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sogar das Gewissen eines Königs in Versuchung führen.«

      »Aber, mein Herr,« entgegnete Anna von Oesterreich, »statt den König von der Annahme dieses Geschenkes abwendig zu machen, bemerkt lieber Seiner Majestät, Ihr, dessen Amt es ist, daß diese vierzig Millionen ein Vermögen bilden.«

      »Gerade, Madame, weil diese vierzig Millionen ein Vermögen bilden, sage ich zum König: »»Sire, es ist nicht schicklich, daß ein König von einem Unterthanen sechs Pferde von zwanzigtausend Livres annimmt, es ist entehrend, daß er sein Vermögen einem andern Unterthanen zu verdanken hat, der mehr oder minder ängstlich in der Wahl der Materialien war, welche zur Erbauung dieses Vermögens beitrugen.««

      »Mein Herr, es steht Euch nicht an, dem König eine Lection zu geben,« sagte Anna von Oesterreich; »verschafft ihm eher vierzig Millionen, um die zu ersetzen, welche Ihr ihn verlieren macht.«

      »Der König wird sie haben, sobald er will,« sprach der Oberintendant der Finanzen sich verbeugend.

      »Ja, indem Ihr sie vom Volk herauspreßt,« sagte Anna von Oesterreich.

      »Ei! Madame,« entgegnete Fouquet, »ist das Volk nicht auch gepreßt worden, als man es die durch diese Urkunde geschenkten vierzig Millionen schwitzen ließ? Uebrigens hat mich Seine Majestät um meine Ansicht gefragt und ich habe sie ausgesprochen; Seine Majestät verlange meine Mitwirkung, und ich werde bemüht sein, zu wirken.«

      »Auf, auf, mein Sohn, nehmt das Geschenk an,« sprach Anna von Oesterreich, »Ihr steht über den Deutungen und Gerüchten.«

      »Weigert Euch, Sire,« sagte Fouquet. »So lange ein König lebt, hat er kein anderes Niveau, als sein Gewissen, keinen anderen Richter, als seinen Wunsch: doch ist er todt, so hat er die Nachwelt, die ihm Beifall spendet, oder ihn anklagt.«

      »Ich danke, meine Mutter,« sprach Ludwig XIV., sich ehrfurchtsvoll vor der Königin verbeugend; »ich danke, Herr Fouquet,« sagte er höflich, den Oberintendanten entlassend.

      »Nehmt Ihr an?« fragte abermals Anna von Oesterreich.

      »Ich werde es mir überlegen,« antwortete der König und schaute dabei Fouquet an.

       VIII.

      Todeskampf

      An demselben Tag, wo die Schenkung dem König überschickt worden war, hatte sich der Cardinal nach Vincennes bringen lassen. Der König und der Hof waren ihm gefolgt. Der letzte Schimmer dieser Fackel verbreitete noch Glanz genug, um in seiner Strahlung alle andere Lichter zu verschlingen. Als ein getreuer Trabant seines Ministers, ging der junge Ludwig XIV., wie man steht, bis zum letzten Augenblick in der Richtung seiner Gravitation. Das Uebel hatte sich nach der Vorhersagung von Guénaud verschlimmert; es war nicht mehr ein Gichtanfall, sondern ein Todesanfall. Dann gab es einen Umstand, der für den mit dem Tode Ringenden ganz besonders gefahrvoll war: die Angst, in welche sein Geist die an den König abgesandte Schenkung versetzte, welche Ludwig XIV., nach den Worten von Colbert, dem Cardinal nicht angenommen zurückschicken sollte. Der Cardinal hatte, wie wir gesehen, großes Vertrauen zu den Weissagungen seines Secretaire; doch die Summe war stark, und wie bedeutend auch das Genie von Colbert sein mochte, so dachte doch von Zeit zu Zeit der Cardinal, auch der Theatiner könne sich täuschen, und es gebe wenigstens ebenso viel Chancen, daß er nicht verdammt werde, als vorhanden seien, daß Ludwig XIV. ihm seine Millionen zurückschicke.

      Je mehr die Schenkung zurückzukehren zögerte, desto mehr fand überdies Mazarin, vierzig Millionen lohnen sich schon der Mühe, daß man etwas wage, und besonders etwas so Hypothetisches wie die Seele.

      In seiner Eigenschaft als Cardinal und erster Minister war Mazarin etwas Atheist und ganz und gar Materialist.

      So oft die Thüre sich öffnete, wandte er sich daher rasch um, im Glauben, seine unglückliche Schenkung würde durch diese Thüre zurückkehren; doch in seiner Hoffnung getäuscht, legte er sich mit einem Seufzer wieder nieder, und nahm seinen Schmerz um so heftiger wieder auf, als er ihn einen Augenblick vergessen hatte.

