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auf dem Fuße gefolgt.

      Durch ein unwiderstehliches Gefühl zu dem Manne hingetrieben, dem ihr schnelles Erscheinen wahrscheinlich das Leben gerettet, floh sie, wie wir gesehen haben, weil sie zum ersten Male ein Geheimniß für sich allein hatte, die Nähe ihres Gatten, stellte sich schlafend, empfing auf ihre jetzt von so unruhigen Gedanken erfüllte Stirn den ruhigen Gattenkuß, und erhob sich, sobald San Felice das Zimmer verlassen hatte, verstohlen mit nackten Füßen, um mit angstvollem Herzen und unruhigem Blick den über dem Bett des Verwundeten schwebenden Tod zu befragen.

      Lassen wir sie mit den Zuckungen einer keimenden Liebe im Herzen am Bett des tödtlich Verwundeten wachen, und sehen wir, was am Tage nach dem, wo der Gesandte Frankreichs den Gästen Sir Willam Hamiltons jenes furchtbare Lebewohl zugerufen, im Cabinetsrath des Königs Ferdinand vorging.

       Fünftes Capitel.

      Der König

      Wenn wir anstatt einer Erzählung historischer Ereignisse, welchen die Wahrheit ein um so furchtbareres Gepräge aufdrückt und welche überdies einen unauslöschlichen Platz in den Annalen der Weltgeschichte eingenommen, blos einen Roman von zwei bis dreihundert Seiten in der Absicht schreiben wollten, einer frivolen Leserin oder einem blasierten Leser durch eine Reihenfolge mehr oder weniger malerischer Abenteuer oder aus unserer Phantasie hervorgegangener, mehr oder weniger dramatischer Ereignisse einige Zerstreuung zu bieten, so würden wir, dem Grundsatz des lateinischen Dichters folgend und der Entwicklung zueilend, unsern Leser oder unsere Leserin sofort den Berathungen jenes Cabinetsraths, zu welchem der König Ferdinand sich einfand, und bei welchem die Königin Caroline den Vorsitz führte, beiwohnen lassen, ohne uns erst die Mühe zu nehmen, sie genauer mit den beiden Souveränen bekannt zu machen, von welchen wir in unserem ersten Capitel einen flüchtigen Schattenriß angedeutet haben.

      Wir sind aber überzeugt, daß unsere Erzählung dann allerdings an raschem Gang gewinnen, dagegen an Interesse verlieren würde, denn je besser man die Personen, welche man agieren sieht, kennt, desto größer ist nach unserer Ansicht das Interesse, welches man an ihren guten oder schlimmen Thaten nimmt.

      Uebrigens haben die seltsamen Persönlichkeiten, welche wir in den beiden gekrönten Helden dieser Geschichte in den Vordergrund treten zu lassen haben, so viele bizarre Seiten, daß gewisse Stellen unserer Erzählung unglaublich oder unverständlich sein würden, wenn wir nicht hier einen Augenblick Halt machten, um unsere in großen Strichen hingeworfenen Skizzen in zwei sorgfältig ausgeführte Oelporträts zu verwandeln, welche, wie wir im Voraus versprechen, mit den offiziellen Abbildungen von Königen und Königinnen, welche die Minister des Innern an die Hauptorte der Departements und der Cantons schicken, damit man dort die Präfekturen und die Mairien damit verziere, durchaus nichts gemein haben werden.

      Gehen wir daher in Bezug auf die Dinge oder vielmehr auf die Personen noch ein wenig weiter zurück.

      Der im Jahre 1759 erfolgte Tod Ferdinands des Sechsten rief seinen jüngsten Bruder, welcher in Neapel regierte, auf den spanischen Thron, auf welchem er ihm unter dem Namen Carl der Dritte folgte.

      Carl der Dritte hatte drei Söhne.

      Der erste hieß Philipp und wäre bei der Thronbesteigung seines Vaters Prinz von Asturien und ein Erbe der spanischen Krone geworden, wenn nicht die schlechte Behandlung, die er von seiner Mutter erfuhr, ihn wahnsinnig oder vielmehr blödsinnig gemacht hatte.

      Der zweite Namens Carl füllte die durch die Umverwendbarkeit seines ältesten Bruders entstandene Lücke aus und regierte unter dem Namen Carl der Vierte.

      Der dritte endlich hieß Ferdinand und sein Vater hinterließ ihm die Krone von Neapel, welche er mit der Schärfe des Schwertes gewonnen und die er gleichwohl gezwungen war, wieder aufzugeben.

      Der junge Prinz, welcher, als sein Vater nach Spanien abging, sieben Jahre zählte, ward unter eine doppelte Vormundschaft, eine politische und moralische, gestellt.

      Sein politischer Vormund war Tanucci, Regent des Königreichs; ein moralischer Vormund war der Fürst von San Nicandro, sein Lehrer.

      Tanucci war ein feiner, schlauer Florentiner, welcher den ausgezeichneten Platz, den er in der Geschichte einnimmt, nicht seinem eigenen großen persönlichen Verdienst, sondern dem geringen Verdienst der Minister, welche auf ihn folgten, verdankt. Groß an und für sich betrachtet, würde er doch zu einer sehr gewöhnlichen Erscheinung zusammenschrumpfen, wenn man ihn mit einem Colbert oder auch nur mit einem Louvois vergliche.

