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Speisezimmer bei trübem Licht der Kerzenstumpen fragte Pegan den Vorgesetzten, ob die Kompagnie wirklich in aller Frühe ausrücken müsse.

      „Aber keine Idee, lieber Bruder! Ich habe das nur gesagt, um den Vorsteher und meine Erdäpfel los zu werden!“ rief lachend der Hausherr.

      „Was! Die Erdäpfel willst du los werden? Wieso denn?“

      „Ja! Es wird keine Stunde währen und im Küchengarten wird dann kein Erdapfel mehr zu finden sein!“

      „Nicht möglich! Du mußt Wachen aufhellen, den Diebstahl verhindern!“

      „O nein, lieber Bruder! Im Gegenteil! Es wird mich sehr freuen, wenn sich unsere Graničari, allen voran der Starešina, in dieser Nacht meine Erdäpfel – ‚verschaffen‘! Du mußt nämlich wissen, lieber Bruder, daß der Grenzer niemals stiehlt; er ‚verschafft sich‘ nur eine ihm nicht eigene Sache! Und da im Regimentsbefehl deutlich zu lesen ist, daß wir den Graničari ‚Gelegenheit zum – Verschaffen‘ geben sollen, rühre ich ordergemäß keinen Finger, so unsere Grenzer sich heute nacht sämtliche Erdäpfel aus meinem Küchengarten holen!“

      „Ah! Jetzt verstehe ich alles! Die Erdäpfel hast du mit der Gans braten lassen, damit….“

      „Stimmt! Und jetzt verlöschen wir das Licht; im Dunkel der Nacht wollen wir vom rückwärtigen Zimmer aus beobachten, wie sich die Graničari die Gänsekartoffeln holen!“

      So geschah es.

      Am Morgen stellte Kommandant Tonidandel in Gegenwart des Hauptmanns Pegan dienstlich fest, daß im Küchengarten nicht eine Kartoffel mehr zu finden war. Diese „Konstatierung“ erfolgte zum Zwecke, daß dienstlich an das Regimentskommando der – Vollzug des Befehles gemeldet werden konnte. Pegan unterschrieb das Dienstschreiben als Zeuge.

      Tonidandels Hoffnung, mit einem Erdäpfel-Befehl so bald nicht mehr belästigt zu werden, erfüllte sich vollauf; denn der Regimentschef schien sich zu beruhigen mit der Vollzugsmeldung. Und die Grenzer wollten von den Kartoffeln nichts wissen, weil die „verschafften“ Erdäpfel aus dem Kompagnie-Küchengarten nicht nach – Gänsebraten schmeckten.

      Und bei den Graničari galt es fürder ausgemacht, daß der Starešina ein „großer Lügner“ sei….

* * * * *

      So zurückgezogen, gesellschaftlich abgeschlossen Kommandant Tonidandel im Städtchen lebte, ab und zu besuchte er doch den Prota (Erzpriester der griechisch-orthodoxen Gemeinde), einen ehrwürdigen Greis mit schneeweißem Bart und langem Silberhaar, im Pfarrhause. Sowohl der ruhige Prota wie seine Gattin, die stille Poša (Poscha), besonders aber die liebliche Tochter Maca (Matza, Marie) waren dem bärbeißigen Kompagniekommandanten überaus sympathisch. Tonidandel fühlte sich wohl bei dieser Familie, zumal ihm der Prota, der, wie alle Stände in der Militärgrenze, unter dem Militärgesetz und der Militärverwaltung stand, nie Unannehmlichkeiten, Verdruß oder Scherereien verursacht hatte. Gelegentlich vom Prota geäußerte Worte über die drückende Militärdidaktur, über den Despotismus des Regimentschefs nahm Tonidandel umso weniger übel, als der Kompagniekommandant doch selbst seine eigene, nicht gerade rosige Meinung über den gewalttätigen Chef hatte.

      So saß denn Tonidandel etliche Tage später an einem Abend im kahlen, doch behaglich erwärmten Wohnzimmer des Pfarrhauses und kneipte mit dem Prota vom Weine, den der Kommandant vorher ins Haus gesandt hatte. Der Erzpriester mit kümmerlichem Einkommen war so arm, daß er den hohen Gast nicht hätte entsprechend bewirten können. Deshalb schickte Tonidandel mit der Besuchsansage stets Wein, Slibowitz, zuweilen auch kalten Aufschnitt ins Pfarrhaus.

      So auch diesmal. Und wie die Herren nach der Begrüßung der Damen gemütlich beisammen saßen, erzählte Tonidandel vergnügt die Geschichte von den Gänsekartoffeln, und zugleich sprach er die Hoffnung aus, für die Dauer seiner Dienstzeit mit „Erdäpfel-Befehlen“ verschont zu bleiben.

      Der ehrwürdige Prota wagte kaum ein Lächeln. Würdevoll schloß er sich der Hoffnung des Kommandanten an und leerte auf die Erfüllung des Wunsches Tonidandels sein Glas.

