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Der Oberst schien nicht recht zu glauben, was ich ihm sagte! Und seither befürchte ich immer, daß man mir meinen Freimut verübeln, mich hinterdrein bestrafen, um meine so kärgliche Stelle bringen werde!“

      „Mut, lieber Alter! Jener Oberst ist längst nach – Europa versetzt, also hat es für den Prota von S. keine Gefahr! Und selbst im Falle, daß sich unser gestrenger Chef um diese verjährte Geschichte unerwarteterweise kümmern sollte, werde ich für den Prota schon einzutreten wissen! Jawohl! Prosit!“

      Erfreut, von dieser alten Sorge befreit, griff der alte Erzpriester zum Glase, dankte für die Zusicherung des Wohlwollens und der Unterstützung und leerte das Glas auf das Wohl des gnädigen Kompagniekommandanten.

      Spät wurde es an diesem Abend, bis Tonidandel sich verabschiedete und sporenklirrend seiner Behausung zustapfte.

      In der Kompagniekanzlei erschien der Kommandant am andern Tag erst zur Stunde, da die Militärstaffette die Post von Karlstadt brachte.

      Mit einigem „Haarweh“ behaftet, sah Tonidandel den Einlauf durch, langsam, ohne Interesse, verdrossen. Stutzig wurde er, als er einen neuen Befehl des Regimentskommandos in Händen hielt, ein Dienstschreiben an alle Militärstationen des Likaner Bezirks mit dem Wortlaute. „Sollten sich bei den Militärstationen alte Pfaffen vorfinden, sind diese, wohlverwahrt im Verschlag, dem Regimentskommando unverweilt abzuliefern.“ Die unleserliche, doch wohlbekannte Unterschrift des Chefs stand unter diesem verblüffenden Befehl.

      Zweimal las Tonidandel dieses Schriftstück sehr aufmerksam. Dann pfiff er durch die Zähne. Wie weggeblasen war nun das „Haarweh“. Und in seinen Augen glänzte eine seltsame Freude. Wie Donnerrollen klang der Ruf:

      „Jovo, hereinkommen!“

      Der Kompagnieschreiber Jovo erschien, erwies stramm die Ehrenbezeugung.

      „Zu Befehl, Herr Kommandant!“

      „Da! Vorlesen diesen Regimentsbefehl!“

      Jovo nahm gehorsamst dieses Schriftstück und las es mit geschraubter Stimme laut vor. Beim Worte: „Pfaffen“ stockte er, las es zweimal und hielt verblüfft inne. Seine Augen waren groß wie Pflugräder geworden. Und der Mund stand so weit offen, daß ein Leiterwagen hätte hineinfahren können.

      „Noch einmal vorlesen das Wort!“ donnerte der Kommmandant.

      Gehorsam las Jovo: „Alte Pfaffen vorfinden!“

      „Gut! Du bestätigst also, daß ‚Pfaffen‘ geschrieben und zu lesen ist!“

      „Zu Befehl, Herr Kommandant, ja! Es steht deutlich geschrieben:

      Pfaffen!“

      „Gut! Geh in das Pfarrhaus und hole den Prota! Das ist der einzige alte Pfaffe6, den wir hier haben! Abtreten!“

      Eine Viertelstunde später stand der ehrwürdige Greis vor dem Kompagniekommandanten. Verschüchtert, demütig, zitternd.

      Herr Tonidandel bedauerte die Belästigung des alten Erzpriesters und machte den Prota mit dem Inhalt des überraschenden Regimentsbefehles bekannt. Dabei hatte der Kommandant ein Wetterleuchten in den Augen. Und seine Lippen umzuckte ein Lächeln vergnüglichsten Spottes, unverfälschter Schadenfreude.

      Bebenden Tones erklärte sich der Prota bereit, sofort nach Karlstadt zu gehen trotz der alten steifen Beine und des weiten Weges und sich beim Regimentskommandanten auf Grund des Befehles gehorsamst zu melden. „Ich bitte Euer Herrlichkeit nur um eine Abschrift des Befehles zu meiner Legitimation bei der Vorstellung!“

      „Aber nein, lieber Prota! Das ist unmöglich! Tut mir sehr leid! Befehl ist Befehl! Jeder Befehl muß befolgt werden, buchstäblich und gehorsamst befolgt! Demnach muß ich eine Kiste beschaffen lassen, einen Verschlag, wie es im Dienstschreiben heißt! In diesem Verschlag muß der Prota von S. dem Regimentskommando eingeliefert werden! Laut Befehl!“

      „Bog, bog!“7 jammerte der Erzpriester beweglich und rang die Hände.

