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zurück, erstarrte in einer letzten Convulsion und wurde leichenbleich.

      Edmond wartete, bis dieser scheinbare Tod den Körper erfaßt, und bis zum Herzen vereist hatte. Dann nahm er das Messer, drang mit seiner Klinge zwischen die Zähne, löste mit unsäglicher Mühe die zusammengepreßten Kinnbacken, zählte, einen nach dem andern, zehn Tropfen von dem röthlichen Safte, und wartete.

      Es verlief eine Stunde, ohne daß der Greis die geringste Bewegung machte. Dantes befürchtete, zu lange gewartet zu haben, und betrachtete ihn, beide Hände in seinen Haaren. Endlich erschien eine leichte Färbung auf seinen Wangen; beständig offen und matt geblieben, nahmen seine Augen ihren Blick wieder an; ein leichter Seufzer entstieg seinem Munde und er machte eine Bewegung.

      »Gerettet! Gerettet!« rief Dantes.

      Der Kranke konnte noch nicht sprechen, aber er streckte mit sichtbarer Angst die Hand nach der Thüre aus. Dantes horchte und vernahm die Tritte des Gefangenenwärters; es war nahe an sieben Uhr und Dantes hatte nicht Muße gehabt, die Zeit zu messen.

      Der junge Mann sprang gegen die Öffnung, drang in dieselbe, legte die Platte wieder über seinen Kopf und kehrte in sein Zimmer zurück.

      Einen Augenblick nachher öffnete sich seine Thüre, und der.Kerkermeister fand den Gefangenen wie gewöhnlich auf seinem Bette sitzend.

      Kaum hatte er ihm den Rücken gewendet, kaum hatte sich das Geräusch der Tritte in der Flur verloren, als Dantes von Ungeduld verzehrt, ohne an das Essen zu denken den Weg wieder einschlug, den er kurz zuvor gemacht hatte, und, die Platte mit seinem.Kopfe aufhebend, in das Zimmer des Abbé zurückkehrte.

      Dieser war wieder zum Bewußtsein gekommen; aber er lag immer noch träge und.kraftlos auf seinem Bette ausgestreckt.

      »Ich dachte, ich wurde Sie nicht wiedersehen,« sagte er zu Dantes.

      »Warum dies?« fragte der junge Mann; »glaubten Sie sterben zu müssen?«

      »Nein, aber Alles ist zu Ihrer Flucht bereit, und ich glaubte, Sie wurden fliehen.«

      Die Rothe der Entrüstung färbte die Wangen von Dantes.

      »Ohne Sie!« rief er, wähnten Sie mich wirklich dessen fähig?«

      »Jetzt sehe ich, daß ich mich getäuscht habe,« sprach der Kranke. »Ah! ich bin sehr schwach, sehr entkräftet.«

      »Mut! Ihre Kräfte werden wiederkehren,« sagte Dantes, setzte sich neben sein Bett und nahm ihn bei den Händen.

      Der Abbé schüttelte den Kopf und erwiderte:

      »Das letzte Mal dauerte der Anfall eine halbe Stunde, wonach ich Hunger hatte und allein aufstand; heute kann ich weder mein Bein, noch meinen rechten Arm rühren; mein Kopf ist eingenommen, was eine Ergießung des Gehirns andeutet. Das dritte Mal werde ich völlig gelähmt bleiben oder auf der Stelle sterben.«

      »Nein, nein, beruhigen Sie sich, Sie werden nicht sterben; der dritte Anfall, wenn er Sie wirklich faßt, wird Sie frei finden, wir werden Sie retten, wie diesmal und besser als diesmal, denn es steht uns dann jede erforderliche Hilfe zu Gebot.«

      »Mein Freund,« sprach der Greis, »täuschen Sie sich nicht, die Krise, welche so eben vorübergegangen ist, hat mich zu einer lebenslänglichen Gefangenschaft verurteilt: um zu fliehen, muß man gehen können.«

      »Nun, wir warten acht Tage, einen Monat, zwei Monate, wenn es sein muß, mittlerweile bekommen Sie Ihre Kräfte wieder. Alles ist zu unserer Flucht vorbereitet, und wir können nach unserem Belieben die Stunde und den Augenblick dazu wählen. Am Tage, wo Sie sich kräftig genug fühlen, um zu schwimmen, bringen wir unsern Plan in Ausführung.«

      »Ich werde nicht mehr schwimmen,« erwiderte Faria, »dieser Arm ist gelähmt, nicht für einen Tag, sondern für immer. Heben Sie ihn selbst auf und sehen Sie, wie schwer er ist.«

      Der junge Mann hob ihn auf, und er fiel unempfindlich wieder zurück. Er stieß einen Seufzer aus.

