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unterbrochen worden, um den Richtern und den Geschworenen einen Augenblick Ruhe zu gewähren; doch nach dem, was im Auditorium vorgegangen, war jeder Halt auf dem Abhange, den man hinabstieg, gefährlich, und die öffentliche Behörde dachte, es sei besser ein Ende zu machen, und müßte man auch unter einem Sturme endigen.

      Der Herr Staatsanwalt erhob sich also; unter der tiefen Stille, die sich über das Meer zwischen zwei Sturmwinden verbreitet, nahm er das Wort.

      Von den ersten Worten an begriff das ganze Publikum, daß man von den poetischen, blitzenden Höhen eines politischen Sinai wieder in die Niederungen einer Criminalchicane hinabgefallen war.

      Als ob der erschreckliche Ausfall des Advocaten von Herrn Sarranti nicht stattgefunden hätte; als ob dieser halb niedergeschmetterte Titan nicht auf seinem Throne den Jupiter der Tuilerien wanken gemacht hätte; als ob der Blick nicht noch geblendet wäre von den Blitzen, die der kaiserliche Adler, durch den höchsten Aether hinziehend, über der Menge flammen gemacht hatte, drückte sich der Herr Staatsanwalt also aus:

      »Meine Herren, seit einigen Monaten haben mehrere Verbrechen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, während sie zugleich die thätige Sorgfalt und die Ueberwachung der Behörden rege machten. Aus der Anhäufung einer stets zunehmender Bevölkerung, vielleicht auch aus der Unterbrechung einer Arbeit oder aus der Theurung der Lebensmittel entstehend, waren diese Verbrechen sicherlich nicht zahlreicher, als die, über welche wir gewöhnlich zu seufzen haben, und die der kretische Tribut sind, den die Gesellschaft jedes Jahr dem Müßiggang und den Lastern bezahlt, welche, wie der Minotaurus des Alterthums, eine gewisse Anzahl von Opfern haben wollen.«

      Offenbar hegte der Staatsanwalt eine Werthschätzung für diese Periode, denn er machte eine Pause und schaute im Kreise aus dieser Menge umher, welche in ihren Abgründen vielleicht um so mehr aufgeregt, als sie an ihrer Oberfläche stumm war.

      Das Publikum blieb unempfindlich.

      »Meine Herren,« fuhr der Staatsanwalt fort, »es hatte sich indessen die Frechheit mehrerer Schuldigen eine neue Laufbahn eröffnet, auf welcher sie zu treffen und zu verfolgen man weniger gewohnt war, und sie beunruhigte mehr durch die Neuheit und die Vermessenheit ihrer Attentate: doch ich sage es mit Freude, meine Herren, das Uebel, über das wir zu seufzen haben, ist nicht so groß, als man glauben will: man hat sich nur darin gefallen, zu übertreiben. Tausend lügenhafte Gerüchte sind absichtlich verbreitet worden: die Böswilligkeit schuf sie selbst: kaum von ihr geschaffen, empfing man sie mit Gierde, und jeden Tag brachte die Erzählung von den angeblichen Verbrechen der Nacht den Schrecken in die einfältigen Gemüther, die Bestürzung in die leichtgläubigen Geister . . . «

      Das Auditorium schaute sich an, da es nicht wußte, worauf der Staatsanwalt abzielte . . . Nur die Stammgäste der Assisenhöfe, diejenigen, welche hier holen, was ihnen im Winter fehlt, nämlich eine warme Atmosphäre und ein Schauspiel, welches wegen der Gewohnheit für sie neu und erregend zu sein aufhört, das aber gerade der Gewohnheit wegen für dieselben nothwendig ist; diese Stammgäste allein, gewohnt an die Phraseologien der Herren Berard und Marchangy, bekümmerten sich wenig darum, welchen Weg der Staatsanwalt einschlug, da sie wußten, daß man, wie man im Volksstyle sagt: »Jeder Weg führt nach Rom,« unter gewissen Regierungen und in gewissen Epochen im Style des Justizpalastes sagen kann: »Jeder Weg führt zur Todesstrafe!«

      Hatte man nicht diesen Weg Didien in Grenoble; Pleignies, Cotteron und Carbonea in Paris, Bérton in Saumur, Raoulx, Bories, Goubin und Pommier in la Rochelle geführt?«

      Der Staatsanwalt fuhr mit einer majestätischen Miene und einer erhabenen Protection fort:

      »Beruhigen Sie sich, meine Herren, die gerichtliche Polizei hat die hundert Augen des Argus; sie wachte, sie holte die modernen Cacus aus ihren verborgensten Zufluchtsorten, aus ihren tiefsten Höhlen; denn nichts ist für sie undurchdringlich, und die Behörden antworteten auf das lügnerische Geschrei, das im Umlaufe war, dadurch, daß sie ihre Pflicht strenger als je übten.

