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können Sie sich etwas Schöneres vorstellen als diese Geschichte? Der Herr, versteht sich, hätte nun das Geld zurückgeben sollen, und die Sache wäre zu Ende gewesen, aber er war eigensinnig und wollte sich davon nicht trennen. So verging der Morgen. Der ganze Handel in der Stadt ist gesperrt. Die Leute kommen und wundern sich. Die Polizei fordert das Siegel, und die Juden schreien: »Ai wai, was ist das für eine staatliche Regierung! Die hohe Obrigkeit will uns ruinieren.« Ein schreckliches Durcheinander. Der Herr sitzt eingeschlossen zu Hause und hat bis Mittag schier den Verstand verloren. Am Abend ruft er dann die listigen Juden zu sich und sagt: »Hier, ihr Verfluchten, nehmt euer Geld und gebt mir nur mein Petschaft wieder!« Aber sie wollen nicht und sagen: »Ja, wenn das so ginge! Wir haben den ganzen Tag nicht gehandelt: jetzt müssen Euer Wohlgeboren uns fünfzehntausend dazu geben!« Sehen Sie, so kam es! Und die Juden drohen: »Wenn Sie uns jetzt nicht die fünfzehntausend geben, kostet die Sache morgen fünfundzwanzigtausend Rubel mehr.« Der Herr schlief die ganze Nacht nicht, am Morgen schickte er wieder zu den Juden, gab ihnen das ganze Geld, das er von ihnen erhalten hatte, zurück und unterschrieb einen Wechsel auf fünfundzwanzigtausend; dann begann er so eine Art Revision. Natürlich fand er nichts, fuhr so schnell wie möglich nach Haus und tobte vor seiner Frau, woher er die fünfundzwanzigtausend Rubel nehmen solle, um den Juden den Wechsel zu bezahlen. »Wir müssen dein Gut, das du in die Ehe mitgebracht hast, verkaufen,« sagt er. Aber sie erwidert: »Um nichts in der Welt, ich bin mit ihm verwachsen.« Er sagt: »Du bist schuld, du hast mir mit deinen Altgläubigen diesen Auftrag erbetet und warst überzeugt, daß mir ihr Engel helfen würde; so schön hat er mir nun geholfen!« Aber sie antwortet darauf: »Du bist selber schuld, warum bist du so dumm und hast die Juden nicht verhaftet und erklärt, daß sie dir das Petschaft gestohlen haben? Aber im übrigen,« sagt sie, »macht es nichts, folge nur mir, ich werde die Sache schon wieder einrichten, und für deine Unvernunft werden andere zahlen.« Und mit einem Male plärrt sie: »Sofort, schnell den Dnjepr hinunterfahren und mir den Ältesten der Altgläubigen herholen!« Der Bote kam, brachte unseren Pimen, und die Frau sagte ihm ohne Umschweife: »Hören Sie, ich weiß, daß Sie ein verständiger Mensch sind und daß Sie verstehen werden, was ich brauche: Meinem Mann ist eine kleine Unannehmlichkeit widerfahren. Nichtswürdige haben ihn ausgeraubt, die Juden … Sie verstehen … und wir brauchen unbedingt dieser Tage fünfundzwanzigtausend Rubel, die ich nirgends so schnell auftreiben kann. Aber ich habe Sie gerufen, und da ich weiß, daß ihr Altgläubige kluge und reiche Leute seid, und weil ich mich selbst überzeugt habe, daß Gott euch in allen Dingen hilft, bin ich sicher, daß ihr mir den Gefallen tun und die fünfundzwanzigtausend geben werdet. Ich werde dafür meinerseits allen Damen von euren wundertätigen Heiligenbildern erzählen, und ihr werdet sehen, wieviel ihr für Wachs und Öl erhalten werdet.« Ich glaube, meine werten Herren, daß Sie sich ohne Mühe vorstellen können, was unser Spielmann bei dieser Wendung empfand. Ich weiß nicht, was er alles sagte, aber ich glaube es ihm, daß er nun anfing sich zu winden und zu schwören und sie unserer Dürftigkeit zu versichern; aber sie, die neue Herodias, wollte davon nichts wissen. »Nein,« sagte sie, »ich weiß sehr gut, daß die Altgläubigen reich sind und daß fünfundzwanzigtausend Rubel für euch nichts bedeuten. Als mein Vater in Moskau Beamter war, haben ihm die Altgläubigen mehrmals solche Gefälligkeiten erwiesen; und fünfundzwanzigtausend Rubel sind gar nicht der Rede wert.« Pimen versuchte natürlich ihr vorzustellen, daß die Moskauer Altgläubigen kapitalskräftige Leute seien, wir aber einfache Bauern und Taglöhner … Aber sie hatte anscheinend sehr gute Moskauer Erfahrungen und fiel über ihn auf einmal her: »Warum erzählen Sie mir das? Als ob ich nicht wüßte, wieviel wundertätige Heiligenbilder ihr habt! Haben Sie mir nicht selbst erzählt, wie viel man euch aus ganz Rußland für Wachs und Öl schickt? Nein, ich will nichts hören, entweder bekomme ich sofort das Geld, oder mein Mann fährt gleich zum Gouverneur und erzählt ihm alles, wie ihr betet und die Leute verführt, und es wird euch schlecht gehen.« Der arme Pimen fiel schier die Treppe hinunter; er kam nach Hause und sagte, wie ich Ihnen berichtet habe, nur das eine Wort: »Nichts«. Dabei war er aber rot, als käme er aus dem Dampfbad, ging gleich in einen Winkel und schneuzte sich in einem fort. Schließlich nahm ihn Luka Kirillow ein wenig ins Verhör. Pimen gestand ihm natürlich nicht alles, sondern enthüllte ihm nur ganz wenig und sagte: »Die Gnädige hat von mir verlangt, daß ich ihr von euch fünftausend Rubel Bestechungsgelder bringe.« Daraufhin braust Luka natürlich auf: »Ach du Spielmann,« sagte er, »was brauchtest du mit den Leuten verkehren und sie auch noch herbringen? Sind wir denn reiche Leute, haben wir soviel Geld zu verschenken? Wofür sollen wir es denn geben? Und wo ist es? Wie du alles angestellt hast, so bringe es auch wieder in Ordnung, aber wir können die fünftausend Rubel nirgends hernehmen.« Damit ging Luka an seine Arbeit und kam, wie ich berichtete, bleich wie ein zum Tode Verurteilter zu uns, weil das nächtliche Ereignis ihn ahnen ließ, daß die Sache uns Unannehmlichkeiten bringen werde. Pimen aber ging ans andere Flußufer. Wir alle sahen, wie er mit einem Boot aus dem Schilf herausfuhr und sich der Stadt zuwandte. Als Michailiza mir jetzt dies alles der Reihe nach erzählte, wie er sich um die fünftausend Rubel bemüht hatte, dachte ich mir, daß er nun bestimmt zur Gnädigen gefahren sei, um sie zu besänftigen. Mit solchen Gedanken stand ich neben Michailiza und dachte nach, ob aus all dem nicht ein Schaden für uns erwachsen könne und ob es nicht notwendig sei, irgendwelche Maßnahmen dagegen zu ergreifen, als ich plötzlich sah, daß alle Maßnahmen schon zu spät waren, da ein großes Boot am Ufer anlegte und ich hinter mir den Lärm vieler Stimmen hörte. Ich drehte mich um und erblickte einige Beamte in allerlei Uniformen und mit ihnen eine erhebliche Anzahl von Gendarmen und Soldaten. Meine werten Herren, ich kann Michailiza kaum einen Blick zuwerfen, als sie alle an uns vorbei zu Lukas Stube gehen und an der Türe zwei Posten mit bloßen Säbeln aufstellen. Michailiza stürzt auf die Posten zu, nicht nur, um in die Stube zu kommen, sondern auch, um zu eifern. Natürlich stoßen sie sie zurück, und wie sie noch wilder auf sie eindringt und mit ihnen ins Handgemenge kommt, versetzt ihr einer der Gendarmen einen solchen Stoß, daß sie kopfüber die Treppe hinunterstürzt. Ich schicke mich an, zu Luka auf die Brücke zu laufen, aber ich sehe schon, wie Luka mir entgegenläuft und hinter ihm unsere ganze Gesellschaft, alle in Aufruhr, jeder mit dem Werkzeug in der Hand, mit dem er eben gearbeitet hat, der eine mit einer Brechstange, der andere mit einem Hammer, und alle laufen, um ihr Heiligtum zu verteidigen. Alle, die im Boot keinen Platz gefunden und kein anderes Mittel hatten, das Ufer zu erreichen, waren in den Kleidern, wie sie bei der Arbeit gewesen waren, von der Brücke ins Wasser gesprungen und schwammen nun einer hinter dem anderen durch den kalten Fluß. Stellen Sie sich vor, es war schrecklich auszudenken, wie das enden sollte. Die Soldatenabteilung war etwa zwanzig Mann stark, und wenn sie auch alle mehr oder weniger kriegerisch ausgerüstet waren, so waren die Unseren mehr als ein halbes Hundert und alle von glühendem Glaubenseifer beseelt. Jetzt schwimmen sie wie die Seehunde durch das Wasser, und man hätte sie mit einem Knüppel auf den Kopf schlagen können, sie hätten die Absicht, ihr Heiligtum zu beschützen, nicht aufgegeben. Nun stürmen sie, naß wie sie sind, vorwärts, als hätten Steine plötzlich Leben bekommen.

