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Sie uns Pferde verschaffen?«

      »Ganz zu Befehl! Wie viele, Euer Gnaden?«

      »Zwei als Reserve, also vier Stück.«

      »Auf Requisition oder vom Regimente?«

      »Vom Regimente nicht, da ich nicht soldatenmäßig zu reiten verstehe.«

      »Also auf Requisition,« meinte der Offizier mit einem feinen Lächeln, da der angebliche Oberst sagte, daß er nicht reiten könne. »Wann befehlen Euer Gnaden, daß die Pferde gesattelt bereitstehen?«

      »In einer Stunde.«

      Der Hauptmann entfernte sich salutierend. Als kurz darauf die Ordonnanz erschien, um Zigaretten zu bringen und die Speisereste abzuräumen, fragte Morgenstern:

      »Könnte ich nicht meine Sachen bekommen, mein Lieber? Da das Schiff erst am Nachmittag von hier abgeht und ich nicht wußte, wo ich bleiben würde, haben wir unser Gepäck einstweilen an Bord gelassen. Es ist ein Bündel, lateinisch Sarcinagenannt, in welchem sich Werkzeuge befinden, und ein Paket, mit Leder umwickelt, Fascis geheißen, welches Bücher enthält.«

      »Wird sofort geholt, Señor Coronel!« Mit diesen Worten eilte der Unteroffizier hinaus.

      Nach einer Viertelstunde kehrte der Hauptmann zurück und meldete, daß die Pferde bereit ständen.

      »Was kosten sie?« fragte Morgenstern.

      »Natürlich nichts, Euer Gnaden,« lächelte der Offizier.

      »Aber ich will sie ja bezahlen!«

      »Ein Zoolog braucht nicht zu zahlen.«

      »Warum nicht?«

      »Es ist die Sitte dieses Landes, Señor.«

      »Sonderbar! Dieses Land wurde doch von den Spaniern zivilisiert, welche ihre Sprache und Sitten von den Römern bekamen; ich habe aber nirgends gelesen, daß bei diesen letzteren die Gelehrten resp. Zoologen die Pferde gratis erhielten. Ich werde später eifrig darüber nachschlagen, da es sich dabei um ein kulturhistorisches Moment von bedeutendem Werte handelt. Es scheint, Argentinien ist das einzige Land, welches diesen schönen Gebrauch beibehalten hat. Es ist auch in andrer Beziehung höchst konservativ. Bewahrt es uns doch in seinen Pampas die Zeugen und Beweise eines längst untergegangenen Lebens auf! Ich will nicht vom Mastodon und Megatherium sprechen, aber fragen muß ich Sie doch, Señor, ob auch Sie schon so glücklich gewesen sind, hier einen tertiären Menschen zu sehen?«

      »Tertiär?« antwortete der Hauptmann verlegen. »Wollen Euer Gnaden befehlen, was für eine Person ich mir unter einem tertiären Menschen vorstellen soll?«

      »Ich befehle nicht, sondern ich bitte bloß. Man hat schon in den älteren Pliocänschichten Feuerspuren und Steinwerkzeuge gefunden. Später entdeckte man da gar drei menschliche Skelette. Es hat also in den Pampas schon zur mittleren Tertiärzeit Menschen gegeben, welche sonderbarerweise ein durchbohrtes Brustbein und dreizehn Rückenwirbel anstatt zwölf besaßen. Möglich, daß wir nach Jahrtausenden deren nur noch elf oder zehn oder auch noch weniger besitzen, was mich gar nicht wundern würde.«

      »Woraus zu schließen ist,« fiel Fritze sehr ernst in spanischer Sprache ein, »daß der noch spätere Mensch gar keine Knochen haben wird.«

      »Möglich,« nickte der Doktor. »Die Umbildung der Lebewesen nimmt ihren ununterbrochenen Gang; wenn wir uns die kommenden Formen auch nicht vorzustellen vermögen. Nehmen wir, um von einem interessanten Beispiel zu sprechen, den Zahn eines Höhlenbären an. Haben Sie schon einen solchen gesehen, Señor Kapitän?«

      »Nein,« schüttelte der Gefragte, der jetzt allerdings nicht wußte, was er von dem »Oberst« halten solle.

