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Das Vermachtnis des Inka. Karl May
Читать онлайн.Название Das Vermachtnis des Inka
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Das eigenartige Leben, welches der Gaucho führt, der vollständige Mangel aller Schulen und sonstigen Bildungsmittel und der fortwährende Umgang mit halbwilden Tieren, das sind die Ursachen davon, daß der Gaucho zarteren Regungen vollständig unzugänglich ist. Dazu kommen die traurigen politischen Zustände des Landes. Ein Geschichtsschreiber hat gesagt, daß in den La Plata-Staaten es kein Jahr ohne wenigstens eine kleine Empörung gebe, und es ist wahr, daß seit Menschengedenken dort eine Revolution der andern folgte. Das verroht den Menschen. Der Gaucho, dem ruhigen Leben abgeneigt und durch seinen Beruf abgehärtet, ist jederzeit bereit, sich einem Pronunciamiento – das ist der Ausdruck für Revolte – anzuschließen. Je öfters dies geschieht, desto tiefer drückt die Unbotmäßigkeit sich seinem Wesen ein, und die Folge davon ist, daß die Bewohner derjenigen Distrikte, welche sich öfters gegen die öffentliche Gewalt auflehnen, in Beziehung auf gute Eigenschaften weit hinter den andern zurückstehen. Daher die Verschiedenheit, mit welcher die Bewohner der Pampas beurteilt werden.
Die zweite Art der Niederlassung wird Hacienda genannt. Ein Haciendero betreibt Feld- und Viehwirtschaft zugleich, wird also selten große Herden besitzen. Die dritte Art wird Estancia genannt. Der Estanciero gibt sich nicht mit Ackerbau ab; er züchtet nur Vieh, um dasselbe in die Schlachthäuser zu liefern. Es gibt Estancieros, welche mehrere hunderttausend Stück besitzen.
Diese Tiere befinden sich sowohl im Sommer als auch im Winter stets im Freien. Obgleich sie von reitenden Gauchos beaufsichtigt werden, kommt es häufig vor, daß sie über die Grenze laufen und unter die Herden des nächsten, ja des zweiten und dritten Nachbars gelangen. Um dadurch verursachten Verlusten vorzubeugen, brennt jeder Besitzer seinen Tieren einen Stempel ein, welcher bei der Behörde für ihn registriert worden ist. So kennt jeder sein Eigentum und liefert von Zeit zu Zeit den zugelaufenen Bestand den rechtmäßigen Eigentümern zurück. Beim Verkaufe eines Pferdes oder Rindes wird das Zeichen dadurch ungültig gemacht, daß man es nochmals, und zwar verkehrt, auf das vorherige einbrennt, eine schmerzhafte Manipulation, welcher sich die Tiere natürlich mit aller Anstrengung widersetzen.
Eine solche Zeichnung der noch nicht mit einem Stempel versehenen jungen Rinder war eben im Gange, als die Reiter die Estancia erreichten. Eine Anzahl berittener Gauchos war beschäftigt, die Tiere draußen auf dem Campo zusammen und dann in den dazu bestimmten Corral zu treiben. Unter Corral ist hier ein freier Platz zu verstehen, welcher von hohen, stachelichten Kaktushecken umgeben ist.
Die Rinder wissen ganz genau, daß stets etwas Ungewöhnliches bevorsteht, wenn man sie nach dem Corral bringen will, und weigern sich infolgedessen, ihren Hirten zu gehorchen. So auch hier. Sie versuchten, auszubrechen, stets aber waren die kühnen Reiter da, sie mit hochgeschwungenem Lasso oder kreisender Bola daran zu hindern.
Die Bola ist ein Wurfgeschoß, welches aus drei Blei- oder Eisenkugeln besteht. Jede dieser Kugeln hängt an einem starken, unzerreißbaren Riemen; die Enden dieser Riemen sind zusammengebunden. Der Gaucho nimmt eine der Kugeln in die Hand, schwingt die beiden andern einigemal zielend um den Kopf und schleudert dann die Bola nach dem Tiere, welches er fangen will. Er verfährt dabei mit einer solchen Geschicklichkeit, daß die Bola sich um die Hinterbeine des Pferdes oder Rindes schlingt, und dieses zum Falle bringt.
Die Tiere kennen diese Schleuderkugeln sehr genau und fürchten sie ebensosehr, wie sie den Lasso scheuen. So oft sie ausbrechen wollten, trieb die Angst vor diesen Waffen sie wieder zurück. So kamen sie, zu beiden Seiten und hinter sich die schreienden Gauchos, mit donnerndem Gestampfe herangebraust. Am offenen Corral angekommen, stutzten sie; als aber ein alter, erfahrener Bulle, welcher wohl wußte, daß er für sich nichts zu befürchten hatte, hineinrannte, folgten die andern hinter ihm drein, und die Umzäunung wurde sofort geschlossen.