      ACHTES KAPITEL

      Gestatten Sie mir jetzt daran zu erinnern, daß, während ich mit Michailiza auf der Treppe sprach, der alte Maroi sich in der Stube im Gebet befand, wo ihn die Herren Beamten bei ihrem Eindringen auch vorfanden. Er erzählte später, daß sie, gleich als sie hereingekommen waren, die Türe zugeschlagen hätten und gerade auf die Heiligenbilder zugegangen wären. Die einen löschen die Lämpchen aus, die anderen reißen die Bilder von der Wand, legen sie auf den Boden und schreien ihn an: »Bist du der Pope?« Er sagt: »Nein, ich bin kein Pope.« Sie: »Wer ist denn euer Pope?« Aber er antwortet: »Wir haben keinen Popen.« Sie darauf: »Ihr werdet keinen Popen haben! Wie wagst du zu sagen, daß ihr keinen Popen habt!« Er begann ihnen zu erklären, daß wir keine Popen haben, aber weil er so unverständlich sprach, daß sie nicht begriffen, wovon die Rede war, sagten sie: »Bindet ihn, er ist verhaftet.« Maroi läßt sich binden, als gehe es ihn nichts an, daß ihm ein Dutzend Soldaten mit einem Strickende die Hände binden. Er steht da und sieht zu, was weiter geschieht. Die Beamten hatten inzwischen Kerzen angezündet und die Bilder zu versiegeln begonnen. Der eine legte die Siegel an, die anderen machten ein Verzeichnis, die dritten bohrten Löcher in die Bilder und reihten sie auf eine Eisenstange aneinander. Maroi sah diesem gotteslästerlichen Treiben zu und zuckte nicht einmal mit den Schultern, weil er bei sich dachte, daß es wohl Gott gefalle, diese Schändung des Heiligtums zuzulassen.

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