      »Dieser Zahn, nämlich der Backzahn, ist in der Weise – – –«

      Er wurde unterbrochen. Es traten mehrere Soldaten herein, welche das Gepäck brachten und auf den Boden niederlegten, um sich dann zu entfernen. Das eine Bündel enthielt, wie man sah, zwei Hacken, zwei Spaten und zwei Schaufeln; das andre war aufgeplatzt, so daß ihm einige Bücher entfielen. Der Hauptmann bückte sich dienstbereit, um sie aufzuheben und auf den Tisch zu legen. Dabei fiel, da sich eins derselben öffnete, sein Blick auf den Titel desselben. Da stand gedruckt »Nuestros predecesores de los Pampas« – die Vorwelt in den Pampas. Und drüben auf der Innenseite des Einbandes war der Name Dr. Morgenstern, Jüterbogk zu lesen. Schnell öffnete der Offizier das zweite, dritte und vierte Buch; sie waren alle mit demselben Namen gezeichnet. Da fragte er in hastiger Weise:

      »Wie nannten Sie sich vorhin, Señor – – Zoolog?« »Doktor Morgenstern aus Jüterbogk.« »Ist das etwa Ihr wirklicher Name?« »Allerdings.« »Können Sie das beweisen?« »Sehr leicht.« »Womit?« »Mit meinem Paß.« »Her damit!«

      Das klang befehlend, zornig. Der Gelehrte zog seine Brieftasche mit dem Passe hervor und gab den letzteren dem Offizier. Kaum hatte dieser einen Blick hineingeworfen, so rief er aus:

      »Que yerro y que desvergüenza! Mas aun que semejanza! Sois bribones, sois embusteros – welcher Irrtum und welche Frechheit! Aber auch welche Ähnlichkeit! Ihr seid Schurken, seid Betrüger!«

      »Schurken? Und Betrüger? Wir?« fragte Morgenstern. »Señor, wollen Sie gefälligst uns sagen, wie Sie zu einem Urteile gelangen, welches völlig unbegründet ist, inaniter würde der Lateiner sagen.«

      »Lassen Sie mich mit Ihrem Lateiner in Ruhe! Was werfen Sie überhaupt mit dem Latein um sich, da Sie, wie ich aus Ihrem Passe ersehe, ein Deutscher sind! Wie können Sie uns belügen und sich für den Obersten Glotino, den Schwager unsres Generals Mitre ausgeben?«

      »Habe ich das?« fuhr Morgenstern nun seinerseits scharf auf. »Wie können Sie es wagen, mich, einen deutschen Unterthan, einen Lügner zu nennen? Haben Sie mich für irgend wen gehalten, so ist das Ihre, aber nicht meine Sache!«

      »Schweigen Sie! Wissen Sie, daß ich Sie sofort einsperren kann?«

      »Das können Sie; aber sich dann rechtfertigen, das können Sie nicht. Und ein Deutscher läßt sich nicht einsperren, ohne den Betreffenden dann zur Verantwortung ziehen zu lassen!«

      »Es sind Ihnen Honneurs erwiesen worden; ich habe Ihnen zu essen und zu trinken gegeben, und meine Soldaten haben sich mit den Gauchos herumgestritten, um Ihnen Pferde zu verschaffen. Und nun stellt es sich heraus, daß Sie ein Gringo (verächtliche Bezeichnung für Ausländer), ein deutscher Bücherwurm sind!«

      Morgenstern trat kräftiger auf, als von ihm zu erwarten gewesen war. Fritze hatte bis jetzt geschwiegen, nun aber antwortete auch er, und zwar nicht in höflichem Tone:

      »Mäßigen Sie sich, Señor, sonst können Sie in Erfahrung bringen, daß ein deutscher Gelehrter, den Sie Gringo und Bücherwurm schimpfen, kein so unbedeutender Mensch ist, wie Sie zu denken scheinen. Es läuft vielleicht mancher hier herum, mit dem zu tauschen uns gar nicht einfallen würde.«

      »Meinen Sie etwa mich?« fragte der Hauptmann scharf.

      »Wen ich meine, brauche ich nicht zu sagen. Wollen Sie meine Worte auf irgendwen beziehen, so habe ich gar nichts dagegen. Ich wundere mich über die Vorwürfe, welche Sie uns machen. Sie haben uns eingeladen, weil Sie uns verkannten; uns aber ist es nicht eingefallen, Sie zu täuschen. Was wir genossen haben, werden wir bezahlen. In Beziehung auf die uns erwiesenen Honneurs sind wir quitt, denn wir haben auch gegrüßt. Und was die Pferde betrifft, so können Sie dieselben ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückstellen, denn wir kaufen uns andre. Was kostet das Essen, und was kostet der Wein, dem man es anschmeckt, daß er kein echter Bordeaux ist, sondern aus einer hiesigen Fabrik stammt?«

      Er zog den Beutel, um zu bezahlen. Da aber fuhr der Kapitän zornig auf:

      »Was? Ich soll von einem Bedienten Geld annehmen? Bist du toll, Kerl!«

      Da trat Fritze einen Schritt auf ihn zu und drohte:

      »Kerl? Ich ein Kerl? Ich heiße Friedrich Kiesewetter und bin ein Preuße. Verstanden? Und wer mich du nennt, der macht mit mir Bruderschaft und wird von mir auch geduzt.«

      »Welch ein frecher Patron! Mensch, ich stecke dich unter meine Soldaten und werde

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