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und meine Nichten werden jeder Unterstützung beraubt sein, wenn ich nicht mehr bin . . . «

      »Oh! seid unbesorgt wegen Eurer Familie, lieber Herr Mazarin,« unterbrach ihn rasch die Königin, »wir werden keine kostbareren Freunde haben, als Eure Freunde. Eure Nichten werden meine Kinder, die Schwestern Seiner Majestät sein, und wenn eine Gunst in Frankreich ausgetheilt wird, so soll sie denjenigen zufallen, welche Ihr liebt.«

      »Rauch!« dachte Mazarin, der besser als irgend Jemand wußte, wie weit man auf die Versprechungen der Könige bauen darf.

      Ludwig las den Gedanken des Sterbenden in seinem Gesicht.

      »Beruhigt Euch, Herr von Mazarin,« sagte er mit einem unter seiner Ironie halbtraurigen Lächeln, »die Fräulein von Mancini werden, wenn sie Euch verlieren, ihr kostbarstes Gut verlieren; sie werden aber darum nicht minder die reichsten Erbinnen Frankreichs bleiben, und da Ihr die Güte haben wolltet, mir ihre Mitgift zu schenken . . . «

      Der Cardinal keuchte.

      »So gebe ich sie ihnen zurück,« sprach Ludwig, indem er aus seiner Brust das Pergament zog und gegen das Bett des Cardinals ausstreckte, das Pergament, das die Schenkung enthielt, welche seit zwei Tagen so viele Stürme im Innern von Mazarin erregt hatte.

      »Was sagte ich Euch?« murmelte im Bettgang eine Stimme, welche wie ein Hauch vorüberging.

      »Eure Majestät gibt mir meine Schenkung zurück!« rief Mazarin, so sehr von der Freude ergriffen, daß er seine Wohlthäterrolle darüber vergaß.

      »Ja, Herr Cardinal, ja, Madame,« antwortete Ludwig XIV. und zerriß das Pergament, das Mazarin noch nicht zurückzunehmen gewagt hatte. »Ja, ich vernichte diese Urkunde, welche eine ganze Familie beraubt. Das Vermögen, das Seine Eminenz in meinem Dienst erworben hat, ist ihr Vermögen und nicht das meinige.«

      »Aber, Sire,« rief Anna von Oesterreich, »bedenkt Eure Majestät, daß sie nicht zehntausend Thaler in ihren Kassen hat?«

      »Madame, ich habe meine erste königliche Handlung vollbracht, und ich hoffe, sie wird meine Regierung würdig einweihen.«

      »Ah! Sire, Ihr habt Recht,« rief Mazarin, »was Ihr gethan habt, ist wahrhaft groß, wahrhaft edelmüthig.«

      Und er schaute, eines nach dem andern, die auf seinem Bett zerstreuten Stücke der Urkunde an, um sich zu überzeugen, man habe das Original und nicht eine Abschrift zerrissen. Endlich trafen seine Augen das Stück, worauf die Unterschrift stand, und er warf sich ganz strahlend auf sein Kissen zurück.

      Nicht stark genug, um ihr Bedauern zu verbergen, hob Anna von Oesterreich ihre Augen und ihre Hände zum Himmel empor.

      »Ah! Sire,« rief Mazarin, »ah! Sire, wie werdet Ihr gesegnet, wie werdet Ihr von meiner ganzen Familie geliebt sein! per Baccho, wenn je bei Euch eine Unzufriedenheit durch die Meinigen erregt würde, faltet die Stirne, und ich steige aus meinem Grabe herauf.«

      Diese Pantalonade brachte nicht die ganze Wirkung hervor, auf welche Mazarin gerechnet hatte. Ludwig war schon zu Betrachtungen von erhabenerer Natur übergegangen, und Anna von Oesterreich, welche nicht länger, ohne sich dem Zorn zu überlassen, den sie in ihrem Innern kochen fühlte, sowohl die Großmüthigkeit ihres Sohnes, als die Heuchelei des Cardinals ertragen konnte, stand auf und verließ das Zimmer, ohne sich darum zu bekümmern, daß sie hierdurch ihren Aerger verrieth.

      Mazarin durchschaute Alles, und befürchtend, Ludwig XIV. könnte wieder von seinem Entschluß abgehen, fing er an, um die Geister auf einen anderen Weg zu führen, so gewaltig zu schreien, wie es später Scapin in jenem herrlichen Scherz thun mußte, den der mürrische, verdrießliche Boileau Molière zum Vorwurf machen wollte.

