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Freude, die ihr ihre Laute verschaffte, hingegeben hätte. Umsonst las sie in ihren Stunden des Studiums die wüthenden Flüche gegen Liebe, Freiheit und Freude, Dichtkunst, Malerei und Musik, Gold, Silber und Edelgesteine, welche die alten Kirchenväter zur Beachtung der unterwürfigen Gemeinden früherer Tage abgefaßt hatten, umsonst bildete sie sich während jener langen theologischen Unterrichtsstunden ein, daß die verbotenen Wünsche ihres Herzens verbannt und vernichtet wären, daß ihr geduldiger, kindergleicher Charakter sich zu völliger Unterwürfigkeit gegen die strengsten Gebote ihres Vaters niedergebeugt habe. Ihre Gespräche mit Numerian waren kaum beendet, als auch die Eingebungen der Kunst in unserm Innern, welche die Natur zwar irre leiten, aber nie vernichten kann, zum Vergessen alles Dessen, was sie gehört, und zur Sehnsucht nach manchem Verbotenen lockte. Wir leben auf dieser Welt nur durch die Gesellschaft irgend einer Theilnahme, Sehnsucht oder Beschäftigung, welche uns zur gewöhnten Zuflucht von den von Außen herkommenden Plagen dient. Dasselbe Gefühl, welches Antoninen in ihrer Kindheit bewog, um einen Blumengarten zu bitten, veranlaßte sie in ihrem Jungfrauenalter, sich den Besitz einer Laute zu verschaffen.

      Die Leidenschaft für die Musik, welche ihr den Besuch bei Vetranio eingab, die allein ihr Herz vor dem Verkümmern in der ihr auferlegten Einsamkeit errettete und in der bereits beschriebenen Art ihre Mußestunden ausfüllte, war ein Erbtheil ihrer Geburt.

      Ihre spanische Mutter hatte ihr während der kurzen Zeit, daß es ihr gestattet war, über ihrem Kinde zu wachen, stundenlang in der Wiege vorgesungen. Der so auf die dämmernden Fähigkeiten des Kindes gemachte Eindruck verwischte sich nie. Obgleich ihre frühesten Wahrnehmungen nur das Elend ihres Vaters betrafen, obgleich die Form, welche bald seine verzweifelnde Reue annahm, sie zu einem Leben der Abgeschlossenheit und einer Erziehung von strengen Ermahnungen verurtheilte, überlebte doch die leidenschaftliche Anhänglichkeit an die Melodie der Töne, welche ihr die Stimme ihrer Mutter eingeflößt, die sie fast an der Mutterbrust eingesogen hatte, alle Vernachlässigung und überdauerte jeden Widerstand. Sie fand ihre Nahrung in kindischen Erinnerungen, in durch das Fenster gehörten Brocken von Liedern der Straßenjungen, im Rauschen der nächtlichen Winterstürme durch die Haine des Monte Pincio und einpfing ihre entzückte Befriedigung in den ersten Tönen der Laute des römischen Senators, welche sie vernahm. Wie sie später zum Besitz eines Instrumentes und zur Geschicklichkeit im Spielen gelangte, weiß der Leser bereits aus Vetranio’s Erzählung in Ravenna. Wenn der leichtsinnige Senator die wahre Fülle der Empfindungen, welche seine Kunst in der Brust seiner Schülerin erregte, während er derselben Unterricht gab, entdeckt, wenn er geahnt hätte, wie unablässig während ihrer Lektionen ihr Pflichtgefühl mit ihrer Liebe zur Musik kämpfte, wie völlig sie in dem einen Augenblicke durch die Qual des Zweifels und der Furcht, in dem andern durch das Entzücken des Genusses der Hoffnung absorbirt wurde, so würde er nur wenig von dem Erstaunen über ihre Kälte gegen ihn gefühlt haben, welches er bei seinem Geshräche mit Julien in dem Garten des Hofes so warm aussprach.

      In der That konnte nichts vollständiger sein, als Antoninen’s kindische Unbewußtheit der Gefühle, mit welchen sie Vetranio betrachtete. Wenn sie vor ihn trat, so wurde alle Neigung, welche nicht ihre Furcht verschlang, gänzlich von der geliebten, schönen Laute angezogen und ausgefüllt. Als sie das Instrument empfing, vergaß sie fast den Geber über dem Triumph des Besitzes oder war, wenn sie überhaupt an ihn dachte, nur dafür von Dankesgefühlen erfüllt, daß sie unverletzt einem Mitgliede der Klasse entgangen war, gegen welche die wiederholten Ermahnungen ihres Vaters ihr ein unbestimmtes Gefühl der Scheu und des Mißtrauens eingeflößt hatten, und um zu beschließen, daß sie jetzt, wo sie ihm für seine Güte gedankt und von seinem Gebiete geschieden war, nichts wieder bewegen solle, je durch das Betreten derselben sich der Entdeckung durch ihren Vater und der Gefahr für sich selbst auszusetzen.

