Скачать книгу

wiederholte unablässig:

      »Wie gut ist der König und wie sehr gleicht er seinem höchstseligen Herrn Vater.«

      »Im Schönen,« sagte Pittrino.

      »Wie stolz ist seine Miene!« fügte Madame Cropole bei, welche schon ihre Bemerkungen mit denen ihrer Nachbarn und Nachbarinnen vermischte.

      Cropole nährte diese Reden mit seinen persönlichen Bemerkungen, ohne wahrzunehmen, daß ein Greis zu Fuß, der jedoch ein kleines irisches Pferd am Zügel nachzog, die Gruppe der Frauen und Männer, welche sich vor den Medicis aufgestellt hatte, durchschneiden wollte.

      Doch in diesem Augenblick wurde die Stimme des Fremden am Fenster hörbar.

      »Herr Wirth, macht doch, daß man bis zu Eurem Hause gelangen kann.«

      Cropole wandte sich um, sah jetzt erst den Greis und machte ihm Platz, daß er vorüber konnte.

      Das Fenster schloß sich wieder.

      Pittrino bezeichnete dem Ankömmling den Weg, und dieser trat ein, ohne ein Wort von sich zu geben.

      Der Fremde wartete auf dem Ruheplatz, er streckte die Arme nach dem Greis aus und führte ihn zu einem Stuhl, doch-dieser widerstand.

      »Oh! nein, nein, Mylord,« sagte er, »Mich vor Euch setzen, niemals!«

      »Parry!« rief der Edelmann, »ich bitte Euch, Euch, der Ihr von England, von so fern her kommt! Ah! man sollte Euer Alter nicht solche Strapazen wie die meines Dienstes aushalten lassen. Ruht aus . . . «

      »Ich habe Euch vor Allem meine Antwort zu geben, Mylord.«.

      »Parry . . . ich beschwöre Dich, sage mir nichts . . . denn wenn die Neuigkeit gut gewesen wäre, würdest Du Deinen Satz nicht so angefangen haben. Du nimmst einen Umweg, weil die Nachricht schlecht ist.«

      »Mylord,« erwiederte der Greis, »laßt Euch nicht zu rasch beunruhigen. Es ist nicht Alles verloren, wie ich hoffe. Es bedarf des Willens, der Beharrlichkeit und besonders der Resignation.«

      »Parry,« entgegnete der junge Mann, »ich bin allein durch tausend Hinterhalte, tausend Fallen, tausend Gefahren hierhergekommen: glaubst Du an meinen Willen? Ich habe diese Reise zehn Jahre lang überdacht, trotz aller Rathschläge und aller Hindernisse: glaubst Du an meine Beharrlichkeit? Ich habe diesen Abend den letzten Diamant meines Vaters verkauft, denn ich hatte nichts mehr, um mein Lager zu bezahlen, und der Wirth war im Begriff, mich fortzujagen.«

      Parry machte eine Geberde der Entrüstung, welche der junge Mann durch einen Händedruck und ein Lächeln erwiederte.

      Der Greis hob seine zitternden Hände zum Himmel empor.

      »Sprich,« sagte der Fremde, »verbirg mir nichts: was ist geschehen?«

      »Meine Erzählung wird kurz sein, Mylord, doch, um des Himmels willen, zittert nicht so.«

      »Das geschieht vor Ungeduld. Parry; laß hören, was hat Dir der General gesagt?«

      »Zuerst wollte mich der General gar nicht empfangen.«

      »Er hielt Dich für einen Spion?«

      »Ja, Mylord; doch ich schrieb ihm einen Brief.«

      »Nun?«

      »Er hat ihn angenommen, er hat ihn gelesen, Mylord.«

      »Dieser Brief erklärte ihm wohl meine Lage und meine Wünsche?«

      »Oh! ja,« sagte Parry mit einem traurigen Lächeln, »er schilderte getreulich Eure Ansicht.«

      »Sodann, Parry . . . «

      »Sodann schickte mir der General durch einen Adjutanten meinen Brief zurück und ließ mir ankündigen, wenn ich mich am andern Tag noch im Umkreise seines Commandos befände, würde er mich verhaften lassen.«

      »Verhaften!« murmelte der junge Mann, »Dich, meinen treusten Diener, verhaften!«

      »Ja, Mylord.«

      »Und Du hattest doch Parry unterzeichnet?«

      »Mit allen Buchstaben, Mylord; und der Adjutant kannte mich von Saint-James und von Whitehall,« fügte der Greis mit einem Seufzer bei.

