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»er ist ein braver und rechtschaffener Bursche Namens Stephan Latil und gehört zu den besten Kunden meines Hauses. Warum er beichtet? Weil er aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch wenige Stunden zu leben hat. Da er ein religiöses Gemüt hat und mit großem Geschrei nach einem Priester verlangte, hat meine Frau diesen würdigen Kapuziner herbeigeholt, der eben von den Carmelitern kam.«

      »Und woran stirbt Euer rechtschaffener Bursche?«

      »O, mein Herr! Ein Anderer wäre schon zehnmal daran gestorben, Er stirbt an zwei fürchterlichen Degenstößen, wovon der eine in den Rücken hinein und bei der Brust hinausging, während der andere gerade den entgegengesetzten Weg nahm.«

      »Ihr kämpfte also mit mehreren Leuten?«

      »Mit vieren, mein Herr, mit vieren!«

      »Ein Duell?«

      »Nein, ein Racheakt.«

      »Ein Racheakt?«

      »Ja, man fürchtete,dass er reden würde.«

      »Und wenn er geredet hätte, was hätte er sagen können?«

      »Dass man ihm tausend Pistolen angeboten hätte, damit er den Grafen von Moret tödte, und dass er dieses Anerbieten ausgeschlagen habe.«

      Der junge Mann erbebte bei der Nennung dieses Namens und sah den Gastwirt scharf an.

      »Damit er den Grafen von Moret tödte,« wiederholte der junge Mann, »seid Ihr dessen auch vollkommen sicher, was Ihr da behauptet, guter Mann?«

      »Ich habe es aus seinem eigenen Munde; es ist das Erste, was er gesagt hat, nachdem er zu trinken verlangte.«

      »Den Grafen von Moret,« sagte der junge Mann vor sich hin sinnend, »Anton von Bourbon

      »Anton von Bourbon, so ist es!«

      »Den Sohn des Königs Heinrich IV.«

      »Und der Frau Jaqueline von Beuil, Gräfin von Moret

      »Das ist sonderbar!« flüsterte der junge Mann.

      »So sonderbar es auch sein mag, verhält es sich doch nicht anders.«

      Nach einem Stillschweigen, welches einige Augenblicke gewährt hatte, schritt der junge Mann zum großen Erstaunen Soleil's und trotz seiner Rufe: »Wohin geht Ihr?« durch die Neugierigen, welche die Tür belagerten, sich Bahn machend, in den Saal und gerade auf den Tisch zu, auf welchem Latil sich vor Schmerzen krümmte, und eine reichlich gefüllte Börse auf den Tisch werfend, sagte er:

      »Stephan Latil! Wenn Ihr von Euren Wunden genesen solltet, so begebt Euch nach dem Hotel des Herzogs von Montmorency in der Rue des Blancs Manteaux; solltet Ihr aber sterben, so sterbt ruhig im Vertrauen auf den Herrn; die Messen sollen der Ruhe Eurer Seele nicht fehlen!«

      Bei der Annäherung des jungen Mannes hatte sich Latil auf seinem Ellbogen aufgerichtet und verharrte in dieser Stellung mit starrem Blicke, gerunzelten Augenbraunen und geöffnetem Munde, als ob er ein Gespenst sähe.

      Als der junge Mann aber wiederum den Rücken gekehrt hatte, flüsterte er:

      »Der Graf von Moret!« und ließ sich wieder auf die Tischplatte zurückfallen.

      Der Kapuziner aber zog, als er des falschen Jaquelino ansichtig geworden, schnell die Capuze tief ins Gesicht, gleich als ob er gefürchtet hätte, von dem jungen Manne erkannt zu werden.

      VIII.

      Treppen und Corridors

      Aus dem Wirtshaus »zum gefärbten Barte« kommend, durchschritt der Graf von Moret, dessen Inkognito wir nun nicht mehr aufrecht zu halten brauchen, die Rue d l'Homme Armé und wandte sich dann nach rechts in die Rue des Blancs Manteaux, wo er an das Thor des dem Herzog von Montmorency, Heinrich II., gehörigen Hotels klopfte. Dieses Hotel hatte noch einen andern Ausgang, der in die Rue St. Avoye führte.

      Ohne Zweifel genoss der Sohn Heinrichs IV. ein großes Ansehen in diesem Hause, denn kaum war er erkannt worden, als ein Page von etwa fünfzehn Jahren einen Armleuchter ergriff, die vier Wachskerzen auf demselben anzündete, und ihm voran leuchtete.

