ТОП просматриваемых книг сайта:
Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel
Читать онлайн.Название Die Herrin und ihr Knecht
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Georg Engel
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Marianne,« sagte er unvermittelt klar und bestimmt, »ich habe mit dir zu reden.«
Die junge Dame am Spiegel ließ die vollen Arme, die den Schäferhut in eine anmutig schräge Lage zu bringen trachteten, nicht sinken, sie kehrte sich auch nicht zu ihm, sondern, während ihre frischen Lippen die lange Hutnadel in der Schwebe hielten, da suchten ihre Augen verwundert sein Bild in der blanken Spiegelscheibe auf.
»Du mußt mir einen Augenblick Gehör schenken, Marianne,« drängte der Offizier weiter und tat einen Schritt gegen sie.
»Schon wieder?« murmelte Marianne hinter der blitzenden Nadel undeutlich hervor. »Fritzchen, daß du ein solches Vergnügen an derartigen Auseinandersetzungen empfindest. Also was willst du denn, Liebling? Aber recht rasch, bitte, nicht wahr? Denn sieh mal, von der Sebalduskirche schlägt es schon halb acht. Johanna hat gewiß bereits wieder ihr strengstes Gesicht aufgesetzt.«
Noch hatte sie nicht geendet, als sie betroffen ihre schwarzen Augen bis zu der kleinen Eingangstür irren ließ, um dann plötzlich aufgescheucht ihren blauen Mantel ungestüm über sich zusammenzuziehen. Von der Treppe her drangen schwere, knarrende Tritte herauf. Verstört flüchtete das schöne Mädchen bis dicht an die Seite ihres verstummten Gefährten.
»Um Gott, Fritz, du erhältst doch nicht etwa Besuch? – Dein Bursche? – Aber das ist doch sehr unrecht von dir! – Wo soll ich denn jetzt hin?«
Erregte Worte fuhren zwischen den Beiden hin und her, dann ein hastiges Aufraffen des weißen Sonnenschirms, ein Huschen und Flattern, und der eintretende Reddemann bemerkte mit Erstaunen, wie sein junger Herr in offenbarer Verwirrung abgewandt vor der Tür des Alkovens verweilte, wo er im Grunde nichts zu suchen hatte. Auch für die leckere Zubereitung der Menagengerichte, die noch in ihren Schüsseln dampften, schien sein Gebieter heute keinen rechten Sinn zu besitzen. Unwirscher als sonst trieb der Offizier, der merkwürdigerweise seinen Platz vor dem Nebenzimmer nicht aufgab, zur Eile.
»Ja, die Serviette muß ich doch wenigstens in den Ring schieben,« verteidigte sich der Ostpreuße verständnislos, obwohl auch er anfing aufmerksam nach der niedrigen Verbindungstür zu schielen, »und dann Messer und Gabel, Herr Leutnant.«
»Schon gut, schon gut, es ist alles sehr schön, – nur rasch!«
»Zu Befehl, darf ich nun noch das Bett aufschlagen?«
Aber merkwürdig, wie unberechenbar diese Vorgesetzten manchmal werden konnten. Der noble Herr, der ihn fast niemals fühlen ließ, daß er zur persönlichen Dienstleistung des Offiziers kommandiert war, er bekam unvermutet drei schwere Falten über der Nasenwurzel, und während er nervös nach der leeren Degenscheide griff, schrie er den treu Sorgenden zum erstenmal rücksichtslos an.
»Zum Donnerwetter, ich habe genug von dem langweiligen Geplapper. Mach, daß du fortkommst!«
Jedoch Reddemann blieb begriffsstutzig.
»Was, Herr Leutnant, ohne Bett?« stammelte er.
Und erst als sein Herr die Degenscheide auf den Erdboden stieß, daß alles klirrte und bebte, da schlug der Bursche blutrot die Hacken zusammen und stürzte wie behext die enge Treppe herunter.
»Da stimmt etwas nicht,« glitt es dem pfiffigen Patron durch den Schädel, »so fein hat es bei uns noch nie gerochen. Donnerwetter ja, die Vornehmen haben doch alles vom Besten.«
In dem Zimmer blieb es noch eine kleine Weile still. Erst als der dumpfe Schlag der Haustür verkündet hatte, daß jede Gefahr der Mitwisserschaft beseitigt, da raffte sich Fritz Harder zusammen, um mit einem raschen Entschluß seinen Besuch aus der seltsamen Einkerkerung zu befreien. Und wie heftig ihm auch das Herz schlug wegen der unwürdigen Rolle, zu der sie beide durch diese Heimlichkeit verurteilt waren, – das Bild, das sich ihm hinter der kleinen Tapetentür darbot, schimmerte in solch bestrickendem Reiz, daß all die Vorwürfe, die er gegen sich und die Geliebte im stillen erhob, vor ihm versanken. Da stand Marianne dicht an der Schwelle, das Haupt mit dem breitrandigen Rosenhut lauschend vorgebeugt, und die Wangen von Neugierde und Unruhe dunkel überflammt. Die Dämmerung des Alkovens umgab die matt beleuchtete, weiße Gestalt gleich einem schweren Ebenholzrahmen. Aufatmend und mit jener Lässigkeit, die den jungen Offizier schon so häufig betört hatte, trat sie in das helle Wohnzimmer und knöpfte sich eifriger als sonst die langen weißen Seidenhandschuhe zu. Offenbar wurde das Mädchen nur von der einen Sucht beherrscht, ihren Aufbruch so schnell und so unbemerkt als möglich zu vollziehen.