      »Sie sind nun überzeugt, nicht wahr, Edmond?« sprach der Abbé, »glauben Sie mir, ich weiß, was ich sage; seit dem ersten Anfall, den ich von diesem Übel hatte, dachte ich unabläßig darüber nach. Ich erwartete es, denn es ist eine Familienerbschaft; mein Vater starb an der dritten Krise, mein Großvater ebenfalls. Der Arzt, der mir diesen Trank bereitete und der kein Anderer ist, als der berühmte Cabanis, weissagte mir dasselbe Schicksal.«

      »Der Arzt täuscht sich,« rief Dantes; »Ihre Lähmung aber hindert mich nicht, ich nehme Sie auf meine Schultern und schwimme so mit Ihnen.«

      »Kind,« entgegnete der Abbé, »Sie sind ein Seemann, Sie sind ein Schwimmer und müssen folglich wissen, daß ein Mensch mit einer solchen Last nicht fünfzig Klafter im Meere machen wurde, Lassen Sie sich nicht länger durch Chimären täuschen, von denen Ihr vortreffliches Herz nicht einmal bethört wird. Ich werde hier bleiben, bis die Stunde meiner Befreiung schlägt, welche jetzt nur die des Todes sein kann. Was Sie betrifft,  . . . fliehen Sie! Sie sind jung, stark und gewandt; kümmern Sie sich nicht um mich; ich gebe Ihnen Ihr Wort zurück.«

      »Gut,« sprach Dantes, »gut, so bleibe ich auch hier.«

      Dann stand er auf, streckte feierlich eine Hand gegen den Greis aus und rief:

      »Bei dem Blute Christi schwöre ich, daß ich Sie nur bei Ihrem Tode verlasse!«

      Faria schaute den so edlen, so einfachem so erhabenen jungen Mann an, und las in seinen von dem Ausdrucke der reinsten Ergebenheit belebten Zügen die Aufrichtigkeit seiner Zuneigung und die Redlichkeit seines Schwures.

      »Wohl,« sprach der.Kranke, »ich nehme es an und danke.«

      Hierauf Edmond die Hand, reichend, fuhr er fort: »Sie werden vielleicht für diese uneigennützige Ergebenheit belohnt; da ich aber nicht gehen kann und Sie nicht gehen wollen, so müssen wir notwendig den unterirdischen Gang verstopfen, den wir unter der Galerie gemacht haben; der Soldat kann das Schallen der unterhöhlten Stelle wahrnehmen, einen Aufseher darauf aufmerksam machen, und dann würden wir entdeckt und getrennt. Vollbringen Sie dieses Geschäft, wobei ich Sie leider nicht mehr unterstützen kann; verwenden Sie die ganze Nacht dazu, wenn es sein muß, und kommen Sie erst morgen nach dem Besuche des Gefangenenwärters zurück; ich habe Ihnen wohl etwas Wichtiges zu sagen . . . «

      Dantes nahm den Abbé bei der Hand; dieser beruhigte ihn durch ein Lächeln, und er entfernte sich mit dem Gehorsam und der Achtung, die er für seinen alten Freund hegte.

       Achtzehntes Kapitel.

      Der Schatz

      Als Dantes am andern Morgen in das Zimmer seines Mitgefangenen zurückkehrte, fand er Faria mit ruhigem Antlitz unter dem Strahle sitzend, welcher durch das enge Fenster seiner Zelle glitt. Er hielt offen in seiner linken Hand, der einzigen, deren Gebrauch ihm, wie man sich erinnert, geblieben warf ein Stück Papier, das, gewöhnlich in einen Band zusammengerollt, die Form eines gegen die Ausbreitung widerspenstigen Cylinders angenommen hatte. Er zeigte, ohne etwas zu sagen das Papier Dantes.

      »Was ist das?« fragte dieser.

      »Sehen Sie es wohl an,« erwiderte der Abbé lächelnd.

      »Ich schaue mit allen meinen Augen, und sehe nichts, als ein halbverbranntes Papier, auf welches gothische Charaktere mit einer seltsamen Tinte gezeichnet sind.«

      »Dieses Papier, mein Freund,« sprach Faria, »ist, ich kann Ihnen nun Alles sagen, da ich Sie geprüft habe, ist mein Schatz, von dem von heute an die Hälfte Ihnen gehört.«

      Kalter Schweiß lief über die Stirne von Dantes. Bis auf diesen Tag, und während welches Zeitraumes! hatte er es vermieden, mit Faria über diesen Schatz zu sprechen, aus welchem die Wahnsinns-Beschuldigung hervorgegangen war, die auf dem armen Abbé lastete. Mit seinem instinktartigen Zartgefühle zog es Edmond immer vor, diese schmerzliche vibrierende Saite nicht zu berühren; Faria schwieg ebenfalls, und er hielt das Stillschweigen des Greises für eine Rückkehr zur Vernunft. Heute aber schienen die paar Worte, welche Faria nach einer so peinvollen Krise entschlüpften, einen schweren Rückfall geistiger Verrückung anzukündigen.

      »Ihr Schatz?« stammelte Dantes.

      Farin

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