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muß Dir bemerken, meine theure Wilhelmine,« entgegnete Herr Maes, indem er die Brille, die er bereits auf den Tisch gelegt hatte, wieder aufsetzte, »ich muß Dir bemerken, daß dies eine Geschäftsangelegenheit ist, in welcher Deine Einmischung unpassend wäre.«

      »Und ich bemerke Ihnen, mein Herr,« entgegnete Wilhelmine mit bitterem Tone, »daß die Stunde der Geschäfte vorüber ist und daß diese junge Dame, welche mir der höchsten Theilnahme würdig erscheint, erfahre, wie weit die Schlechtigkeit gewisser Menschen gehen kann. – Uebrigens, mein Herr, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß ich der Dame die Sache mittheilen werde, wenn Sie es nicht thun.«

      »in der That,« sagte Herr Maes, sich besinnend, »scheint mir diese Mittheilung im Grunde genommen so unwichtig zu sein, daß es besser ist, sie werde bei einem einfachen gesellschaftlichen Geplauder gemacht, als durch einen Vertreter des Gesetzes. Gleichwohl wünschte ich dieser Eröffnung einige Fragen vorauszuschicken, deren Unbescheidenheit zu verzeihen ich Madame van der Beek bitte. Diese Unbescheidenheit wird übrigens durch den Inhalt des erwähnten Codicills vollkommen erklärt werden.«

      »Sprechen Sie, mein Herr!« sagte Esther ungeduldig.

      »Zunächst, Madame, muß ich Sie fragen, – ob Ihre Ehe mit Herrn van der Beek eine Heirath aus Liebe ist?«

      »O, gewiß mein Herr!« sagte Esther. »Wir waren Beide gleich arm und wußten durchaus nicht, was aus meinem Onkel Basilius Menuis geworden war; so arm, daß die Trauringe, welche wir wechselten, ganz einfache silberne Ringe sind.«

      Und ihre Linke dem Notar reichend, zeigte sie ihm in der That an dem Mittelfinger einen Ring von diesem untergeordneten Metall.

      Herr Maes übersah mit einem Blick die Hand und den Ring; er fand die erstere sehr schön und den letzteren sehr einfach.

      »Sehen Sie wohl,« fügte Esther hinzu, »und dennoch würde ich diesen Ring nicht gegen den Diamanten des Groß-Mogol vertauschen.«

      »Und Ihr Mann hat einen ähnlichen?« fragte der Notar-.

      »Genau einen gleichen.«

      »Und er hält auf seinen Ring eben so sehr, wie Sie auf den Ihrigen?«

      »Ich würde darauf schwören.«

      »Das ist schon etwas sehr Gutes,« sagte der Notar. »Nur sagen Sie mir noch, meine gute Dame, seit wie langer Zeit Sie verheirathet sind?«

      »Seit länger als achtzehn Monaten.«

      »Und während dieser achtzehn Monate, das ist die kitzliche Frage, Madame, indeß werden Sie sogleich die Wichtigkeit derselben erkennen – seit diesen achtzehn Monaten würden Sie für die Treue Ihres Mannes haften?«

      »Mit meinem Leben!« rief ohne Zögern Esther.«

      »Glückliche Frau,« sagte Madame Maes. »Ich hafte dafür, daß während des ersten Monats unserer Ehe dieses Ungeheuer – dabei deutete sie auf Herrn Maes – »schon drei oder vier Treulosigkeiten gegen mich begangen hatte.«

      »Wilhelmine! Wilhelmine? sagte Herr Maes, »wenn Du uns jeden Augenblick unterbrichst, kommen wir nie zu Ende.« Sich zu Esther wendend, fügte er dann hinzu: »Ueber die Vergangenheit beruhigt, Madame, hegen Sie also durchaus keine Besorgniß wegen der Zukunft?«

      »Durchaus nicht.«

      »Nun wohl Madame, so erfahren Sie denn –«

      »Ja, erfahren Sie, liebe Kleine, daß Ihr Onkel ein Ungeheuer war, ein Wüstling, der öffentlich in der schmachvollsten Zügellosigkeit lebte.«

      »Wilhelmine!« ermahnte Herr Maes.

