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Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt
Читать онлайн.Название Adams Söhne
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Adolf von Wilbrandt
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Wittekind unterbrach ihn:
»Und wie kommt sie zu – euch?«
»Zu uns? Du hörtest ja: der ›Leibarzt‹. Weniger vornehm ausgedrückt: sie ist die Gesellschafterin dieser Baronin Tilburg; einer sehr gesunden Dame, die sich beständig für krank hält. Die arme Transatlantische hat offenbar kein Geld!«
»Und der Baron Tilburg?«
»Was der ist? Ein sogenannter Diplomat; ein Herr ohne Kopf, aber mit guten Beinen, auf denen er das ganze Jahr herumläuft, um sich nützlich zu machen. Einer von den kleinen Schmetterlingen der ›auswärtigen Angelegenheiten‹«.
›So spricht er von seinen „Freunden“‹, dachte Wittekind, ›mit denen er „für die nächsten vier Wochen noch verheiratet ist“. – Aber vielleicht ist er das nicht um ihretwillen, sondern wegen der Gesellschafterin der „Tusnelda“.‹
»Nun, und du?« fragte er dann. »Du bist nun ›Geheimer Rat‹?«
Waldenburg lächelte, stieß eine Rauchwolke aus und seufzte.
»Weil mich die Transatlantische so nannte?« sagte er langsam. »Die versteht das nicht. So ein bisschen Hofrat, das bin ich; und ein bisschen ›Geheimes‹ auch; aber der richtige ›Wirkliche Geheime Rat‹ – nein, das bin ich nicht. Wär’ ich das, dann wär’ ich Exzellenz. Danach tracht’ ich, mein Sohn; aber diesen großen Vogel kann ich noch immer nicht erjagen. So einem blaublütigen Dummkopf fliegt er zuletzt ganz von selbst ins Maul; uns ›Plebejern‹, uns ›Parvenus‹ schwebt er hoch überm Kopf, wie ein schwarzer Punkt, an den unsere Kugel nicht reicht, und verachtet uns. Das ist unser Martyrium; davon weißt du nichts. Ich könnte Europa regieren – Waldenburgs etwas vorgebeugte Gestalt richtete sich hoch auf – und ich bring’ es nicht einmal bis zur Exzellenz!« —
Wittekind lächelte still über diesen Kummer, den sein Herz nicht verstand. Er wollte etwas entgegnen, als er hinter sich, irgendwo im Dorf, eine jugendliche Stimme singen hörte, deren Klang ihm ins Herz schlug. Er konnte nicht irren, er kannte diese Stimme zu gut. Sie schwang sich weich und hell über die Häuser herüber.
»Das ist mein Junge! Mein Berthold!« rief Wittekind aus und stand einen Augenblick vor Freude wie angewurzelt. Dann aber, ohne weiter ein Wort zu sagen, drehte er sich um, und mehr laufend als gehend flog er der Stimme entgegen.
III. Kapitel
Östlich von Grödig, unter dem Hellbrunner Fels, liegt das Schloss und das Dorf Anif; parkähnlicher Wald und Wiesen trennen dann noch Anif von der breiten Salzach, die in rauschender Eile nach den Hügeln, Türmen und Brücken von Salzburg strebt. Auf dem Waldweg, der nah an dem Flusse hinführt und bald rechts, bald links einen ahnungsvollen Ausblick an die Gebirge hat, die das Tal begleiten, war an eben diesem Nachmittag, von Salzburg her, ein einsamer Wanderer stromauf geschritten; von den sonnig leuchtenden Bergen hatte er aber wenig geseh’n, denn er war in seine Gedanken versunken. Sein Hut saß im Nacken; den abgetragenen schwarzen Rock hatte er ausgezogen und über den Arm gelegt; er trug einen Knotenstock, den er nur zuweilen schwenkte, ohne sich auf ihn zu stützen.
Die Gestalt war stämmig, plebejisch, doch bewegte sie sich mit elastischer Leichtigkeit; so war denn auch das bartlose Gesicht jung und kraftvoll, wenn es auch nicht eigentlich jugendlich zu nennen war. Ein altklug nachdenklicher Zug hatte sich darin eingenistet; die Schärfe eines trotzigen und zersetzenden Denkens, die zwischen Nase und Mund allerlei Falten gegraben und auf die knochige Magerkeit des Gesichts gleichsam noch den hinweisenden Zeigefinger gelegt hatte.
