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Namenlos. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Namenlos
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Wenn es so war, so war der Schluß, der sich daraus ergab, ein sehr betrübender. Mrs. Vanstone hatte, weil sie fühlte, was sie ihrer langen Freundschaft mit Miss Garth schuldig war, offenbar das vollste Vertrauen auf sie gesetzt, wenigstens in der einen Sache, während sie doch in der andern ganz unbefangen das unverbrüchlichste Stillschweigen beobachtete. – Bei ihrem eigenen offenen Charakter und ihrer Geradheit bei allen Handlungen hütete sich Miss Garth, ihre Vermuthungen unentwegt bis zu diesem Punkte zu verfolgen, weil sie es für eine Art Treuebruch gegen ihre erprobte und hochgeschätzte Freundin hielt, wenn sie noch länger bei sich darüber nachgrübelte.
Sie schloß den Brief in ihr Pult ein, erhob sich schnell, um sich den vorübergehenden Anforderungen des Tages zu widmen, und ging wieder in das Frühstückszimmer hinab. Unter so manchen Räthseln war doch wenigstens eine sichere Thatsache, nämlich die: Mr. und Mrs. Vanstone wollten den dreiundzwanzigsten des Monats zurückkommen. Wer konnte sagen, welche neue Enthüllungen mit ihnen kommen würden?
Viertes Capitel
Es kamen keine neuen Enthüllungen mit ihnen, keine der an ihre Rückkunft geknüpften Voraussetzungen ging in Erfüllung. Ueber den einen verbotenen Gesprächsstoff ihrer Londoner Reise waren weder der Herr noch die Frau vom Hause zum Sprechen zu bringen. Was auch immer ihre Absicht gewesen sein mochte, sie hatten, so schien es ganz, sie nach Wunsch erreicht; denn Beide kamen zurück, unverändert in Blick und Haltung. Mrs. Vanstones Wesen war in sein angeborenes ruhiges Gleichgewicht zurückgekehrt: Mr. Vanstones unerschütterliche Heiterkeit thronte so ruhig und unbekümmert wie sonst auf seiner Stirn. Das war das einzige bemerkbare Ergebniß ihrer gemeinschaftlichen Reise, keines weiter. War das tief verborgene Geheimniß undurchdringlich, verborgen für immer?
In dieser Welt kommt Alles »an das Licht der Sonnen«. Das Gold, das Jahrhunderte unbemerkt im Schoße der Erde lag, verräth sich eines Tages selbst der Oberwelt. Sand wird zum Angeber und verräth den Fuß, der über ihn hinging; Wasser wirft an die geschwätzige Oberfläche den Leichnam dessen aus, der darin ertrunken war. Das Feuer sogar liefert in der Asche, die es hinterläßt, den Nachweis, welches der Stoff gewesen, den es verzehrte. Der Haß zerbricht das Geheimschloß der Gedanken, indem er aus den Pforten der Augen springt, und die Liebe findet den Judas, der sie durch einen Kuß verräth. Sehen wir wohin wir wollen, das unentrinnbare Gesetz der Entdeckung ist ein Naturgesetz: die beständige Bewahrung eines Geheimnisses ist ein Wunder, das die Welt niemals geschaut hat.
Wie sollte das jetzt im Hauswesen auf Combe-Raven noch verborgene Geheimniß nach dem Rathschlusse der Vorsehung sich selbst verrathen? Durch welches neu eintretende Ereigniß in dem Alltagsleben des Vaters, der Mutter und der Töchter sollte das Gesetz der Entdeckung den Weg zur Enthüllung bahnen? – Der Weg wurde gebahnt (ohne daß es die Aeltern sahen und die Kinder wußten) durch das erste Ereigniß nach der Rückkehr von Mr. und Mrs. Vanstone, ein Ereigniß, welches dem ersten Anscheine nach kein Interesse von größerer Wichtigkeit bot, als die gewöhnliche Sitte eines Morgenbesuchs.
Drei Tage nachdem der Herr und die Frau von Combe-Raven zurückgekehrt waren, waren die weiblichen Familienglieder in dem Morgenzimmer beisammen. Die Aussicht aus den Fenstern ging auf den Blumengarten und das Buschwerk hinaus, welches letztere an der Außenseite mit einem Staket umgeben und von dem Heckengange dahinter durch ein Gatterthor zugänglich war. Bei einer Pause in der Unterhaltung wurde die Aufmerksamkeit der Damen plötzlich auf das Thor gelenkt, durch den scharfen Ton der eisernen Klinke, welche ins Schloß fiel. Es war Jemand von dem Heckengange in das Gebüsch getreten, und Magdalene stellte sich sofort an das Fenster, um des Besuchers durch die Bäume zuerst ansichtig zu werden.
Wenige Minuten darauf ward die Gestalt eines Herrn sichtbar, da wo der Baumgang in den gewundenen Gartenweg mündete, der zu dem Hause führte. Magdalene sah ihn aufmerksam an, ohne sofort zu erkennen, wer es war. Als er aber näher kam, brach sie in Erstaunen aus und machte, indem sie sich rasch zu ihrer Mutter und Schwester umdrehte kund, der Herr im Garten sei kein Anderer als »Mr. Francis Clare«.
