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Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel
Читать онлайн.Название Die Herrin und ihr Knecht
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Georg Engel
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ah, Sie meinen,« nahm die Älteste von Maritzken das Wort des Gefährten auf, »Sie meinen, daß der junge Mann Lob und Anerkennung verdiene, weil er sich zu der Angehörigen einer unbegüterten Familie herabläßt, die ihren Töchtern keine Mitgift auszusetzen vermag?«
»Hans, Hans,« mahnte hier der Konsul und hob dämpfend die Hand.
Aber die hohe Blonde fuhr fort: »Ja, ja, man spricht ja so etwas Ähnliches sowohl in der Stadt, wie in der Umgegend. Und es ist mir ganz recht,« bestätigte sie sehr ernsthaft, und jener rechnende Schein spielte von neuem aus ihrem weißen Antlitz, »es ist mir ganz recht, wenn sich keine Mitgiftjäger um meine Schwestern bemühen, denn ich kann das Vermögen, das ich uns in achtjähriger Arbeit erworben, noch sehr gut in meinem landwirtschaftlichen Betriebe gebrauchen. Sie aber, lieber Konsul, Sie sind ja der einzige, der genau darüber orientiert ist, wie wenig alle diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen. Ja, es ist richtig,« sprach sie immer heftiger weiter, »ich habe die zwei großen väterlichen Güter damals in der schweren Zeit aufgeben müssen. Oder besser gesagt, ich habe sie auf Ihren Rat mit Gewalt zur Versteigerung getrieben. Aber das letzte, auf dem ich mich festgesetzt hatte, um mich nicht mehr davon vertreiben zu lassen, unser Maritzken, dieses Stück Erde, halb Bauernhof, halb Rittergut, das ist doch mit Ihrer Hilfe so bewirtschaftet worden, daß es sich sehen lassen kann. Und die Summen, die ich hier bereits bei Ihnen ablieferte, würden immerhin für eine Mitgift für meine Schwestern genügen, nicht wahr? Lieber Konsul,« fügte sie kalt und unempfindlich an, als der Mann eine Bewegung ausführte, als ob ihm das Gespräch peinlich würde, »ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich etwas richtig stellen, was mir schon lange Ihnen gegenüber auf dem Herzen liegt. Wenn Sie nämlich von diesen Privatgeldern sprechen, dann pflegen Sie die Summe stets durch drei zu teilen. Es scheint also, als ob Sie auch für mich ein eigenes Konto angelegt hätten. Das ist ein Irrtum, Konsul Bark. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß mein Teil restlos auf meine Schwestern übergeht. Sehen Sie mich nicht so erstaunt an, damit beleidigen Sie mich. Ich selbst habe dort draußen in meiner Wirksamkeit vollkommen meine Befriedigung gefunden und werde darin keine Veränderung mehr eintreten lassen.«
Ein Augenblick der Ruhe erhob sich zwischen den Beiden. Der Konsul hatte sich zurückgelehnt, und seine lang bewimperten Augen umfaßten das ruhige Frauenbild vor ihm mit unverhohlener Bewunderung. Nie hatte er sie so begehrenswert gefunden, als jetzt, wo er das leidenschaftslose Gelübde ihrer Entsagung vernommen hatte. Und er glaubte an den unverbrüchlichen Ernst dieses Scheidens von den Freuden und Tänzen der Welt. Nichts Nonnenhaftes lag auf dem edlen Antlitz mit den strengen Marmorzügen, ja, während der Konsul in ihm las, meinte er beinahe, der wohlgeformte Mund, der so gemessen über ein abgeschlossenes Schicksal sprach, auf ihm sei das Lächeln nur eingefroren und es müßte sich herrlich ausnehmen, wenn es sich wieder einstelle.
Das Gutsfräulein jedoch, als ob es fühlte, daß die Gedanken des so auffällig Schweigenden an ihr herumtasteten, schob den Sessel zurück, stand auf und rüstete sich zum Abschied.
»Ich wollte Sie bitten, mit Fritz Harder Rücksprache zu nehmen,« schüttelte sie endlich ihren lang aufgesparten Wunsch von sich ab.