      »Ja, – wir sind weit davon entfernt, es zu leugnen, große Verbrechen sind begangen worden, und, das unbeugsame Organ des Gesetzes, haben wir gegen diese verschiedenen Verbrechen die verschiedenen Strafen gefordert, die sie verdient hatten; denn Niemand, meine Herren, seien sie hiervon überzeugt, entgeht dem rächenden Schwerte des Gesetzes. Es beruhige sich also fortan die Gesellschaft: die verwegensten Ruhestörer sind schon in den Händen der Justiz, und diejenigen, welche sie noch nicht festhält, werden bald vor ihr die Strafe ihrer Attentate finden.

      »So versuchen es diejenigen, welche, in der Gegend des Saint-Martin-Canals verborgen, seine öden User zum Schauplatze ihrer nächtlichen Angriffe gemacht hatten, zu dieser Stunde in die Kerker geworfen, vergebens die Beweise zu entkräften, die die Untersuchung gegen sie gesammelt hat.

      »Der Sieux Ferrantes, ein Spanier: der Sieux Aristolos, ein Grieche: der Sieux Walter, ein Baier: der Sieux Coquerillat, ein Auvergnat, sind vorgestern in der Dunkelheit der Nacht verhaftet worden. Es offenbarte indessen keine Spur ihre Gegenwart: doch kein Obdach konnte sie vor den wachsamen Augen der Justiz schützen, und die Macht der Wahrheit hat diesen erschrockenen Gewissen schon Geständnisse entrissen . . . «

      Die Zuhörer schauten sich fortwährend an und fragten sich leise, was der Sieux Ferrantes, der Sieux Aristolos, der Sieux Walter und der Sieux Coquerillat mit Herrn Sarranti gemein haben.

      Die Stammgäste aber schüttelten fortwährend den Kopf mit einer Miene des Vertrauens, welche bedeutete: »Ihr werdet sehen! Ihr werdet sehen!«

      Der Staatsanwalt fuhr fort:

      »Drei von noch strafbareren Händen ausgegangene Verbrechen haben den Abscheu und die öffentliche Entrüstung erregt. Ein Leichnam wurde bei der Briche gefunden: es war der eines unglücklichen Soldaten, der seinen Abschied erhalten hatte. Zur selben Zeit fiel ein armer Arbeiter unter mörderischen Streichen auf den Feldern von la Villette. Ein Fuhrmann von Poissy endlich wurde ein paar Tage nachher auf der Landstraße von Paris nach Saint-Germain getödtet.

      »In kurzer Zeit, meine Herren, hat der Arm der Gerechtigkeit die Urheber dieser letzten Attentate an den äußersten Grenzen Frankreichs erreicht.

      »Doch man hat sich nicht auf diese Geschichten beschränkt; man hat hundert andere Verbrechen erzählt; man hat von einem Unglücklichen gesprochen, der in der Rue Charles X. den Streichen der Mörder erlag; ein Kutscher wurde, der Sage nach, in seinem Blute gebadet hinter dem Luxembourg gefunden; ein schändliches Attentat war an einer unglücklichen Frau in der Rue du Cadran verübt worden; ein königlicher Postwagen soll vor zwei Tagen mit bewaffneter Hand von dem nur zu berühmten Gibassier geplündert worden sein, dessen Name, mehr als einmal in diesem Saale ausgesprochen, sicherlich bis zu Ihnen gelangt ist.

      »Nun wohl, meine Herren, während man die Bürger so zu beunruhigen sich bestrebte, constatirte die gerichtliche Polizei, daß der in der Rue Charles X. aufgefundene Unglückliche an einer Blutergießung in der Lunge gestorben war; daß der Kutscher, sich gegen seine Pferde erhitzend, an einem Schlagflusse gestorben war; und daß die unglückliche Frau, für die man ein so rührendes Interesse in Anspruch nahm, einfach das Opfer von einher jener stürmischen Scenen war, welche die Schwelgerei hervorruft: und was den nur zu berühmten Gibassier betrifft, meine Herren, so will ich, indem ich Ihnen einen unzweideutigen Beweis gebe, daß er das Verbrechen, dessen man ihn beschuldigt, nicht begangen hatte, Ihnen das Maß des Vertrauens geben, das Sie zu solchen verleumderischen Erfindungen haben können.

      »Als ich sagen hörte, Gibassier habe den Postwagen zwischen Angoulême und Poitiers angehalten, ließ ich Herrn Jackal kommen.

      »Herr Jackal versicherte mir, Gibassier sei in Toulon, wo er seine Strafzeit unter der Nummer 171 ausstehe, und wo seine Reue ein solches Beispiel gebe, daß man in diesem Augenblicke im Begriffe sei, bei Seiner Majestät König Karl X. um Erlassung der sieben bis acht Jahre Bagno, die er noch durchzumachen habe, nachzusuchen.

      »Nach diesem unglaublichen Beispiele, das mich der Mühe, andere zu wählen, überhebt, beurtheilen Sie das Uebrige, meine Herren, und sehen Sie, mit welchen plumpen Lügen man die Neugierde, besser gesagt, die öffentliche Böswilligkeit unterhält.

      »Seufzen wir, meine Herren, daß wir diese Gerüchte im Umlaufe sehen, und daß die Uebel, über die

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