      „Nur ruhig, lieber Prota! Ich bin kein Freund von Grausamkeiten, hasse jede Brutalität! Demnach verfüge ich, daß der Prota bis eine Viertelstunde des Weges vor Karlstadt inmitten des Militärpiketts auf dem Wagen fährt, dort aber in die Kiste kriecht und im befohlenen ‚Verschlag‘ nach Karlstadt in die Regimentskanzlei gebracht wird! Halte Er sich bereit! In einer Stunde geht der militärische Transport ab! Pelz mitnehmen, Prota, denn es ist verdammt frisch! Wünsche wohl zu speisen!“

      Der alte Erzpriester hatte eine Träne im Auge und bittere Angst im Herzen, als er die Kanzlei verließ und zum Pfarrhause wankte. Jovo mußte den merkwürdigen Befehl abschreiben, worauf der Kommandant die Kopie verglich und den Wortlaut mit Unterschrift und Dienstsiegel beglaubigte. Die Abschrift erhielt der Transportführer eingehändigt behufs Legitimierung dieses – Pfaffentransportes. Dazu scharfe Befehle betreffend schonendster Behandlung des Prota, der erst kurz vor Karlstadt in die Kiste einzuschließen sei.

      Auch dieser Unteroffizier, ein Graničar aus der Korbava, machte ein höchst verblüfftes Gesicht und große Augen. Der Mund stand weit offen.

      Mit einer Bedeckung von sechs Mann Grenzsoldaten in voller Wehr, mit scharfen Patronen und „aufgepflanztem Bajonett“, in der Mitte der zweispännige Wagen mit dem Prota und der Kiste, ging unter Führung des Korporals der seltsame Transport ab.

      Im Städtchen S. zerbrach man sich die Köpfe darüber.

      Tonidandel rieb sich in seiner curia nobilis sehr vergnügt die Hände.

      Den armen Prota als Opfer hoffte er später entschädigen zu können. Dem Regimentschef aber gönnte Attilius den unausbleiblichen Ärger von ganzem Herzen.

      Behaglich speiste der Kommandant zu Mittag, schlief auch noch ein Stündchen. Dann aber erteilte er Befehl, daß morgen ab acht Uhr früh ein berittenes Pikett marschbereit zu sein habe, und zwar zu seiner Begleitung auf dem Ritt nach Karlstadt. Denn Attilius ahnte etwas….

      Noch vor Tagesbeginn bei dichtestem Karstnebel traf auf dampfendem Pferde ein Meldereiter in S. ein, der dem Kompagniechef einen Befehl überbringen sollte. Tonidandels Diener ließ aber auftragsgemäß den erwarteten Meldereiter nicht vor und verwies ihn in den Stall mit dem Bedeuten, daß der Befehl erst um acht Uhr überreicht werden dürfe.

      Lautete doch Tonidandels Leibspruch. Nur nichts überhudeln beim Militär.

      Punkt acht Uhr ritt der Kommandant wohlbewaffnet mit Sattelpistolen und mit dem Regimentsbefehl betreffend Ablieferung des alten Pfaffen im Waffenrocke, begleitet von sechs berittenen Graničaren nach Karlstadt ab. Gemächlich und trotz des Karstnebels recht vergnügt. Zeitweilig im Trabe, meist aber im Schritt! Nur nichts überhudeln!

      Wütend zum Bersten wartete der Oberst K., ein graubärtiger, dicker Herr mit struppigen Haaren und sehr liebebedürftigem Herzen, auf den Kompagniekommandanten, über den sich ein militärisches Gewitter sondergleichen entladen sollte. Wegen Verhöhnung des Vorgesetzten!

      Tonidandel wurde „angehaucht und zusammengestaucht,“ daß die Fenster in der Regimentskanzlei klirrten. Attilius stand wie aus Erz gegossen, muckste nicht und ließ den Regimentschef nach Herzenslust wettern, schimpfen, fluchen und drohen.

      Bis der Oberst keinen Atem mehr hatte, nach Luft rang und stöhnte.

      Dann sprach Tonidandel. „Zu Befehl, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Hier ist der mir zugegangene Regimentsbefehl! Ich bitte gehorsamst, das Originalschriftstück lesen zu wollen!“

      Knirschend vor Wut griff der Oberst nach dem Dienstschreiben und las es zornfunkelnden Auges. Und heiseren Tones stieß er hervor: „Allerdings! Es steht ‚Pfaffen‘ geschrieben! Herr Hauptmann hätten aber doch unschwer den – Schreibfehler erkennen können und sollen! Statt ‚Pfaffen‘ muß es heißen: Waffen! Wo bleibt die Intelligenz? Wo das höhere Erfassen? Den Kerl von Regimentsschreiber laß ich in Eisen legen! Ich danke, Herr Hauptmann!“

      „Zu Befehl, Herr Oberst!“ sprach Tonidandel, salutierte stramm und schloß dabei die vergnügt lachenden Augen.

      „Danke! Werde das nicht vergessen!

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<p>6</p>

Der Ausdruck „Pfaffe“ hatte damals noch nicht die üble Bedeutung wie jetzt.

<p>7</p>

„Gott! Gott!“