      Der junge Mann neigte sich träumerisch und düster.

      »Das hat er vor seinen Leuten gethan,« sagte er, indem er sich selbst durch eine Hoffnung zu täuschen suchte . . . »Doch was hat er unter der Hand gethan, unter vier Augen, von ihm zu Dir? Antworte.«

      »Ach! Mylord, er hat mir vier Reiter geschickt, die mir das Pferd gaben, auf dem Ihr mich habt ankommen sehen. Diese Reiter führten mich mit der größten Eile bis zu dem kleinen Hafen von Tenby, wo sie mich gleichsam auf ein Fischerboot warfen, das nach der Bretagne segelte, und so bin ich hier.«

      »Oh!« seufzte der junge Mann, indem er krampfhaft mit seiner Hand seine nervige Kehle zusammenpreßte, in der ein Schluchzen emporstieg. »Parry, das ist Alles, das ist wirklich Alles?«

      »Ja, Mylord, es ist Alles.«

      Nach dieser kurzen Antwort von Parry trat ein langer Zwischenraum des Stillschweigens ein, man hörte nur das Geräusch vom Absatz des jungen Mannes, der damit voll Wuth den Boden peinigte.

      Der Greis wollte es versuchen, das Gespräch zu verändern, denn es führte zu allzu traurigen Gedanken.

      »Mylord,« fragte er, »was bedeutet denn all das Geräusch, das mir voranging? wer sind die Leute, die: Es lebe der König! rufen? Von welchem König ist die Rede, und warum alle diese Lichter?«

      »Ah l Parry,« erwiederte ironisch der junge Mann, »Du weißt nicht, daß der König seine gute Stadt Blois besucht; alle diese Trompeten gehören ihm, alle diese mit Gold überzogenen Schabracken gehören ihm, alle diese Edelleute haben Schwerter, welche ihm gehören. Seine Mutter fährt ihm in einem prachtvollen, mit Silber und Gold eingelegten Wagen voran. Glückliche Mutter! Sein Minister häuft ihm Millionen an und führt ihn zu einer reichen Braut. Deshalb ist all dieses Volk so freudig, es liebt seinen König, es schmeichelt ihm durch seinen tausendfachen Zuruf und schreit: Es lebe der König! es lebe der König!«

      »Gut, gut, Mylord!« sagte Parry, noch unruhiger über die Wendung des neuen Gesprächs, als über das alte.

      »Du weißt,« fuhr der Unbekannte fort, »daß meine Mutter, meine Schwester, während dies Alles zu Ehren König Ludwig XIV. vorgeht, kein Geld und kein Brod mehr haben; Du weißt, daß ich arm, dem Hohne preisgegeben in vierzehn Tagen sein werde, wenn ganz Europa erfährt, was Du mir erzählt hast! Parry . . . gibt es Beispiele, daß sich ein Mann in meinen Verhältnissen . . . «

      »Mylord, im Namen des Himmels!«

      »Du hast Recht, Parry, ich bin ein Feiger, und wenn ich nichts für mich thue, was wird Gott thun! Nein, nein, ich habe zwei Arme, Parry, ich habe ein Schwert . . . «

      Und er schlug heftig mit seiner Hand auf seinen Arm und nahm sein Schwert von der Wand, an der es hing,

      »Was wollt Ihr thun, Mylord?«

      »Parry, was ich thun will? Was Jedermann in meiner Familie thut; meine Mutter lebt von der öffentlichen Wohlthätigkeit, meine Schwester bettelt für meine Mutter, ich habe irgendwo Brüder, welche ebenfalls für sie betteln. Ich, der Aelteste, will es machen wie sie Alle, ich will Almosen fordern!«

      Und nach diesen Worten, die er durch ein nerviges, schreckliches Gelächter kurz abschnitt, gürtete der junge Mann sein Schwert um, nahm seinen Hut vom Schrank, ließ sich einen schwarzen Mantel, den er während der ganzen Reise getragen hatte, auf der Schulter befestigen, drückte dem Greis, der ihn voll Angst anschaute, beide Hände und sprach:

      »Mein guter Parry, laß Dir Feuer machen, iß, trinke, schlafe, sei glücklich: laß uns selig sein, mein treuer Freund, mein einziger Freund: wir sind reich wie Könige!«

      Er gab dem Sack mit den Pistolen einen Faustschlag, daß er schwer auf die Erde fiel, brach wieder in jenes finstere Gelächter aus, das Parry so sehr erschreckt hatte, und während das ganze Haus schrie, sang und sich

Скачать книгу