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wohl so weit reicht, dich zu fassen und zu bestrafen, wenn du es wagst, dich an mir zu vergreifen!«

      Diese Worte entflammten den Zorn des Offiziers auf das höchste. Er sagte sich zwar, daß er nicht wagen dürfe, seine Drohung auszuführen, wollte aber das Verhalten des Preußen nicht unbestraft lassen; darum eilte er zur Thür, hinter welcher die Ordonnanz stehen mußte, öffnete sie und rief hinaus:

      »Herein! Werft mir schnell diesen Menschen hinaus, bis vor das Thor, und greift so fest wie möglich zu! je mehr blaue Flecke er bekommt, desto besser ist es.«

      Es standen auch noch diejenigen Soldaten draußen, welche die Pakete gebracht hatten. Sie waren durch die lauten Stimmen, welche sie gehört hatten, zurückgehalten worden und kamen schnell herein, um den Befehl auszuführen. Es war ein Gaudium für sie, einen Fremden hinauszuwerfen, und es kam bei ihnen gar nicht in Betracht, daß sie ihn noch vor wenigen Minuten für einen Offizier gehalten hatten.

      Fritze griff nach seinem Gewehre, um sich zu verteidigen, war aber klug genug, diese Absicht wieder aufzugeben. Er warf es am Riemen über den Rücken und sagte:

      »Rührt mich nicht an; ich gehe selbst! Kommen Sie, Señor Doktor!«

      Indem er diese Worte sprach, hob er das Bündel mit den Werkzeugen auf, hob es auf die Achsel und schritt der Thür zu. Man hätte dem kleinen Kerlchen gar nicht zugetraut, daß es ihm gelingen werde, das schwere Paket mit solcher Leichtigkeit zu bewältigen. Seine drohende Haltung imponierte den Soldaten; sie wichen vor ihm zurück und ließen ihn zur Thür hinaus. Da aber herrschte sie der Kapitän an:

      »Nennt ihr das Hinauswerfen, ihr Halunken? Sofort ihm nach, sonst setzt es Arrest!«

      Sie gehorchten diesem Befehle; der Hauptmann aber wendete sich an den Gelehrten:

      »Sie sehen, Señor, wie weit man kommt, wenn man einem Offizier nicht diejenige Höflichkeit erweist, welche er unbedingt zu fordern hat. Was werden Sie thun, wenn ich Sie einsperren lasse?«

      »Mich mit Hilfe des Vertreters meines Monarchen an Ihren Präsidenten wenden,« antwortete Morgenstern ruhig. »Dann würden Sie ebenso eingesperrt, um zu erfahren, wie weit man kommt, wenn man einem deutschen Unterthan diejenige Rücksicht versagt, welche er unbedingt zu fordern hat.«

      »Ich finde, daß Sie sehr hochtrabend sprechen.«

      »Ich spreche stets so, wie die Umstände es erfordern.«

      »Dann sollten Sie weniger zuversichtlich sein. Die Lage, in welcher Sie sich gegenwärtig befinden, ist keineswegs eine ehrenvolle.«

      »Die Ihrige noch weniger. Wer einen Señor, den er einsperren will, vorher Oberst genannt und Euer Gnaden tituliert hat, muß befürchten, schwer blamiert zu werden. Ich hoffe, wir sind miteinander fertig. Die Bücher, welche hier liegen, werde ich durch einen Boten holen lassen. Leben Sie wohl, Señor.«

      Er wendete sich nach der Thür und ging, ohne daß der Kapitän Miene machte, ihn zurückzuhalten, hinaus. Als er die Treppe hinabstieg, hörte er auf dem Hofe einen Lärm, und als er diesen erreichte, sah er ein dichtes Knäuel von Soldaten, in welchem Fritze steckte. Sie hatten die Fäuste erhoben und wollten ihn schlagen, wagten dies aber nicht, da er den Revolver gezogen hatte und drohte, auf jeden zu schießen, der es wagen würde, sich an ihm zu vergreifen. So räsonnierten sie nur und schoben hinter ihm her, auf welche Weise sie ihn im Trab bis vor das Thor brachten, wo er stolperte und mit seinem Bündel niederfiel. Da packten sie ihn, rissen ihm den Revolver aus der Hand und gaben ihm ihre Fäuste zu fühlen. Er wehrte sich mit Händen und Füßen gegen sie und schlug und stieß wacker um sich, bis Morgenstern kam und einige von ihnen mit dem Kolben seines Gewehres zurückstieß.

