädiger Herr.«

      »Und wenn ich es auch gefunden hättet« rief Gabriel, »würde Gott für mich ein Wunder thun? Die Todten sprechen nicht, Aloyse.«

      »Die Todten, nein; die Lebenden, ja.«

      »Großer Gott! was willst Du damit sagen?« rief Gabriel erbleichend.

      »Daß Ihr nicht, wie Ihr in Eurem Delirium wiederholtet, der Graf von Montgommery sondern nur der Vicomte von Montgommery seid, weil Euer Vater, der Graf von Montgommery noch leben muß.«

      »Himmel und Erde! Du weißt, daß er, daß mein Vater noch lebt?«

      »Ich weiß es nicht, gnädiger Herr, doch ich vermuthe und hoffe es, denn es war eine starke, muthige Natur, wie die Eurige, die sich mächtig gegen das Leiden und das Unglück anstemmte. Wenn er noch lebt, wird er nicht, wie Frau Diana, den Aufschluß über das Geheimniß verweigern, von dem Euer Glück abhängt!«

      »Doch wo ihn finden? von wem ihn verlangen? Aloyse, im Namen des Himmels, sprich!«

      »Das ist eine schreckliche Geschichte, gnädiger Herr, und ich hatte, auf den Befehl Eures Vaters, meinem Mann geschworen, sie Euch nie zu enthüllen; denn sobald Ihr sie wißt, werdet Ihr Euch in furchtbare Gefahren stürzen, gnädiger Herr, Ihr werdet Feinden, welche hundertmal stärker sind, als Ihr, den Krieg erklären. Doch die verzweifeltste Gefahr ist immer noch besser, als ein gewisser Tod. Ihr waret entschlossen zu sterben, und ich weiß, daß Ihr in Eurem Entschluß nicht gewankt hättet. Ich will Euch lieber den Wechselfällen des verwegenen Kampfes preisgeben, den Euer Vater für Euch fürchtete. Euer Tod ist so minder sicher und wird immerhin etwas verzögert werden. Ich will Euch also Alles sagen, gnädiger Herr, und Gott wird mir vielleicht meinen Eidbruch vergeben.«

      »Ja, gewiß, meine gute Aloyse . . . Mein Vater! mein Vater lebt! . . . sprich geschwinde!«

      Doch in diesem Augenblick klopfte Jemand bescheiden an die Thüre und Nostradamus erschien.

      »Ah, ah! Herr d’Ermès,« sagte er zu Gabriel, »Wie munter und belebt finde ich Euch! Das gefällt mir, Ihr waret nicht so vor einem Monat. Mir scheint, Ihr seid nun völlig bereit, zu Feld zu ziehen!«

      »Wirklich zu Feld zu ziehen!« sprach Gabriel, indem er mit funkelndem Auge Aloyse anschaute.

      »Ich sehe also, daß der Arzt nichts mehr hier zu thun hat,« versetzte Nostradamus.

      »Nichts mehr, als meinen Dank, Meister, und den Preis für Eure Dienste, wenn ich dies sagen darf, zu empfangen, denn in gewissen Fällen bezahlt man das Leben nicht.«

      Und er drückte dem Doctor die Hand und legte in diese Hand eine Rolle Gold.

      »Ich danke, Herr Vicomte d’Ermès,« sprach Nostradamus. »Doch erlaubt mir, Euch ebenfalls ein Geschenk zu machen, von dem ich glaube, daß es für Euch von Werth ist.«

      »Was ist das, Meister?«

      »Ihr wißt, gnädiger Herr, daß ich mich nicht allein damit beschäftigt habe, die Krankheiten der Menschen kennen zu lernen. Ich wollte weiter und höher sehen, ich wollte ihre Geschicke ergründen, eine Aufgabe voll von Zweifeln und Schatten; doch in Ermangelung von Licht habe ich, wie mir scheint, zuweilen den Schimmer gesehen. Gott hat, davon bin ich fest überzeugt, zweimal den breiten, mächtigen Plan des Schicksals von jedem Menschen geschrieben: einmal in die Gestirne des Himmels, in sein Vaterland, zu dem er so oft die Augen erhebt, und dann in die Linien seiner Hand, ein verworrenes Zauberbuch, das er beständig bei sich trägt, welches er jedoch ohne zahllose Studien nicht einmal zu buchstabieren vermag. Viele Tage und viele Nächte; hindurch habe ich in diese zwei Wissenschaften, welche bodenlos sind, wie das Faß der Daumen, in die Chiromantie und die Astrologie einzudringen gesucht. Ich habe alle Jahre der Zukunft vor mich heraufbeschworen, und in tausend Jahren werden die Menschen, die dann leben, vielleicht manchmal über meine Prophezeiungen

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