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sie schalkhaft. »Wissen Sie, wo sie sind, Herr Pfarrer? Wenn Sie es wissen, so sagen Sie es, und ich geh und hohl sie Ihnen.«

      »Geh nur hin, weil Du behauptest, es zu wissen.«

      »Sie sind, wo ich jetzt nicht hingehen kann. Ich sehe wohl, Herr Pfarrer, daß Sie es nicht wissen. Wenn Sie aber diesen Abend bei Sonnenuntergang mit mir kommen wollen und keine Furcht haben, so sollen Sie Etwas sehen, worüber Sie staunen werden.«

      Der Pfarrer zuckte die Achseln, allein Sabinas glühende Einbildungskraft bemächtigte sich dieser Grille.

      »Ich will mitgehen, ich,« rief sie, »ich will keine Furcht haben, ich will das Erstaunliche beobachten, ich will an den Teufel glauben und ihn sehen, wenn es sich thun läßt!«

      »Ganz sachte!« sagte ihr Leonce ins Ohr, »Sie haben meine Erlaubniß noch nicht, theure Kranke.«

      »Ich erbitte sie mir, ich entreiße sie Ihnen, liebenswürdiger Doktor.«

      »Nun, das werden wir sehen, ich will die Zauberin befragen und darüber entscheiden, wie ich für gut finde.«

      »Ich zähle also auf Ihren Wunsch, auf Ihr Versprechen, mich zu amüsiren. Wollen wir aber nicht inzwischen nach der Villa zurückkehren, um zu sehen, wie Mylord G*** geschlafen hat?«

      »Wenn Sie Ihren Willen haben wollen, so gebe ich meine Demission.«

      »Gott behüte! Bisher habe ich mich nicht einen Augenblick gelangweilt. Thun Sie daher, was Sie für zweckmäßig erachten; wo Sie mich aber hinführen mögen, da lassen Sie mich auch das Vogelmädchen mitnehmen.«

      »Das war ganz meine Absicht. Glauben Sie denn, sie sei zufälligerweise hiehergekommen?«

      »Sie kannten sie also? Sie haben also eine Zusammenkunft mit ihr verabredet?«

      »Fragen Sie mich nicht.«

      »Ich vergaß! Behalten Sie Ihre Geheimnisse; ich hoffe indeß, Sie werden deren noch mehr besitzen?«

      »Gewiß besitze ich deren noch mehr, und ich künde Ihnen an, Madame, daß dieser Tag nicht ohne Aufregungen, die in der kommenden Nacht Ihren Schlaf stören werden, herumgehen wird.«

      »Aufregungen! Ach! welch ein Glück!« rief Sabina; »werde ich die Erinnerung daran lange bewahren?«

      »Ihr Leben lang,« sagte Leonce mit einem Ernst, welcher über den Scherz hinaus zu gehen schien.«

      »Sie sind eine höchst seltsame Person,« entgegnete sie. »Sollte man nicht meinen, Sie glaubten an Ihre Macht über mich, wie Magdalena an die ihre über die Adler.«

      »Sie besitzen den Stolz und die Grausamkeit dieser Könige der Lüste, und ich habe vielleicht Magdalenens feine Beobachtungsgabe, ihre Geduld und List.«

      »List? Sie machen mir Furcht.«

      »Eben das will ich. Bisher haben Sie mich verhöhnt, Sabina, und zwar gerade weil Sie mich nicht kannten.«

      »Ich?« sagte sie etwas bewegt und von der seltsamen Wendung, welche Leonces Geist nahm, gequält. »Ich sollte meinen Jugendfreund, meinen treuherzigen Cavaliere servente nicht kennen? Das ist eben so vernünftig, als mir zu sagen, ich lasse mir einfallen, Sie zu verhöhnen.«

      »Sie haben doch gesagt, Madame, Geschwister bleiben einander ewig unbekannt, weil die interessantesten und lebendigsten Punkte ihres Wesens nie mit einander in Berührung kommen. Ein Mysterium, tief wie diese Klüfte, trennt,uns.›Sie werden mich nie kennen!‹ haben Sie gesagt; wohlan, Madame, heute behaupte ich, Sie zu kennen und von Ihnen nicht gekannt zu werden. Das heißt so viel als,« fügte er hinzu, da er sah, wie Mißtrauen und Schreck «sich auf Sabina’s Zügen malten, »daß ich mich ergebe, Sie mehr zu lieben, als ich von Ihnen geliebt zu werden fordern will und kann.«

      »Vorausgesetzt, daß wir Freunde bleiben, Leonce,« sagte Lady G***, plötzlich von einer Angst beherrscht, die sie sich selbst nicht erklären konnte, »willige ich ein, Sie diesen Scherz forttreiben zu lassen; wo nicht, so will ich auf der Stelle nach der Villa zurückkehren und mich wieder unter die bleierne Glocke des ehelichen Joches stellen.«

      »Wenn Sie es fordern, so gehorche ich, ich werde wieder Weltmann und unterlasse die Wunderkur, die Sie mir zu unternehmen gestattet haben.«