      »Zurück, ihr Halunken!« gebot er. »Habt ihr vergessen, daß ich Offizier bin! Euer Kapitän ist verrückt geworden, daß er es wagt, euch auf den Begleiter eines Coronel zu hetzen. Lauft schnell zum Medico militar (Militärarzt)! Ich befehle ihm, den Kapitän sofort zu untersuchen und in Behandlung zu nehmen.«

      Diese List wirkte sofort. Sie zogen sich verblüfft zurück, und einige von ihnen liefen wirklich fort, um nach dem Arzte zu suchen. Fritze sprang auf, teilte schnell noch einige kräftige Rippenstöße aus, nahm dann sein Bündel wieder auf die Achsel und folgte dem Doktor, welcher sich mit ziemlich raschen Schritten entfernte. Er ging wieder nach der Stadt zurück und that dies so eilig, um möglichst schnell aus der Nähe der Soldaten zu kommen. Als Fritze ihn eingeholt hatte, schimpfte er:

      »Sonne Rotte Korah ist mich auch noch nicht vorjekommen! Dat will Soldat sind? Schönes Heldentum! Dreißig gejen einen einzigen, der noch dazu den Pack tragen muß! Sie wollten mir verhauen!«

      »Haben sie dir wehe gethan?« fragte sein Herr besorgt.

      »Dat weiß ick nicht. Ick muß es erst untersuchen. Fühlen thu ick jetzt noch nichts. Hoffentlich kommt dat Zartjefühl nicht noch hinterher. Es ist also doch so jekommen, wie ick sagte: Jehen wir herein, heraus kommen wir allemal wieder; ist es nicht jegangen, so ist es jeschmissen. Und herausjeschmissen haben sie mir, dat kann ick Ihnen schwarz auf weiß bestätigen.«

      »Gott sei Dank, daß es nicht noch schlimmer geworden ist! Es war wirklich leichtsinnig von uns, in eine solche Gefahr, lateinisch Dimicatio, sich zu begeben. Was thun wir nun? Was schlägst du vor?«

      »Wir jehen in ein Hotel.«

      »Gibt es hier Hotels?«

      »Höchst wahrscheinlich; aber sie werden auch danach sind, so was Sie antediluvianisch zu nennen pflegen. Vielleicht jraben wir eins aus.«

      Sie gingen suchend durch einige Straßen und kamen an ein Haus, über dessen Thür auf einem Schild zu lesen war: »Posada por pasageros, Gasthaus für Fremde.« Diese Posada sah freilich gar nicht einladend aus. Das Gebäude bestand aus gestampfter Erde und hatte nur ein Erdgeschoß mit einer breiten, niedrigen Thür und zwei Öffnungen, in denen keine Fenster waren. Nebenan gab es einen von einer Mauer umgebenen Hof, in welchem man Pferde stampfen und wiehern hörte.

      »Da hinein?« fragte der Doktor, indem er ein bedenkliches Gesicht zog.

      »Ja,« antwortete Fritze.

      »Es sieht aber genau wie eine Spelunke aus!«

      »Det schadet nichts, wenn wir nur nicht wieder herausjeworfen werden, hier ist alles Spelunke. Also man wieder rin ins Vergnüjen!«

      Als sie eingetreten waren, sahen sie, daß das Innere dieses Gasthauses aus nur einem Zimmer bestand. Tische und Stühle gab es nicht, dafür aber mehrere Hängematten und niedrige Schemel. Auf einem derselben saß der Wirt, ein hagerer, schmutziger Mensch, welcher sich erhob und unter tiefen Verneigungen nach den Wünschen der Señores fragte. Fritze warf sein Bündel auf den Boden, der aus gestampftem Lehm bestand, und antwortete an Stelle seines Herrn:

      »Können Sie uns vier Pferde, zwei Reit- und zwei Packsättel verschaffen?«

      »Mieten?«

      »Nein, kaufen.«

      »Wohin wollen Sie?«

      »Nach dem Gran Chaco, nach Tucuman, vielleicht noch weiter.«

      »Ich habe sehr feine Pferde zum Verkauf. Bemühen sich Euer Gnaden mit in den Hof!«

      Er öffnete eine Seitenthür, welche in den Hof führte. Die beiden folgten ihm hinaus. In einer der Hängematten hatte ein Mann gelegen, den sie gar nicht beachteten. Als dieser von dem Pferdehandel hörte, sprang er aus der Matte und folgte ihnen. Draußen standen zwölf abgetriebene und halb verhungerte Gäule, deren Aussehen ein so verkümmertes war, daß selbst der Doktor, obgleich er nichts von Pferden verstand, kopfschüttelnd meinte:

      »Das sollen Pferde sein? Ich würde so ein Tier viel eher für das halten, was der Lateiner Caper oder Hircus nennt.«

      »Was ist das, Señor?« fragte der Wirt.

      »Ein Ziegenbock.«

      »So sind wir fertig. Meine Pferde sind keine Ziegenböcke.«

      Er wendete sich stolz ab, um in die Stube zurückzukehren. Da stand der Gast, welcher in der Hängematte gelegen hatte. Dieser betrachtete die beiden Kleinen mit neugierigen Augen, während sie ihn

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