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Verbrechen, die man Euch wird zur Last legen wollen.«

      »Das ist abermals wahr . . . Und dann räthst Du mir, mich in die Bastille stecken zu lassen?«

      »Der Herr Graf de la Fère würde es Euch rathen wie ich.«

      »Ich weiß es, bei Gott! wohl,« sagte d’Artagnan träumerisch; »Du hast Recht, ich werde nicht fliehen. Doch wenn man mich in die Bastille wirft?«

      »Wir bringen Euch wieder heraus,« sprach Raoul mit ruhiger Miene.

      »Mordioux!« rief d’Artagnan, indem er seine Hand ergriff, »Du hast das auf eine wackere Art gesagt, Raoul: das ist ganz rein Athos. Nun wohl! ich gehe. Vergiß mein letztes Wort nicht.«

      »Mit Ausnahme eines Fünftels,« sagte Raoul.

      »Ja. Du bist ein hübscher Junge, und Du sollst Letzterem noch etwas beifügen.«

      »Sprecht.«

      »Daß, wenn Ihr mich nicht aus der Bastille herausbringt und ich darin sterbe . . . Oh! man hat das gesehen . . . Und ich wäre ein abscheulicher Gefangener, ich, der ich ein leidlicher Mensch war . . . In diesem Fall schenke ich drei Fünftel Dir, und das vierte Deinem Vater.«

      »Chevalier!«

      »Mordioux! wenn Ihr mir wollt Messen lesen lassen, so steht es Euch frei.«

      Nach diesen Worten nahm d’Artagnan das Wehrgehänge vom Haken, gürtete ein Schwert um, ergriff einen Hut, dessen Feder frisch war, und reichte die Hand Raoul, der sich bewegt in seine Arme warf.

      Sobald er in der Bude war, schaute er die Ladenbursche an, welche die Scene mit einem Stolz, in den sich Unruhe mischte, betrachteten; dann tauchte er die Hand in eine Kiste, worin kleine Korinthen, und ging auf den Officier zu, der philosophisch vor der Ladenthüre wartete.

      »Diese Züge! . . . Seid Ihr es, Herr von Friedisch,« rief heiter der Musketier, den Jargon des Schweizers nachahmend. »Ei! ei! wir verhaften also unsere Freunde?«

      »Ich bin es,« erwiederte der Schweizer mit seinem harten Accent. »Guten Morgen, Herr d’Artagnan.«

      »Soll ich Euch meinen Degen geben? Ich sage Euch zum Voraus, daß er lang und schwer ist. Laßt ihn mir bis zum Louvre, ich bin ganz dumm, wenn ich auf der Straße keinen Degen habe, und Ihr wäret noch dümmer als ich, wenn Ihr zwei hättet.«

      »Der König hat nichts davon gesagt,« entgegnete der Schweizer; »behaltet also Euren Degen.«

      »Ei! das ist sehr artig vom König. Gehen wir geschwinde.«

      Herr von Friedisch war kein Schwätzer, und d’Artagnan hatte zu viel zu denken, um es zu sein. Vom Laden von Planchet bis zum Louvre war die Entfernung nicht groß, und man kam in zehn Minuten an Ort und Stelle. Es war Nacht.

      Herr von Friedisch wollte durch das Pförtchen eintreten.

      »Nein,« sagte d’Artagnan, »Ihr würdet dadurch Zeit verlieren: wählt die kleine Treppe.«

      Der Schweizer that, was ihm d’Artagnan empfahl, und führte ihn in die Flur des Cabinets von Ludwig XIV.

      Hier angelangt, verbeugte er sich vor seinem Gefangenen und kehrte, ohne etwas zu sagen, an seinen Posten zurück.

      D’Artagnan hatte nicht Zeit gehabt, sich zu fragen, warum man ihm seinen Degen nicht abnehme, als die Thüre des Cabinets sich öffnete und ein Kammerdiener: »Herr d’Artagnan!« rief.

      Der Musketier nahm seine Paradehaltung an, und trat, das Auge weit geöffnet, die Stirne ruhig, den Schnurrbart starr, ein.

      Der König saß an seinem Tisch und schrieb.

      Er ließ sich nicht stören, als der Tritt des Musketiers auf dem Boden erscholl. Er wandte nicht einmal den Kopf um, D’Artagnan ging bis in die Mitte des Saals und drehte, da er wahrnahm, daß der König ihm gar keine Aufmerksamkeit schenkte, und da er zugleich einsah, daß dies Affectation, eine Art von ärgerlichem Eingang zu der Erklärung war, die sich vorbereitete, dem Fürsten den Rücken zu und fing an mit allen seinen Augen die Fresken vom Karnieß und die Sprünge am Plafond zu beschauen.