Da sahen die Gauchos die vier Reiter halten. Sie kamen herbeigeritten. Der vorderste rief, als er den Chirurg erblickte, fröhlich lachend:
»Cielo, beim Himmel, das ist el Carnicero, der Fleischhauer! Willkommen, Señor! Wollen Sie bei uns vielleicht etwas heruntersäbeln? Wir sind alle gesund und munter. Lassen Sie also Ihre Instrumente stecken!«
Dieser Empfang schien den Doktor Parmesan zu verdrießen, denn er antwortete:
»Lassen Sie solche Scherze, wenn Sie mit einem Caballero sprechen! Wie können Sie mich Carnicero nennen! Ich verbitte mir das! Meine Ahnen wohnten auf altkastilianischen Burgen und Schlössern und haben siegreich gegen die Mauren gekämpft, als von Ihren Vorfahren noch keine Rede war. Für Sie bin ich Don Parmesan Rui el Iberio de Sargunna y Castelguardiante. Das merken Sie sich, Euer Gnaden!«
»Schön, Don Parmesan, ich merke es mir. Übrigens wollte ich Sie keineswegs beleidigen. Sie wissen ja, welche Wertschätzung wir Ihnen widmen, und werden es mir also verzeihen, wenn ich in der Freude über Ihre Ankunft den rechten Ausdruck verfehlte!«
»Das lasse ich mir eher gefallen. Die Reue findet bei mir stets ein versöhnliches Herz. Ich verzeihe Ihnen, zumal ich allerdings weiß, daß Sie meine chirurgische Geschicklichkeit anerkannt haben. Ich mache Sie bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß man bei einer Trepanation der Hirnschale jetzt nicht mehr mit dem zirkelförmigen Trepanum, sondern mit dem Meißel arbeitet. Und was die Heilung des Krebses betrifft, so darf man nicht zu lange bei Umschlägen von Cicuta, rotem Fingerhut und Belladonna verweilen, sondern soll sobald wie möglich zur Exstirpation schreiten. Heraus mit dem Krebs! Man muß das Messer nehmen und schnell – –«
»Bitte, davon später!« unterbrach ihn der Gaucho. »Sie wissen, Don Parmesan, daß wir uns sehr gern von Ihnen belehren lassen, denn es gibt keinen, der ein solches Messer führt wie Sie; aber Sie haben da Señores bei sich, gegen welche wir unhöflich sein würden, wollten wir vom Krebse weiter sprechen oder ihnen gar Löcher in den Schädel meißeln. Darf ich Euer Gnaden um ihre Namen bitten?«
»Die Señores sind neue Bekannte von mir, welche nach dem Gran Chaco wollen, gelehrte, hochstudierte Leute, infolgedessen ihre Namen so schwer auszusprechen sind, daß es mir unmöglich ist, sie Ihnen zu sagen.«
»Ich heiße Morgenstern und mein Begleiter Kiesewetter,« erklärte der Privatgelehrte. »Wir sind gekommen, um einige Pferde zu kaufen. Hoffentlich sind welche übrig, was der Lateiner supersum oder nach Umständen auch reliquus nennt.«
»Nun, Reliquien sind unsre Pferde nicht; aber der Estanciero wird Ihnen doch gern einige verkaufen. Leider kommt er erst heute abend heim. Sie werden bis dahin unsre Gäste sein und können, wenn Sie sich unterhalten wollen, an der Zeichnung unsrer Rinder teilnehmen.«
»Außerordentlich gern! Ich habe so etwas noch nicht gesehen.«
»So kommen Sie! Ich werde Sie dem Majordomus vorstellen.«
Er ritt ihnen voran nach dem Wohngebäude und rief den Majordomus heraus, welcher die Herren willkommen hieß und in das Zimmer führte. Der Peon aus Santa Fe wurde abgelohnt und kehrte mit den Pferden nach der Stadt zurück.
Der Besitzer der Estancia war gewiß ein wohlhabender Mann, dennoch konnte die Einrichtung seiner Wohnung nicht einmal mit derjenigen eines einfachen deutschen Arbeiters verglichen werden. Die vier Lehmwände waren nackt und leer. Es gab einen alten Tisch, zwei noch ältere Stühle und mehrere niedrige Schemel. Eine Guitarre hing in der Ecke. Das war alles. Der Majordomus lud zum Sitzen ein und begab sich nach der Küche, um den üblichen Mate zu holen, welcher jedem Gaste sofort vorgesetzt wird.
Mate ist Paraguay-Thee; er wird aus den Blättern und Stengeln von Ilex paraguyensis gewonnen und hat die Form eines groben Pulvers. Man thut eine Prise desselben in einen kleinen, ausgehöhlten Flaschenkürbis und gießt kochendes Wasser darauf. Der Thee wird nicht getrunken, sondern mittels einer dünnen, metallenen Röhre, Bombilla genannt, die man in den Mund nimmt, aus dem Kürbis gesogen. Da die Bombilla sehr heiß wird, verbrennen sich Ausländer, welche diese Art des Trinkens nicht gewöhnt sind, gewöhnlich