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schlug Ratiz wieder auf den Tisch und sprach feierlich zu seinen Genossen, worauf der Alte erklärte: »Mein Herr ist zufrieden, daß du ihm bestätigt, was er schon weiß; es ist der Brief, den der große Herr der Franken an meinen Herrn geschrieben hat, ein Fürst dem anderen, daß er mißbillige und abtun wolle die Ungerechtigkeiten seiner Grenzgrafen und daß dein Herr meinem Herrn Freundschaft anbiete. Wir wußten, daß dies darin steht, und deshalb freuen wir uns deiner Worte.« So prahlte der schlaue Räuber, um seine Gesellen zu täuschen. Bevor Gottfried sich von seinem Staunen erholte, hob sich Ratiz, trat auf ihn zu, strich ihm an beide Wangen, als ob er ihn küßte, und forderte die Diener auf, einen Stuhl neben den seinen zu rücken, damit der Mönch sitze. »Dich grüßt mein Herr als den Gesandten deines Herrn und er bittet, daß du ihm die Botschaft von dem großen Herrn der Franken verkündest.«

      »Wenig habe ich zu sagen im Auftrage meines Herrn Winfried, des Bischofs, und dies Wenige ist vielleicht nur für das Ohr des Herrn Ratiz«, versetzte der Mönch vorsichtig.

      »Weise sprichst du, Herr Gottfried, Heimliches der Herren ist nicht für jedermanns Ohr; geruhe zu harren, bis die Zeit kommt.«

      Da der Alte dem Mönch einen Stuhl bot, trat Ingram an den Tisch, hob einen leeren Schemel, stellte ihn dröhnend auf den Boden nahe zu Ratiz und setzte sich ebenfalls. Schweigend ertrugen die Sorben diesen Eigenwillen, jetzt aber wandte sich Ratiz zu ihm und der Sprecher erklärte die stolzen Worte: »Mich wundert‘s, Ingraban, daß du kommst, dich an meinem Tische zu lagern, ungeladen und unbefreundet in meinem Volke. Tut dir ein Sessel not, weil die Wunden dich schmerzen, welche dir das Messer meiner Krieger gehauen hat?«

      »Geheilt sind die Ritze und niemand spricht mehr davon«, versetzte Ingram. »Die Leute rühmen nicht den Wirt, der den Fremdling zwingt, sich selbst den Schemel zu tragen.«

      »Lange warst du Feind meinem Volke, niemand weiß, was dich in unsere Halle führt, denn kein Herdenvieh treibst du, wie ich höre, welches die Sorben deinem Volke als Zahlung auferlegt haben.«

      »Vergebens mühst du dich, mich durch Worte zu kränken. Friede ist beschworen zwischen den Thüringen und deinem Volk, und friedlich komme ich, wie der Händler kommt zu Kauf und Tausch der Gefangenen, die du auf deinem letzten Zuge hergetrieben hast.«

      »Sendet dich der Mann, den sie Winfried, den Bischof nennen, und hast du dein Haupt in der Not gebeugt unter das Spiel ihrer Finger, wenn sie ein Kreuz machen?«

      »Ich habe dem Glauben meiner Väter nicht abgesagt, als Reisegenosse führte ich den Mann des fremden Bischofs zu dir.«

      Der Sorbe winkte seinen Gesellen, allen lag am Herzen, den Handel bald zu schließen, am liebsten durch Auslösung in das Frankenland; denn war der Raub zurückgekauft, dann hatten sie weniger um Haß und Rache der Franken zu sorgen. »Meinen Kriegern ist es nicht eilig, den Gewinn ihrer Jagd zu verkaufen, gefüllt ist das Lager mit Korn und Herdenvieh aus den Frankendörfern und leicht vermögen wir die Gefangenen zu nähren, bis die Händler aus dem Süden kommen.« Und zu Gottfried gewendet fuhr er fort: »Will der Bischof sich eine Gemeinde kaufen aus den Herden der Weiber und Kinder?«

      »Mein Vater erbittet von dir als Gunst, daß du mir gestattest, die Gefangenen zu sehen und die zu begrüßen, welche unseres Glaubens sind.«

      »Führt ihr mit euch, was Gefangene löst? Gering ist, so scheint es, euer Reisegepäck.«

      »Wir denken dir zu bieten, was Gefangene erledigt nach Brauch der Grenze«, versetzte Ingram. »Doch wer kauft, will vorher die Ware schauen, zeige uns, wenn es dir gefällt, die gefangene Schar.«

      Der Sorbe überlegte und sprach mit seinen Tischgesellen. Er wandte sich zu Gottfried: »Gern will ich deinem Herrn ein Zeichen geben, daß mir seine Botschaft wert ist. Ihr sollt Freiheit haben, die Gefangenen zu sehen. Geht, Fremdlinge, mein Alter wird euch begleiten.« Die Boten verneigten sich und verließen den Saal, sie hörten hinter sich Lärm und Gelächter der Bankgesellen.