      Dieses Manoeuvre war von einem kleinen stillschweigenden Monolog begleitet:

      »Ah! Du willst mich demüthigen, Du, den ich ganz klein gesehen habe, Du, den ich wie mein Kind gerettet. Du, dem ich wie einem Gott gedient habe . . . das heißt umsonst . . . Warte, warte. Du wirst sehen, was ein Mann vermag, der dem Cardinal, dem wahren Cardinal, das Hugenotten-Lied ins Gesicht gepfiffen hat!«

      Ludwig XIV. wandte sich in diesem Augenblick um und fragte:

      »Ihr seid da, Herr d’Artagnan?«

      D’Artagnan sah die Bewegung, ahmte sie nach und antwortete:

      »Zu Besehen, Sire.«

      »Gut; wollt warten, bis ich addirt habe.«

      D’Artagnan verbeugte sich, ohne etwas zu erwiedern:

      »Das ist ziemlich höflich und ich habe nichts dagegen zu bemerken,« dachte er.

      Ludwig machte ungestüm einen Federzug und warf dann seine Feder zornig weg.

      »Gut, ärgere Dich, um in den Zug zu kommen,« dachte der Musketier, »Du wirst es mir bequem machen; es ist auch gut, daß ich damals in Blois mein Herz nicht ganz ausgeleert habe.«

      Ludwig stand auf und fuhr mit der Hand über die Stirne: dann blieb er vor d’Artagnan stehen und schaute ihn mit einer zugleich gebieterischen und wohlwollenden Miene an.

      »Nun, was will er denn von mir? er mache ein Ende!« dachte der Musketier.

      »Mein Herr,« sprach der König, »Ihr wißt ohne Zweifel, daß der Herr Cardinal gestorben ist?«

      »Ich vermuthe es, Sire.«

      »Ihr wißt folglich, daß ich Herr in meinem Hause bin.«

      »Das ist nichts, was sich vom Tod des Cardinals datirt, Sire: man ist immer Herr in seinem Hause, wenn man will.«

      »Ja, aber Ihr erinnert Euch alles dessen, was Ihr mir in Blois gesagt habt?«

      »Nun sind wir dabei,« dachte d’Artagnan; »ich täuschte mich nicht. Ah! desto besser, das ist ein Zeichen, daß ich noch einen ziemlich guten Geruch habe.«

      »Ihr antwortet mir nicht,« sagte Ludwig.

      »Sire, ich glaube mich zu erinnern.«

      »Ihr glaubt nur?«

      »Es ist schon lange her.«

      »Wenn Ihr Euch nicht mehr erinnert, so will ich Euer Gedächtniß auffrischen. Ihr habt mir Folgendes gesagt, hört wohl.«

      »Oh! Sire, ich höre mit allen meinen Ohren, denn das Gespräch wird wahrscheinlich eine interessante Wendung für mich nehmen.«

      Ludwig schaute den Musketier noch einmal an; dieser streichelte die Feder seines Hutes, dann seinen Schnurrbart, und wartete unerschrocken.

      Ludwig XIV. fuhr fort:

      »Ihr habt meinen Dienst verlassen, mein Herr, nachdem Ihr mir die volle Wahrheit gesagt?«

      »Ja, Sire.«

      »Nämlich, nachdem Ihr mir Alles erklärt, was Ihr über meine Denk- und Handlungsmeise für wahr hieltet. Das ist immerhin ein Verdienst. Ihr finget damit an, daß Ihr mir sagtet, Ihr dientet meiner Familie seit vierunddreißig Jahren, und wäret müde.«

      »Das habe ich gesagt, Sire.«

      »Und Ihr gestandet sodann, diese Müdigkeit sei nur ein Vorwand, und die Unzufriedenheit sei die wirkliche Ursache.«

      »Ich war in der That unzufrieden; doch diese Unzufriedenheit hat sich nirgends, daß ich wüßte, verrathen, und wenn ich als ein Mann von Herz laut vor Eurer Majestät sprach, so dachte ich nicht einmal einem Andern gegenüber.«

      »Entschuldigt Euch nicht, Herr d’Artagnan, und hört mich weiter an. Als Ihr mir den Vorwurf machtet, Ihr wäret unzufrieden, erhieltet Ihr als Antwort ein Versprechen; ich sagte Euch:

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