      Der Prinz folgte dem Pagen.

      Die Wohnung des Grafen von Moret befand sich im ersten Stockwerke, der Page beleuchtete eines der Zimmer, indem er die wohlriechenden Kerzen zweier Candelaber anzündete, und fragte dann:

      »Haben Eure Hoheit irgend einen Auftrag für mich?«

      »Bist Du heute Abend bei deinem Herrn beschäftigte Galaor?« fragte der Graf von Moret.

      »Nein, Monseigneur, ich habe Urlaub.«

      »Willst Du mich begleiten?«

      »Mit großem Vergnügen, Monseigneur!«

      »In diesem Falle kleide Dich warm an und versieh Dich mit einem guten Mantel; die Nacht wird kalt werden.«

      »O, o,« sagte der kleine Page, der durch seinen Herrn an dergleichen Abenteuer gewöhnt worden war, »ich werde, wie es scheint, irgendwo Wache zu stehen haben.«

      »Ja, und zwar wird es eine Ehrenwache im Louvre sein, aber, Galaor, das; Du ja keine Silbe davon erwähnst, nicht einmal deinem Herrn gegenüber.«

      »Das versteht sich!« sagte der Knabe lächelnd und einen Finger an seine Lippen legend.

      Dann machte er eine Bewegung, um das Zimmer zu verlassen.

      »Warte!« sagte der Graf von Moret, »ich habe Dir noch einige Verhaltungsbefehle zu geben.«

      Der Page verbeugte sich.

      »Du wirst selbst ein Pferd satteln und zwei geladene Pistolen in die Halfter stecken.«

      »Ein Pferd bloß?«

      »Ja, bloß ein Pferd, Du wirst hinter mir auf die Croupe steigen; würden wir ein zweites Pferd nehmen, so würden wir die Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«

      »Die Befehle Monseigneurs werden pünktlich vollzogen werden.«

      Es schlug zehn Uhr; der Graf horchte, indem er die Schläge zählte.

      »Zehn Uhr!« sagte er, »beeile Dich, Galaor, damit in einer Viertelstunde Alles bereit ist.«

      Der Page verbeugte sich und verließ das Zimmer, ganz stolz darüber, dass ihn der Graf von Moret zum Vertrauten gemacht hatte.

      Dieser wählte unter seiner Garderobe einen einfachen, aber höchst eleganten Anzug aus und bekleidete sich damit. Das Wams war von granatbraunem, die weiten Beinkleider von blauem Samt. Die kostbarsten Brüsseler Spitzen bildeten den Kragen und die Manschetten eines feinen Hemdes, welches zwischen Wams und Beinkleidern sich ein wenig hervorbauschte; hohe Reiterstiefel von Büffelleder um, schlossen die Beine, und ein Schlaghut, an welchem zwei Straußenfedern ebenfalls in Granatbbraun und Blau durch eine Diamantenagraffe festgehalten wurden, bildete die Kopfbedeckung. In einem reichen Wehrgehänge stak ein Degen, dessen Griff fein ziseliert war, während die Klinge aus dem besten Stahl bestand, der also als Luxus-, wie als Verteidigungswaffe gleich trefflich diente.

      Dann wendete er mit der der Jugend eigentümlichen und natürlichen Koketterie auf sein Gesicht einige Sorgfalt; er kämmte seine natürlich gelockten Haare zu beiden Seiten der Stirne herab, gab seinem Schnurrbart einen graziösen Schwung, strich seinen Vollbart gerade, der zu seinem Leidwesen gar zu langsam in die Länge wuchs, und nahm dann aus einer Schublade eine Börse, welche die an Latil verschenkte zu ersetzen bestimmt war. Durch diese Börse wurde er an das Abenteuer mit Latil erinnert, und er stellte sich wiederholt die Frage:

      »Wer zum Teufel mag ein Interesse daran haben, mich aus der Welt zu schaffen?«

      Da er sich jedoch aus diese Frage keine befriedigende Antwort zu erteilen vermochte, verwischte er die Erinnerung an Latil und seine Beichte mit der Sorglosigkeit der Jugend aus seinem Gedächtnisse, betastete sich, ob er nichts vergessen, warf noch einen Seitenblick in den Spiegel und stieg die Treppe hinab, indem er die letzte Strophe jenes Liedes summte, dessen erste Strophen er in dem Wirtshause »zum gefärbten Barte«

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