      Nach und nach wurden indessen die Schreie gelinder, und als Anna von Oesterreich das Zimmer verlassen hatte, hörten sie ganz auf. «

      »Herr Cardinal,« sagte der König, »habt Ihr mir nun etwas zu empfehlen?«

      »Sire,« antwortete Mazarin, »Ihr seid schon die Weisheit in Person, die Klugheit selbst; was die Großmuth betrifft, so rede ich gar nicht davon, denn was Ihr so eben gethan habt, übersteigt Alles, was die großmüthigsten Menschen des Alterthums und der neueren Zeiten gethan haben.«

      Der König blieb kalt bei diesem Lob.

      »Ihr beschränkt Euch also auf Euren Dank, mein Herr, und Eure Erfahrung, welche noch viel bekannter ist, als meine Weisheit, als meine Klugheit, als meine Großmuth, gibt Such keinen freundschaftlichen Rath ein, der mir in Zukunft nützlich sein dürfte?«

      Mazarin dachte einen Augenblick nach und sprach dann:

      »Ihr habt viel für mich, das heißt für die Meinigen gethan.«

      »Schweigen wir hierüber.«

      »Nun wohl!« fuhr der Cardinal fort, »ich will Euch für die vierzig Millionen, die Ihr mir so königlich überlaßt, einen andern Dienst leisten.«

      Ludwig XIV. machte eine Bewegung, durch die er andeuten wollte, alle diese Schmeicheleien seien ihm unangenehm.

      »Ich will,« sagte Mazarin, »ich will Euch einen Rath geben, ja, einen Rath, der kostbarer ist, als diese vierzig Millionen.«

      »Herr Cardinal!« unterbrach ihn Ludwig XIV.

      »Sire, hört diesen Rath.«

      »Ich höre.«

      »Nähert Euch, Sire, denn ich werde schwächer . . . immer näher, Sire, immer näher.«

      »Sire,« sagte Mazarin so leise, daß der Hauch seines Wortes allein, wie eine Ermahnung aus dem Grabe, zu den aufmerksamen Ohren des Königs gelangte, »Sire, nehmt nie einen ersten Minister an.«

      Ludwig fuhr erstaunt zurück. Der Rath war ein Geständniß, diese aufrichtige Beichte von Mazarin war in der That ein Schatz. Das Vermächtniß des Cardinals für den König bestand nur aus sieben Worten; doch diese sieben Worte waren, wie Mazarin gesagt hatte, vierzig Millionen werth.

      Ludwig blieb einen Augenblick wie betäubt. Mazarin aber schien etwas ganz Natürliches gesagt zu haben.

      »Habt Ihr nun außer Eurer Familie mir irgend Jemand zu empfehlen, Herr von Mazarin?« fragte der König.

      Man vernahm ein leises Kratzen an den Vorhängen des Bettganges. Mazarin begriff es.

      »Ja, ja,« rief er lebhaft; »ja, Sire, ich empfehle Euch einen verständigen Mann, einen redlichen Mann, einen gewandten Mann.«

      »Sagt seinen Namen, Herr Cardinal.«

      »Sein Name ist Euch beinahe noch unbekannt, Sire, es ist der von Herrn Colbert, meinem Intendanten. Oh! versucht es mit ihm,« fügte Mazarin mit starkem Nachdruck bei. »Alles, was er mir vorhergesagt hat, ist in Erfüllung gegangen; er besitzt Scharfblick und hat sich nie in den Dingen, wie in den Menschen getäuscht. Sire, ich bin Euch viel schuldig, aber ich glaube meine Schuld an Euch abzutragen, indem ich Euch Colbert gebe.«

      »Es sei,« sagte Ludwig gleichgültig, denn der Name von Colbert war ihm wirklich, wie dies Mazarin bemerkt hatte, völlig unbekannt und erhielt diese Begeisterung des Cardinals für das Delirium des Sterbenden.

      Der Cardinal war auf sein Kissen zurückgefallen.

      »Diesmal Gott befohlen, Sire, Gott befohlen.« murmelte Mazarin . . . »Ich bin müde und habe noch einen sauren Weg zu machen, ehe ich mich vor meinen neuen Herrn stelle. Lebet wohl, Sire.«

      Der junge König fühlte Thränen in seinen Augen. Er neigte sich zu dem Sterbenden herab, der schon halb eine Leiche war, und entfernte sich dann hastig.

       IX.

      Die erste Erscheinung von Colbert

      Die ganze Nacht ging in gemeinschaftlichen Bangigkeiten für den Sterbenden und für den König hin: der Sterbende erwartete seine Befreiung, der König erwartete seine Freiheit.

      Ludwig legte sich nicht zu Bette. Eine Stunde, nachdem er das Zimmer des Cardinals verlassen, erfuhr er, daß der Sterbende, der wieder ein wenig zu Kräften gekommen, sich hatte ankleiden, schminken, kämmen lassen, und daß er

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