»Adieu, Fritzchen,« schnitt sie ihm bereits das erste Wort ab, denn sie fühlte mit Unbehagen, wie ihr aus den Augen des Gefährten schon wieder allerlei unbequeme Fragen entgegendrohten, »adieu, mein Liebling. – Nein, nein, um Gottes willen, rühre mich nicht an, solche ungeschickten Männerhände sind ja sofort wahrnehmbar. Und Johanna ist der mißtrauischste Polizist, den du dir denken kannst. Nein, ganz still, ganz artig« – und sie preßte ihm rasch die Rechte auf die Lippen, die sich schon zum Widerspruch oder zu einem Vorwurf geöffnet hatten. »Aber wenn du recht folgsam bist, komme ich vielleicht einmal auf ein Viertelstündchen wieder. Adieu, Fritzchen, adieu!«
Geschickt schmiegte sie sich durch den schmalen Türritz hindurch, allein jenseits der Schwelle wandte sie sich und warf noch einmal einen lachenden Blick zurück. Das Geschirr auf dem Tisch schien ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.
»Wie drollig sich deine Wirtschaft ausnimmt,« flüsterte sie hinein, hob jedoch sogleich den Finger warnend gegen den Mund, damit er sie nicht durch eine laute Antwort verriete, »wie schade, daß du mich nicht bewirten konntest! Warum kommt dir eigentlich niemals solch ein hübscher Einfall? Überhaupt, du verdienst die große Bevorzugung und auch die Gefahr nicht, der ich mich deinetwegen aussetze. Sst, – ganz still, Fritzchen, hier hast du noch eine Kußhand, so – und nun schlaf wohl, mein Schatz.«
Fritz Harder hatte seine karge Mahlzeit kaum berührt. Ruhelos schritt er in der engen Stube auf und nieder, und seine verzogene Stirn deutete darauf hin, wie sehr er sich bemühte, der widerstrebenden Gedanken Herr zu werden. Zweimal schon hatte er sich an den Flügel gesetzt, allein unter seinen geübten Händen waren nur ein paar mißtönende Dissonanzen aufgeschrillt. Und durch einen heftigen Schlag auf die Tasten wurde das regellose Spiel beendigt.
Nein, das ging nicht. Er mußte sich sammeln und Klarheit gewinnen. Ungeduldig riß er die Schublade des roten Fichtentischchens auf und warf ein blaues Heft auf die Platte. Dies war seine Arbeit, von der er sich einmal Erfolg versprochen. Jetzt blieben seine Augen wirr auf einer sauber gezeichneten Terrainkarte haften, und er versuchte sich zu besinnen, warum er mit roter und grüner Tinte verschiedene sich kreuzende Linien hineingemalt hatte.
Alles vergeblich. Der bohrende Gram, die innere Unzufriedenheit mit sich selbst, sie warfen sein Auffassungsvermögen um, sie schlugen den stärkeren Menschen in ihm nieder.
Nein, es war genug. Törichter Hochmut, sich für besser zu halten und würdiger als seine Kameraden sich gaben. Und dann – er lachte bitter auf, bedeckte sich mit der blauen Mütze, und nach ein paar Minuten schon klirrte sein metallener Säbel über das Trottoir der menschenleeren Rosenkranzgasse.
»Ah, Fritz Harder,« rief der lange Janick, als sein Freund das Spielzimmer des Kasinos betrat; und damit erhob sich der Oberleutnant, lebhaft winkend, von seinem Sitz, »kommen Sie, Beethoven, hier ist eine große Neuigkeit eingetroffen. Schieberamsch mit Pauken und Trommeln. Das müssen Sie lernen, Fritzchen, setzen Sie sich neben mich, so etwas Anregendes haben wir schon lange nicht erlebt. Prost, Musikante – prost.«
Dunkelheit senkte sich bereits über die Stadt. Aus dem Portal des Goldenen Bechers trat, dicht in einen schwarzen Hängemantel gehüllt, der bewegliche Kammerdiener des Konsuls Bark heraus,