      »Und für die Sie doch einstehen! Das wäre Schade.«

      »Ich kann noch jetzt dafür einstehen, wenn Sie nicht Widerstand leisten. Eine völlige, unerhörte Umgestaltung kann sich heute in Ihrem moralischen und intellectuellen Leben bewerkstelligen, wenn Sie bis heute Abend Ihre Willensherrschaft abschwören.«

      »Aber welch ein Vertrauen auf Ihre Ehre muß man nicht haben, um sich Ihnen solchergestalt zu unterwerfen?«

      »Halten Sie mich eines Mißbrauchs fähig? Sie können sich durch den Pfarrer nach der Villa zurückbegleiten lassen. Ich, ich gehe in das Gebirge, um weniger kluge und weniger argwöhnische Adler zu suchen.«

      »Mit Magdalena, ohne Zweifel?«

      »Warum nicht?«

      »Wohlan, die Freundschaft hat ihre Eifersucht, wie die Liebe: Sie werden nicht ohne mich gehen.«

      »So brechen wir denn auf!«

      »Aufgebrochen!«

      Lady G*** stand mit einer Art Ungestüm auf und schlang den Arm des Vogelmädchens in den ihrigen, als hätte sie sich einer Beute bemächtigen wollen. Im Nu trugen die Kinder das Frühstückgeräth in den Wagen zurück. Alles ward wie durch Zauber gewaschen, geordnet und eingepackt. Einer geschäftigen Sybille ähnlich, leitete die Negerin die Bewerkstelligung des Ganzen; Leonce’s Freigebigkeit lieh auch den Trägsten Flügel und den Ungeschicktesten Gewandtheit.

      »Mir ist,« sagte Sabina, als sie ihn so thätig sah, »ich wohne der phantastischen Hochzeit in dem Mährchen Gracieuse und Percinet bei, wo die irrende Prinzessin im Walde die Zauberschachtel öffnet und man eine Armee Küchenjungen in Miniatur und Diener aller Arten herauskommen sieht, welche den Bratspieß wenden, kochen und die fröhliche Bande der Liliputer mit einem trefflichen Mahle bedienen, Alles singend und tanzend, wie diese kleinen ländlichen Pagen.«

      »Die Anwendung ist hier wahrer, als Sie wohl denken mögen,« antwortete Leonce. »Erinnern Sie sich nur des Mährchens, dieses reizenden Phantasiestücks recht, welches selbst Hoffmann nicht übertroffen hat. Es gibt einen Augenblick, wo die Prinzessin Gracieuse, für ihre unruhige Neugierde durch die Zauberkraft selbst, die sie nicht beschwören kann, bestraft, ihre ganze kleine Zauberwelt die Flucht ergreifen und sich im Gestrüppe zerstreuen sieht. Die Köche tragen den ganz rauchenden Bratspieß, die Musiker ihre Violinen weg, der Neuvermählte schleppt seine junge Gemahlin mit fort, die Eltern schelten, die Gäste lachen, die Diener fluchen, Alle laufen fort und spotten der Gracieuse, welche mit ihren schönen Händen sie vergeblich zu fassen, zurückzuhalten und wieder zu versammeln sucht. Wie behende Ameisen entwischen sie, schlüpfen ihr durch die Finger, verbreiten sich und verschwinden unter dem Moose und den Veilchen, welche für sie gleichsam ein schützender Hochwald, ein undurchdringliches Gehölz sind. Die Schachtel bleibt leer, und erschrocken sieht sich Gracieuse wieder der Macht der bösen Genien anheimfallen, als . . .«

      »Als der liebenswürdige Leonce, ich will sagen, der allmächtige Prinz Percinet,« ergänzte Sabina, »der Schützling der guten Feen, ihr zu Hülfe kommt und mit einem Ruthenschlag Eltern und Brautleute, Küchenjungen und Bratspieße, Spielmänner und Geigen in die Schachtel zurückführt.«

      »Dann sagte er zu ihr,« fuhr Leonce wieder fort:›Wissen Sie, Prinzessin Gracieuse, daß Sie nicht erfahren genug sind, um die Welt mit ihren Launen zu beherrschen; Sie säen sie mit vollen Händen auf den dürren Boden der Wirklichkeit, und behender und feiner als Sie, entschlüpfen sie Ihnen, und Sie stehen verrathen. Ohne mich hätten sich diese verloren, wie die Insekten, welchen das Auge vergeblich in ihre geheimnißvollen Schlupfwinkel im Rasen und an Blättern folgt; und dann hätten Sie sich mit der Furcht und der Neue in diesem einsamen und entzauberten Orte allein befunden. Keine frischen Schattenplätze, keine murmelnden Wasserfälle, keine balsamischen Blumen, keine Gesänge, nicht Tanz und Lachen auf dem grünen Teppich mehr! Nichts mehr, als der unter den laublosen Platanen pfeifende Wind, und die ferne Stimme

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