      »Laß mich in Ruhe,« sagte Wilhelmine; »Du bist nicht besser, wie er. Ach, liebe Kleine,« fuhr die Frau des Notars fort, indem sie die Hände der Madame van der Beek in die ihrigen nahm und ihre kleinen grauen Augen mit dem Ausdrucke des Schmerzes zu der rothen Decke des Zimmers erhob, »wenn Sie wüßten, in was für ein abscheuliches Land Sie gekommen sind; wenn Sie den Grad der Irreligion und der Demoralisation kennten, zu welchem die Bewohner gelangt sind und der Herr dort vor Allen!«

      »Aber werde ich denn endlich, Madame,«sagte Esther ungeduldig, »das berüchtigte Codicill kennen lernen —«

      »Mein teures Kind, Ihr Ungeheuer von einem Onkel hatte einen wahren Harem, gleich dem Großtürken; über zwanzig Weiber, sagt man.«

      »Drei; nur drei,« unterbrach sie Herr Maes, »und alle drei waren ausgezeichnet schön.«

      »Hören Sie es? Hören Sie es?«

      »Und mein Onkel,« sagte Esther, »hat einen Theil seines Vermögens diesen drei Weibern hinterlassen. Darin erblicke ich nur etwas sehr Natürliches. Mein Onkel war mir zu Nichts verpflichtet. Er machte mich zur Millionärin. Die Dankbarkeit verbietet mir, einen Tadel über seine Ausführung auszusprechen und seine Großmuth im Geringsten anzutasten.«

      »Armer Engel des guten Gottes,« rief Madame Maes, indem sie Esther umarmte, »welch’ ein Zartgefühl, welch’ ein Herz! Ist es nicht abscheulich, so gute, so reine Geschöpfe, wie wir sind, den gemeinen Leidenschaften solcher Wesen überliefert zu sehen? Aber mein liebes Kind, das wäre nichts; das sind dergleichen Betrübnisse, denen wir uns unterwerfen müssen, ohne zu murren. Nein, nein, es ist schlimmer, als Sie denken. Stellen Sie sich vor, daß dieser höllische Basilius, der, übrigens ganz das Aussehen eines Schurken hatte, durch ein Testament die Ausschweifung ermuthigt und der Verderbtheit dieser drei Unglücklichen eine Prämie aussetzt.«

      Esther wendete sich zu Herrn Maes, indem sie hoffte, daß derselbe durch einige Worte der Redseligkeit seiner Frau ein Ziel setzen würde.

      »Er hat ein Drittel Ihres Vermögens Derjenigen der drei Weiber versprochen, der es gelingen würde, die Liebe Ihres Mannes zu erringen,« erwiederte ohne Zögern der Notar.

      »Ihres Mannes! Ist das nicht entsetzlich, mein armes Kind? Man muß ein Mann sein, um so etwas Nichtswürdiges, so etwas Unanständiges, zu ersinnen.«

      »Ich finde es nur komisch,« erwiederte Herr Maes, »besonders auf diese drei Weiber angewendet.«

      »Wie so auf drei?« fragte Esther.

      »Ohne Zweifel, liebe Kleine, so, daß wenn es diesen drei Geschöpfen gelingt, die Liebe Ihres Mannes Eine nach der Andern zu gewinnen, Sie nicht nur betrogen, gedemütigt, geopfert sind, sondern auch um Ihr Vermögen gebracht.«

      »Ist das wahr, mein Herr?« fragte Esther zögernd, »ein so eigenthümliches Codicill ist kaum zu glauben.«

      »Ach Madame,« entgegnete der Notar, indem er verzweiflungsvoll mit dem Kopfe nickte, »nichts ist wahrer.«

      »Aber Sie werden klagen, meine liebe Madame van der Beek« rief Wilhelmine. »Aus Liebe zu dem heiligen Institute der Ehe müssen Sie klagen und die Gerichtshöfe werden einem so abscheulichen Verlangen Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

      »Unsinn!« rief Herr Maes. »Klagen! Als ob dieser Teufel von Doctor nicht Alles vorausgesehen hätte! Sagt dieses Codicill nicht ganz deutlich, daß für den Fall, wenn es angetastet werden sollte, das erste Testament ungültig ist und das ganze Vermögen der Regierung zufällt? – Auf anderthalb Millionen Gulden zu verzichten – da haben Sie gut reden, Madame Maes.«

      »Ach, mein Herr,« sagte Esther, »ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es nicht die Größe dieses Vermögens ist, die mich reizt, sondern die Furcht vor der Noth, die mich entscheidet Eusebius ist krank, sehr krank, und ich gestehe Ihnen, daß ohne die Erbschaft, welche uns auf so wunderbare Weise zufiel, unsere Hilflosigkeit so groß ist, daß ich gezwungen wäre, mich von ihm zu trennen und von der öffentlichen Barmherzigkeit die Sorgfalt für ihn zu erbitten, die ich ihm nicht gewähren könnte. Ich bin tief betrübt über das Aergerniß, welches dieses unglückselige Codicill veranlaßt, aber es erschreckt mich keineswegs. Die Liebe meines Eusebius für mich ist unwandelbar. Ich kenne sein Herz und bin überzeugt, daß nie eine Andere als ich darin Platz finden wird.«

      »Arme Frau! Welch’ ein Glaube!« rief Madame Maes und trocknete sich eine Thräne.

      Herr Maes hustete und fragte: »Sie nehmen also die Erbschaft an?«

      »Ich nehme sie

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