Der so angekündigte Besuch war der Sohn von Mr. Vanstones ältestem Gesellschafter und nächstem Nachbar.
Mr. Clare der Vater bewohnte eine kleine anspruchslose Besitzung, die gerade an der Außenseite des Gebüschzaunes lag, welcher Letztere die Grenze des Grund und Bodens von Combe-Raven bezeichnete. Da er der jüngeren Linie einer sehr alten Familie angehörte, so war das einzige werthvolle Erbtheil seiner Vorfahren der Besitz einer prachtvollen Bibliothek, die nicht allein alle Zimmer in seiner bescheidenen kleinen Wohnung füllte, sondern auch durchgehends an den Treppen und in den Gängen aufgestellt war. Mr. Clares Bücher bildeten das einzige vorherrschende Interesse in seinem Leben. Er war schon seit vielen Jahren Witwer und machte kein Hehl daraus, daß er sich als Philosoph über den Verlust seiner Gattin zu trösten gewußt habe. Als Vater betrachtete er seine aus drei Söhnen bestehende Familie als ein unabwendbares häusliches Uebel, welches unaufhörlich das Allerheiligste seines Studierzimmers und die Sicherheit seiner Bücher bedrohe. Wenn die Knaben in die Schule gingen, sagte Mr. Clare zu ihnen: »Gott befohlen!« für sich selber aber: »Gott sei Dank!« Was sein kleines Einkommen und noch kleineres Hauswesen anlangte, so sah er Beides aus demselben selbstironisirenden und gleichgültigen Gesichtspuncte an. Er nannte sich selbst einen armen Mann mit einem Stammbaum. Die ganze Führung des Hauswesens überließ er einer alten schlappigen Frau, die sein einziger Dienstbote war, unter der Bedingung, daß sie sich nie unterfange, seinen Büchern mit einem Borstwisch nahe zu kommen vom ersten bis zum letzten Tage des Jahres. Seine Lieblingsdichter waren Horaz und Pope, seine Leibphilosophen Hobbes und Voltaire. Er machte sich nur mit Widerwillen Bewegung in frischer Luft und ging dann immer bis zu derselben abgemessenen Anzahl Schritte auf dem häßlichsten steilsten Wege der Nachbarschaft Er war von krummem Rücken, aber raschem lebhaften Wesen. Er konnte Radieschen vertragen und auf grünen Thee schlafen. Seine Ansichten von der Natur des Menschen waren die des Diogenes, gemildert durch Rochefoucaults Lebensanschauung; seine persönlichen Gewohnheiten waren im höchsten Grade unsauber, und am Liebsten rühmte er sich, über alle menschlichen Vorurtheile hinaus zu sein.
So war der wunderliche Kauz in seinem äußern Wesen. Was für edlere Eigenschaften er vielleicht unter dieser Außenseite barg, das hatte bis jetzt Niemand herausbekommen. Mr. Vanstone versicherte zwar steif und fest: »Mr. Clares schlimmste Seite sei seine Außenseite,« stand aber mit dieser seiner Meinung vereinzelt da unter den Nachbarn. Die Beziehungen zwischen diesen so ganz verschiedenen beiden Männern hatten schon viele Jahre gedauert und waren wohl nahe genug, um als Freundschaft bezeichnet werden zu können. Sie hatten sich gewöhnt, an gewissen Abenden in der Woche in dem Studierzimmer des Cynikers zusammen zu rauchen und sich dort über alle erdenklichen Gegenstände ernst zu unterhalten, Mr. Vanstone die Keule kühner Behauptungen schwingend, Mr. Clare mit dem scharfkantigen Rüstzeug der Sophisten ausparirend. Sie stritten sich gewöhnlich Abends und kamen den andern Morgen auf dem neutralen Grund und Boden des Gebüsches wieder zusammen, um sich zu versöhnen. Das Band des in solch wunderlicher Art zwischen beiden stattfindenden Verkehrs wurde auf Seiten Mr. Vanstones dadurch ein noch stärkeres, daß derselbe an seines Nachbars drei Söhnen einen herzlichen Antheil nahm, eine Theilnahme, welche für diese Söhne um so werthvoller war, als sie sahen, daß eines von den Vorurtheilen, die ihr Vater überwunden hatte, auch das Vorurtheil zu Gunsten seiner eigenen Kinder war.
– Ich sehe auf meine Kinder, pflegte der Philosoph zu sagen, mit vollkommen unparteiischen Augen; ich lasse den zufälligen Umstand ihrer Geburt außer allem Betracht und finde sie daher in jeder Hinsicht mittelmäßig. Die einzige Entschuldigung, welche ein armer Edelmann für seinen Anspruch, im neunzehnten Jahrhundert leben zu dürfen, haben kann, ist, daß er sich durch außerordentliche Fähigkeiten hervorthue. Meine Kinder sind aber von frühester