Der Konsul verbeugte sich leicht. »Ich war auf diesen Befehl vorbereitet, lieber Hans. Und passen Sie auf, in wenigen Tagen wird der glückliche Freiersmann nach allen Regeln des Herkommens bei Ihnen anhalten. Übrigens,« fuhr er fort, »möchte ich doch vorher, wenn Sie gestatten, auch ein paar Worte mit Marianne über diesen Fall wechseln. Und wissen Sie, Hänschen,« lachte er plötzlich ganz unvermutet dazwischen, »da könnten wir eigentlich ein sonderbares Rendezvous verabreden. Sie können sich gewiß nicht denken, wer mir soeben eine Einladung für Sie und die Mädels überbracht hat.«
»Nein,« gestand die Aufbrechende, indem sie sich bereits den Schleier herabzog, »geht Ihre Vormundschaft über mich schon so weit, daß Sie auch Ihre Zustimmung für unsere Besuche zu erteilen haben?«
»Keineswegs, Hänschen, soweit geht sie unglücklicherweise nicht,« scherzte der Kaufmann und strich seinem Besuch das verschobene Jakett ein wenig zurecht, »man überschätzt meinen Einfluß leider bedeutend.«
Und nun erfuhr Johanna Grothe die merkwürdige Bitte des russischen Rittmeisters, der die drei Damen zu einem Ausflug jenseits der Grenze veranlassen wollte. Und aus der ganzen Art, wie der Kaufmann diese Einladung wiedergab, wie er die gewählte Zusammensetzung der Gesellschaft hervorhob oder Einzelheiten der Bewirtung schilderte, in allem sprach sich deutlich der Zweifel an der Verwirklichung des Planes aus. Allein es kam anders. Die Älteste von Maritzken warf plötzlich das Haupt in den Nacken, wie sie es immer tat, wenn sie nachdachte, dann schlug sie noch einmal den Schleier zurück und trat an den Schreibtisch, wo sie mit dem Zeigefinger allerlei Figuren auf das rote Tuch malte.
»Sie fahren auch mit, Konsul Bark?« fragte sie rasch.
Der Prinzipal des Goldenen Bechers war sich nicht ganz einig.
»Ja – ja allerdings, gegebenenfalls.«
»Dann ist es selbstverständlich, daß wir dort empfangen werden, wie wir es erwarten dürfen.«
»Alle Wetter, Hänschen, was machen Sie für Sätze?« vergaß sich der Kaufmann, und auf seinem hübschen Gesicht malte sich ein offenes Erstaunen.
Die Gutsherrin jedoch wandte ihren klaren Blick nicht von ihm ab; und siehe da, was der Hausherr sich so gewünscht hatte, es erfüllte sich. Um den stolzen Mund der Hochragenden spielte unvermutet ein harmloses, ja verschmitztes Lächeln. Welch ein Wunder! Sie sah plötzlich aus wie eine gutmütige Zwanzigjährige, die einen derben Streich plant.
»Hänschen, was haben Sie vor?«
»Gott, die Sache ist ganz einfach, lieber Freund,« lächelte die Gefragte verschämt, »es handelt sich dabei natürlich für mich um ein Geschäft.«
»Aha!«
»Sie wissen, ich möchte für die kommende Ernte billigere Landarbeiter mieten, und da dachte ich, daß die Russen von drüben –«
»Hans, Sie wollen doch nicht –?«
»Doch, doch, es nimmt hier ja auch niemand auf mich Rücksicht, und ich bin keine Wohltäterin. Nur die Grenzstationen drüben machen uns Schwierigkeiten und halten die gedienten Leute zurück.«
Jetzt lachte der Konsul hell auf.
»Ah, und Sie meinen,« rief er wohlgelaunt, »wenn die drei Damen von Maritzken unseren Nachbarn ein paar hübsche Augen zuwerfen, dann –«
Das Gutsfräulein hielt seinen Blick aus.
»Das nicht gerade,« sprach sie ruhig, »reden Sie keinen solchen Unsinn, Konsul Bark. Aber ein Wort gibt das andere, verstehen Sie? Man gelangt leichter an sein Ziel. Und dann,« fügte sie noch überlegt an, »ich brauche auch billige Ackerpferde, und dort drüben verkauft man sie halb umsonst. Man bedarf nur der Protektion.«
»Die wird Ihnen nicht fehlen,« schloß der Kaufmann, indem er seinen Gast höflich bis zu den vier Marmorstufen geleitete, »verlassen Sie sich darauf, bester Hans. Aber wie gesagt, Sie sind ein kapitaler Rechner. Und über den Ausflug ins Russische reden wir noch. Da ich als Anstandspapa zu fungieren habe, so will ich mich doch noch genauer über alles orientieren. Und nun, lieber Hans, leben Sie wohl, und ich danke Ihnen auch für Ihren lieben Besuch.«
Die Blonde reichte ihm über die Stufen hinauf die Rechte. Es war ein Händedruck, wie sie es gewohnt war, fest, kräftig, zupackend. Die wohlgepflegten Finger des eleganten Mannes empfanden die Umklammerung beinahe schmerzlich.
»Wenn ich Sie nur nicht gestört habe,« warf sie noch dankbar zurück.
Der Mann aber verbeugte sich leicht und entgegnete nachdrücklich:
»Ich wünschte, Sie kämen öfter.«
Dann blieb er unter den geöffneten Türflügeln stehen und sah ihr nach, bis die hohe Gestalt jenseits des Marktplatzes verschwunden war.
II
Glutrote Abendsonne glitzerte aus allen hochgelegenen Fensterscheiben der Stadt,