      Was den Fürsten von Nicandro betraf, welcher, wie man versicherte, von der Mutter Ferdinands, der Königin Marie Amelie,4 derselben Fürstin, welche ihren ältesten Sohn durch schlechte Behandlung blödsinnig gemacht, das Recht gekauft hatte, aus ihrem dritten Sohn, wenn auch nicht einen Blödsinnigen, doch einen Ignoranten zu machen, und der, wie man versicherte, dieses Recht mit dreißigtausend Ducaten bezahlt hatte, so war er der reichste, der bornierteste und verderbteste der Höflinge, welche gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts den Thron der beiden Sicilien umschwärmten.

      Man fragt sich, wie ein solcher Mann selbst mit Hilfe von Geld dazu gelangen konnte, Lehrer eines Fürsten zu werden, der einen so intelligenten Mann wie Tanucci zum Minister hatte.

      Die Antwort hierauf ist sehr einfach. Taunucci, welcher Regent des Königreichs, das heißt, eigentlicher Regent beider Sicilien war, sah es gar nicht ungern, wenn diese Regentschaft auch über die Volljährigkeit eines vornehmen Mündels hinaus verlängert ward.

      Als Florentiner hatte er das Beispiel der Florentinerin Katharina von Medicis vor Augen gehabt, welche nach der Reihe unter Franz dem Zweiten, Carl dem Neunten und Heinrich dem Dritten regiert hatte.

      Nun konnte es ihm aber nicht fehlen, unter oder über Ferdinand, wie man will, zu regieren, wenn es dem Fürsten von San Nicandro gelang, aus seinem Zöglinge einen Fürsten zu machen, der eben so unwissend und eine eben so große Null war, wie sein Lehrer.

      Wenn dies wirklich Tanuccis Wunsch war, so muß man sagen, daß der Fürst von San Nicandro ihm bereitwilligt entgegenarbeitete. Ein deutscher Jesuit war beauftragt, den König im Französischen zu unterrichten, was dieser aber niemals lernte, und da man es nicht angemessen fand, ihn italienisch zu lehren, so war die Folge davon die, daß er zur Zeit seiner Vermählung weiter nichts sprechen konnte als das Patoisde Lazzaroni, welches er von seiner Dienerschaft und den Kindern aus dem Volke gelernt, welche man zu seiner Zerstreuung zu ihm kommen ließ.

      Marie Caroline brachte ihn so weit, daß er sich dieser Unwissenheit schämte, lehrte ihn lesen und schreiben, was er bis jetzt so gut wie nicht gekonnt, und ließ ihn ein wenig im reinen Italienisch unterrichten. In seinen gut gelaunten oder zärtlichen Augenblicken nannte er sie daher auch nicht anders als »meine liebe Schulmeisterin«, indem er auf diese Weise auf die Elemente seiner Erziehung anspielte, welche sie zu vervollständigen gesucht hatte.

      Wünscht man ein Beispiel von der Beschränktheit des Fürsten von San Nicandro zu hören? Wir wollen eins erzählen.

      Eines Tages fand der würdige Lehrer in Ferdinands Händen die »Memoiren Sullys, welche der junge Prinz zu entziffern suchte, weil er gehört, daß er von Heinrich dem Vierten abstamme und daß Sully Minister Heinrich des Vierten gewesen sei. Das Buch ward ihm sofort weggenommen und dem Unvorsichtigen, der ihm dieses schlechte Buch geliehen, ein scharfer Verweis ertheilt. Wir erwähnen diese erste Erziehung ganz besonders deshalb, damit man dem König Ferdinand für die tadelnswerthen Handlungen, die man ihn im Laufe dieser Erzählung begehen sehen wird, keine schwerere Verantwortlichkeit aufbürde, als die Gerechtigkeit gestattet.

      Nachdem wir diesen ersten Punkt der historischen Unparteilichkeit festgestellt, wollen wir sehen, wie es eigentlich mit dieser Erziehung aussah.

      Das Gewissen des Fürsten von San Nicandro begnügte sich nicht mit der tröstlichen Ueberzeugung, daß er, da er selbst nichts wußte, seinem Zöglinge auch nichts lehren konnte, sondern um ihn in einer ewigen Kindheit zu erhalten, während doch zugleich die physischen Eigenschaften, womit die Natur ihn begabt, durch tüchtige Leibesübungen entwickelt würden, entfernte er von ihm Alles – Mensch oder Buch – was in seinem Gemüthe das mindeste Licht über das Schöne, über das Gute und über das Wahre verbreiten konnte.

      Der

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<p>4</p>

Wir brauchen wohl nicht erst zu sagen, daß diese Königin Marie Amelie, obschon dieselben Vornamen tragend, mit der achtungswürdigen und geachteten Königin Marie Amelie, der Witwe des Königs Ludwig Philipp, nichts gemeinsam hat als die Verwandtschaft.