      „Ist recht so, lieber Prota! Ich hoffe aber noch mehr, nämlich die endliche Berufung unter Vorrückung nach – Europa!“

      „Bog daj!“3 rief der Erzpriester und hob die Augen zur geschwärzten Decke. Und nachdem er die Unschlittkerze geputzt hatte, wagte er die sanft vorgebrachte Bemerkung, daß sich bei bescheidenen Ansprüchen doch auch in der weltentlegenen Lika leben lasse. „Besser freilich vielleicht im Provinzial!“4

      „Glaub' Er das nicht, lieber Prota!“ erwiderte eifrig der Kommandant. „In mancher Beziehung sind die Zustände bei uns in der Grenze sogar besser! Wir haben doch nicht die Rechtsbeugungen der adeligen Gutsbesitzer, nicht die Willkürherrschaft der autonomen Komitate, nicht die Gier und Leidenschaft politischer Hitzköpfe im Provinzial!“

      Milde sprach der Erzpriester im Silberhaar. „Das nicht, gnädiger Herr!

      Aber dafür den Despotismus des Regimentskommandanten!“

      „Das muß man als etwas Selbstverständliches hinnehmen! Das Volk der Grenze so gut wie wir Offiziere! Übrigens haben wir in der Grenze immer noch mehr Rechtssicherheit als das Provinzial!“

      Ergebungsvoll stimmte der Prota zu. „Euer Herrlichkeit belieben recht zu haben! Nur dürfte die Härte des Militärgesetzes nicht zu bestreiten sein.“

      „Warum ‚Härte‘?“

      „Halten zu Gnaden, Herr Kommandant! Hart ist es für uns Serbokroaten, weil die Auditore (Militärrichter) Fremde sind, unsere Sprache nicht verstehen, auf Dolmetscher angewiesen sind, die zwar Kroatisch gut, Deutsch hingegen nur ungenügend können! Ich meine, daß die beiderseitige Sprachunkenntnis gefährliche Folgen für Leben, Freiheit und Eigentum der Angeklagten hat und noch haben wird!“

      „Hm! Ist ja richtig, aber wir zwei können das nicht ändern! Na zdravje!“5

      Demütig dankte der Prota für diese Ehre. Und mit bebender Hand führte er sein Glas zum Munde.

      „Recht so, lieber Prota! Muß sagen, daß ich recht zufrieden mit Ihm bin! Der einzige Pope im ganzen Bezirk, der mir noch keinen Verdruß bereitet hat!“

      „Ich danke gehorsamst für diese Anerkennung! Dennoch zittere ich schier jeglichen Tag, daß doch einmal Unheil über mich kommen werde….“

      „Warum? Hat Er denn von früher her etwas auf dem Kerbholz?“

      „Nicht schlimm, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Nur einen üblen Auftritt hat es vor Jahren gegeben, als wir zur Vorstellung vor dem damaligen neuen Regimentskommandanten, einem Deutschen, nach Otočac (Ototschatz) befohlen waren und vom Militärchef bös angefahren wurden, daß wir Erzpriester Feinde des Kaisers und Österreichs seien….“

      „Wieso?“

      „Der Oberst warf uns vor, daß wir in unseren Kirchenbüchern für den Zar von Rußland beten, nicht für den Kaiser von Österreich!“

      Interessiert rief Tonidandel. „Was? Ist das wahr?“

      „Ja und nein, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Die Erklärung ist leicht zu geben! Unsere Kirchenbücher müssen in – Rußland gedruckt werden, weil die österreichische Regierung nicht erlaubt, daß unsere orthodoxen Bücher in Österreich gedruckt werden! So ist es denn ganz erklärlich, daß in den in Rußland gedruckten Büchern der Name des dortigen Landesherrn steht. Selbstverbindlich beten wir aber für den Kaiser von Österreich, für unseren Landesherrn!“

      „Weiter!“

      „Jener Oberst steifte sich aber darauf, daß es in den Büchern ‚Zar‘, nicht ‚Kaiser‘ heißt! Ich als Sprecher der Erzpriester habe den gestrengen Kommandanten aufmerksam gemacht, daß man in der slavischen Sprache das Wort ‚Kaiser‘ nicht kennt, nicht anders nennen kann als ‚Zar‘! Zar ist gleichbedeutend mit Kaiser! Zum Schluß der denkwürdigen Audienz hatte ich gebeten, es möge der Oberst bewirken, daß unsere Kirchenbücher in Österreich gedruckt werden dürfen;

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<p>3</p>

„Gott gebe es!“

<p>4</p>

Die unter der Militärverwaltung stehende Bevölkerung der Militärgrenze nannte Zivilkroatien damals „Provinzial“ und liebäugelte mit den dortigen Verhältnissen.

<p>5</p>

„Zur Gesundheit!“