      Anna von Oesterreich war auch dem Cardinal gefolgt; ihr Herz, obgleich durch das Alter selbstsüchtig geworden, konnte es sich nicht versagen, diesem Sterbenden eine Traurigkeit kundzugeben, die sie ihm, wie die Einen sagten, als Frau, wie die Andern sagten, als Souverainin schuldig war.

      Sie hatte gewissermaßen die Gesichtstrauer zum Voraus angelegt, und der ganze Hof trug diese mit ihr.

      Um nicht auf seinem Antlitz zu zeigen, was in der Tiefe seiner Seele vorging, blieb Ludwig hartnäckig in seinem Zimmer eingeschlossen, wo ihm seine Amme allein Gesellschaft leistete; je näher er sich dem Ziele sah, wo jeder Zwang für ihn aufhören würde, desto demüthiger und geduldiger machte er sich, desto mehr zog er sich, wie alle starken Menschen, die einen Plan haben, in sich selbst zurück, um sich im entscheidenden Augenblick mehr Federkraft zu verleihen.

      Man hatte insgeheim die letzte Oelung dem Cardinal gegeben, der, getreu seiner Gewohnheit, sich zu verstellen, gegen den Anschein und selbst gegen die Wirklichkeit kämpfte und in seinem Bett empfing, als wäre er nur von einem vorübergehenden Uebel befallen worden.

      Guénaud beobachtete seinerseits das vollkommenste Stillschweigen; von allen Seiten mit Fragen bedrängt, antwortete er nichts, wenn nicht: »Seine Eminenz ist noch voll Jugend und Kraft; doch Gott will, was er will, und wenn er beschließt, das menschliche Gebäude soll einstürzen, so stürzt es auch nothwendig ein.«

      Diese Worte, die er mit einer Art von Discretion, von Zurückhaltung, und gleichsam vorzugsweise ausstreute, wurden von zwei Personen mit großem Interesse erläutert: vom König und vom Cardinal.

      Trotz der Prophezeiung von Guénaud, hinterging sich Mazarin fortwährend, oder besser gesagt, er spielte seine Rolle so gut, daß die Feinsten, indem sie sagten, er hintergehe sich, bewiesen, daß sie von ihm bethört waren.

      Seit zwei Tagen vom Cardinal entfernt, das Auge starr auf die Schenkung geheftet, die den Cardinal so stark beschäftigte, wußte Ludwig nicht genau, woran Mazarin war. Die väterlichen Ueberlieferungen verfolgend, war Ludwig XIV. bis dahin so wenig König gewesen, daß, so glühend er sich auch nach dem Königthum sehnte, seine Sehnsucht doch von jener Angst begleitet war, welche das Unbekannte stets einflößt. Nachdem er seinen Entschluß gefaßt hatte, den er übrigens Niemand mittheilte, beschloß er auch, von Mazarin eine Zusammenkunft zu verlangen.

      Anna von Oesterreich, welche beständig beim Cardinal verweilte, hörte zuerst diesen Vorschlag des Königs, der, als sie ihn dem Sterbenden eröffnete, diesen beben machte.

      In welcher Absicht verlangte Ludwig XlV. eine Zusammenkunft? Geschah es, um zurückzugeben, wie Colbert gesagt hatte? Geschah es, um nach einer Danksagung zu behalten, wie Mazarin dachte? Nichtsdestoweniger zögerte der Sterbende nicht einen Augenblick, da er fühlte, wie diese Ungewißheit sein Uebel noch verschlimmerte.

      »Seine Majestät wird sehr willkommen sein, ja, sehr willkommen, « rief er, indem er Colbert, welcher am Fuße seines Bettes saß, ein Zeichen machte, das dieser vollkommen verstand. »Madame,« fuhr Mazarin fort, »würde Eure Majestät wohl so gut sein, den König selbst der Wahrheit dessen, was ich gesagt habe, zu versichern?«

      Anna von Oesterreich stand auf; es drängte sie auch, Gewißheit über den Punkt der vierzig Millionen zu erhalten, die der dumpfe Gedanke von Jedermann waren.

      Sobald Anna von Oesterreich sich entfernt hatte, erhob sich Mazarin mit großer Anstrengung gegen Colbert und sagte:

      »Nun, Colbert, das waren zwei unglückliche Tage! zwei tödtliche Tage, und Du siehst, es ist nichts von dort zurückgekehrt.«

      »Geduld, Monseigneur,« erwiederte Colbert.

      »Bist Du ein Narr, Unglücklicher! Du räthst mir Geduld! Oh! wahrhaftig, Colbert, Du spottest meiner: ich sterbe, und Du schreist mir zu, ich soll warten.«

      »Monseigneur,« entgegnete Colbert mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit, »es ist unmöglich, daß die Dinge nicht gehen, wie ich gesagt habe. Seine Majestät kommt, um Euch zu besuchen, und sie will Euch selbst die Schenkung zurückbringen.«

      »Du glaubst? Ich bin im Gegentheil sicher, daß Seine Majestät kommt, um mir zu danken.«

      Anna

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