      Unschuldig in ihrer Einsamkeit, fast kindisch in ihrer natürlichen Einfalt war ein einziger Genuß hinreichend, um alle Leidenschaften ihres Alters zu befriedigen. Vater, Mutter, Liebhaber und Gefährte, Freiheit, Unterhaltung und Putz, Alles vertrat ihr diese einfache Laute. Die Schelmischkeit, Munterkeit, Sanftmuth ihres Charakters, die Poesie ihrer Natur und die Neigung ihres Herzens, die glückliche Blüthe der Jugend, welche die Absperrung weder gänzlich zum Verwelken bringen noch falsche Lehren verderben konnten, wurden jetzt – so groß ist die schaffende Macht des menschlichen Gefühls – durch diesen unschätzbaren Besitz vollkommen genährt, zum Aufblühen gebracht und erfrischt. Sie konnte zu der Laute sprechen, sie anlächeln liebkosen und in der Extase ihres Entzückens in der Sorglosigkeit ihrer Selbstverblendung glauben, daß sie an ihrer Freude Theil nahm. Während ihrer langen, einsamen Stunden, wo sie in Abwesenheit ihres Vaters stumm von dem brütenden, traurigen Fremdling, den er über sie gesetzt hatte, bewacht wurde, war sie ihr zu einer theurern Gefährtin geworden, als der Blumengarten, theurer selbst, als die Ebenen und Gebirge, welche ihre Lieblingsaussicht bildeten. Wenn ihr Vater zurückkehrte und sie an einen dunkeln Ort unter fremde schweigsame Leute geführt wurde, um dort zu sitzen und endlosen Deklamationen zuznhörem war es ihr ein Trost, an das Instrument zu denken, welches sicher versteckt in ihrer Kammer lag und entzückt über die neuen selbsterfundenen Melodieen nachzusinnem welche sie das nächste Mal darauf spielen würde, und dann, wenn der Abend kam und sie in ihrem Garten allein blieb, dann erschien die Stunde des Mondscheins und Gesanges, der Augenblick des Entzückens und der Melodie, welcher sie sich selbst entzog, sie erhob, ohne daß sie fühlte, wie, und sie führte, ohne daß sie wußte, wohin.

      Während wir aber so bei Reflexionen über Beweggründe und Charakterforschungen verweilen, werden wir durch das Erscheinen einer anderen Gestalt auf der Bühne wieder in die äußere Welt der vorübergehenden Interessen und Ereignisse zurückgerufen. Wir ließen Antoninen im Garten, über ihre Laute in Gedanken versunken. Sie befindet sich noch in ihrer nachdenklichen Haltung, aber sie ist nicht mehr allein.

      Von denselben Stufen, über die sie herabgestiegen war, tritt jetzt ein Mann in den Garten und schreitet auf die Stelle zu, welche sie jetzt einnimmt. Sein Gang ist hinkend, seine Gestalt verkrümmt, seine Proportionen verzerrt. Seine großen, eckigen Züge stehen in gespenstischen Kontrast mit seinen eingeschrumpften Wangen. Sein trocknes, verworrenes Haar ist von der Sonne zu einem sonderbaren Graubraun gebrannt. Sein Ausdruck ist der des auf einen Punkt gehefteten strengen, trüben Denkens. Während er leise auf Antoninen zuschreitet, murmelt er vor sich hin und greift mit seinen dürren, formlosen Fingern mechanisch nach seinen Gewändern. Der helle Mondschein, welcher sein Gesicht überströmt, bekleidet dasselbe mit einem leichenartigen, räthselhaften, gespenstischen Aussehen. Für einen Fremden, der ihn in diesem Moment erblickt hätte, würde er eine fast furchtbare Erscheinung gewesen sein.

      Dies war der Mann, der Vetranio aus seinem Heimwege aufgefangen hatte und jetzt zurückgeeilt war, um seinen gewohnten Posten vor der Heimkehr seines Herrn wieder zu erreichen, denn er war das Individuum, welches Numerian bei seinem Gespräch mit dem Landmann vor der St. Peters Basilica als seinen alten Proselyten Ulpins erwähnt hatte.

      Als Ulpius dem Mädchen bis aus einige Schritte genaht war, blieb er stehen, und sprach mit rauher, starker Stimme:

      »Verstecke Dein Spielzeug, Numerian ist an der Thür.«

      Antonina schrak bei diesen zurückstoßenden Tönen heftig zusammen, das Blut strömte in ihre Wangen, sie bedeckte hastig die Laute mit ihrem Gewande, blieb einen Augenblick stehen, als wolle sie mit dem Manne sprechen, schauderte dann und eilte dem Hause zu.

      Als sie die Stufen hinauf stieg und in den Hausgang trat, begegnete ihr Numerian. Es war jetzt unmöglich geworden, die Laute an ihrem gewohnten Platze zu verbergen.«

      »Du bleibst zu lange im Garten,« sagte der Vater, trotz aller seiner Strenge, mit einem stolzen Blicke auf seine neben ihm stehende schöne Tochter. »Was fehlt Dir aber,« fügte er, ihre Vewirrung bemerkend, hinzu. »Du zitterst, Deine Farbe kommt und verschwindet, Deine Lippen beben, gieb mir Deine Hand. Als ihm Antonina gehorchte, schlüpfte eine Falte des verrätherischen Gewandes bei Seite und ließ einen Theil des Kastens der Laute entdecken. Numerian’s scharfes Auge erkannte ihn augenblicklich. Er riß das Instrument aus ihren schwachen Händen. Sein Erstaunen beim Anblicke desselben war für Worte zu groß und er stand auf einen Augenblick dem armen Mädchen mit seinem blassen, schreckensstarren Gesicht in ominösem, ausdrucksvollem Schweigen gegenüber.

      »Dieses Ding,« sagte er endlich, »diese Erfindung der Gottlosen

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