Das schlichte Haar lag feucht und wirr auf der breiten Stirn, die von Schweißtropfen perlte; die grauen Augen waren tief unter die Stirn versenkt, während das Kinn hervortrat. Der junge Mann war bis an den Rand der schmalen Waldung gekommen, die zwischen Anis und der Salzach liegt; er wollte weitergehen, aber ein Anblick, der auch für diesen versonnenen Grübler merkwürdig war, hielt ihn auf. Am letzten Baum, einem großen Ahorn, lag ein junger Mensch im Gras, den Kopf auf seiner schwarzen Reisetasche, und schlief. Die im Westen weiterwandernde Sonne schien ihm jetzt gerade auf die Augenlider, doch ohne ihn zu wecken; sie vergoldete seine verwirrten blonden Locken und goss eine sanft glühende Verklärung über die auffallende Schönheit seines Gesichtes aus. Die zarten und edlen Formen waren in vollkommener Harmonie; Nase und Kinn überaus fein gebildet, die Wangen schienen ein wenig eingefallen, der Mund, fest geschlossen, war von fast rührendem Liebreiz, ohne doch unmännlich oder unentwickelt zu sein. Es war die allererste Blüte eines schönen Jünglings; der leuchtenden Haut fehlte nur dieser rosige Schimmer, der sonst bei so rein blonden nordischen Menschen aus den Adern durchscheint.
Er war blass. Selbst die Lippen hatten ein etwas verblasstes Rot. Vielleicht verstärkte das den eigentümlich idealen, rührenden, an Heiligenbilder erinnernden Ausdruck, der über dem zarten, bartlosen Antlitz lag; der in diesem Zeitalter so befremdend und überraschend war, dass der Wanderer stehen blieb und ihm ein Laut der Verwunderung entschlüpfte.
Der Schläfer rührte sich nicht. Er war fein gekleidet; ein blaues, lose geschlungenes Halstuch lag auf der hellen Weste; sein Panama-Hut war nach hinten gesunken. Eine goldene Uhr, die an goldener Kette hing, schaute ein wenig aus ihrer Tasche hervor, die Sonne spielte auf ihr.
›Wenn man nicht so ein anständiger Mensch wäre‹, dachte der mit dem Knotenstock, ›so tauschte man jetzt dem seine Uhr ab; der junge Aristokrat schläft so gut, der würd’ es nicht merken. Es ist eigentlich verrückt, dass man so anständig ist! – Allerdings, meine alte silberne, geh’n tut sie auch. Ich brauch’ dein goldenes Spielzeug nicht, junger Aristokrat. – Ein schöner Kerl. – Ein gar feines Bürschchen. – Adieu!‹
Er wollte weiter geh’n. Eben begann der Schläfer zu lächeln, offenbar im Traum. Der andre sah hin, blieb steh’n; es war ein so unschuldiges, gutes Lächeln. Wovon mochte er träumen? – Der junge Mensch fing an zu sprechen; doch zuerst so hastig und undeutlich, dass kein Wort zu verstehen war. Dann lächelte er noch einmal, und sagte langsam:
»Ach ja! Ein Eierkuchen! Sehr gut!«
Murmelnd wiederholte er: »Eierkuchen!« und machte eine Bewegung mit dem Arm, als wollte er ihn essen.
Das finstere Gesicht des Zuschauers erheiterte sich.
»Ob der Hunger hat?« sagte er vor sich hin. Ihm fiel darüber ein, dass er eigentlich selber Hunger habe, und dass seine Zeit gekommen sei, zu essen. Er zog aus einer seiner großen Rocktaschen ein Päckchen in grobem, grauem Papier hervor, und setzte sich zwei Schritte von dem Schläfer unter den nächsten Baum. Dann öffnete er das Päckchen, indem er das Papier auf seinem Schoß zur Tischplatte machte, holte ein starkes Messer aus der Tasche, und fing an, sein einfaches Mahl: Käse und Brot, zu verzehren.
Während er die vorspringenden Kinnbacken in Bewegung setzte, blickte er wieder auf den ›Aristokraten‹ hin.
Dem war das Lächeln vergangen; der geträumte Eierkuchen war offenbar nicht bis zu ihm gekommen. Die feinen Brauen zogen sich leicht zusammen. Um den Mund zuckte eine schmerzliche Bewegung, und ein schwacher Laut des Bedauerns entstand hinter den geschlossenen Lippen. Als der andre dies hörte, machte er eine Gebärde des Mitleids, die er aber sogleich wieder unterdrückte.
»Nu!« sagte er vor sich hin, »warum soll so ein ›Feiner‹ nicht einmal im Schlaf hungern? Andere hungern im Wachen. Seufz’ du nur weiter!«
Er vertiefte sich in seine wohltuende Beschäftigung, – selber noch ein Stück von einem ›Aristokraten‹, da er Brot und Käse mit dem Messer schnitt, statt allein mit den Zähnen zu arbeiten. Eine Weile vergaß er seinen Nachbar, der nichts mehr von sich vernehmen ließ. Als er dann wieder aufblickte, wäre er fast erschrocken: das bleiche Gesicht des Schläfers starrte ihn aufgerichtet an. Der junge Mensch musste sich fast unhörbar leise erhoben haben; er saß, seine großen, hellblauen, etwas matten Augen waren auf das ›Tischtuch‹ mit dem Brot und Käse geheftet, als wollten sie sich daran satt sehen, nachdem jener Traumkuchen sich so unredlich