      Vor der Tür wurde der Weißbart vertraulich, wie einer, der harten Zwanges entledigt ist, er nahm die Pelzmütze ab, verneigte sich tief und sprach überredend: »Wo die Raben jagen, findet auch die Krähe ihr Teil. Wenn es den Herren gelingt, Gefangene zu entledigen, so vertraue ich, sie werden auch dem Väterchen eine Spende reichen, denn mühselig ist mein Amt, in zwei Sprachen zu reden und gute Dienste vermag ich euch noch zu tun.« Gottfried sah unsicher auf seinen Begleiter. »So ist ihr Brauch«, sagte dieser. Er löste von seiner Jacke die silberne Spange, den einzigen Schmuck, den er trug. »Nimm dies, Vater, als Zeichen guten Willens. Und wenn Bubbo, der Bärenhändler, das nächste Mal euch aufsucht, dann sende ich dir ein Stück rotes Tuch aus dem Westland.« Der Alte hielt demütig die Hand hin. »Will Herr Ingram mir dies beteuern?« Und als Ingram zwei Finger auf den Knauf seines Schwertes legte: »Ich schwöre dir‘s«, lachte der Alte zufrieden: »Euer Wort, Herr, gilt an der Grenze wie Ware.« Sie schritten über den Hof; am Torhause rief der Alte einige lungernde Krieger an, welche sogleich herzusprangen und den Fremden auf dem Fuße folgten; aber der Alte, um seinen Diensteifer zu beweisen, trieb sie befehlend mehrere Schritte zurück.

      Vom Hügel stiegen sie hinab auf den Dorfplatz, dort stand am Teiche ein langes Haus wie eine Scheuer, der Beratungssaal der Gemeinde. Der Alte öffnete das niedrige Tor, und Ingram sprang voraus in den dämmrigen Raum. »Walburg!« rief er. Aus einer Ecke klangen zwei klägliche Stimmen: »Hier!« Überall rührte sich‘s auf dem Heu, womit der Boden belegt war. Zwei blonde Knaben umschlangen die Füße Ingrams und schluchzten laut. »Wo ist die Schwester?« fragte Ingram mit hohler Stimme. »Sie ist zum Ratiz hinweggeführt auf den Berg.« Die Zähne des Mannes knarrten wie eine Raspel, seine Faust ballte sich, und gleich darauf warf er sich neben den Kindern auf die Knie, umschlang sie und heiße Tränen rollten auf die kraushaarigen Köpfe der Weinenden. In der Mitte des Raumes aber tönten die feierlichen Worte: »Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, spricht der Herr.« Durch die geöffnete Tür fielen die Lichtstrahlen auf das milde Antlitz des Jünglings, welches in Mitgefühl und Begeisterung wie das eines Engels strahlte.

      Die Frauen und Kinder, welche unter dem Kreuzeszeichen lebten, drängten sich um ihn, manche fielen jammernd vor seine Füße auf das Angesicht, andere hoben die kleinen Kinder in die Höhe, daß er sie segne. Auch die Heidenfrauen hörten seine Worte mit gesenktem Haupt und falteten die Hände. Er aber sprach die heiligen Worte der Verkündigung und betete mit lauter Stimme, es ward still im Raum und man hörte daneben nur Seufzen der Frauen und leises Weinen der Kinder. Dann trat er grüßend zu den einzelnen, segnete jede Mutter mit dem Christensegen und sprach ihr leise die Bitten vor, welche ihr zumeist am Herzen lagen. Bis der Alte kam und mit abgezogener Mütze dringend bat: »Gefällt dir‘s, Herr, so folge mir, damit Herr Ratiz uns nicht zürne.« Gottfried trat zu Ingram und rührte ihm leise die Schulter. »Wo ist das Weib, welches du suchst?«

      »In den Hütten des Räubers«, war die klanglose Antwort.

      »So laß uns gehen, daß auch ihr der Gruß meines Gottes werde.«

      Mit Anstrengung erhob sich Ingram und schüttelte die weinenden Knaben ab. Gottfried führte diese zu einem Christenweib, das allein kniete, und sagte ihr: »Was du ihnen tust, tust du dem Herrn, sorge für ihr Wohl.« Als er sich aber zum Ausgang wandte, drängte sich der verzweifelte Haufe um ihn, sie streckten die Arme nach ihm aus, faßten krampfhaft sein Kleid und wollten ihn festhalten. Und es half wenig, daß der Alte die Armen anherrschte und durch die Peitsche zurücktrieb.

      Mit schnellem Schritt eilten die Männer den Hügel hinauf. »Ich muß das Christenmädchen im Hofe des Ratiz sprechen«, begann Gottfried, und da der Alte das Haupt schüttelte: »Hindere mich nicht, Vater, mir ist‘s befohlen.«

      »Ich wage den Zorn meines Herrn«, wandte der weißbärtige Sorbe ein. »Ich will deinen Lohn verdoppeln«, rief Ingram rauh. »Meinst du, wir werden dir das Weib aus der Hütte stehlen?« Der Alte lächelte und nickte und führte sie den Rand des Hügels entlang, wo im Schutze des Walles eine Anzahl niedriger Strohhäuser stand. »Zwanzig Frauen hat Herr Ratiz und bei einer haust das fremde Weib, wohl möglich, daß er ihr in kurzem eine neue Hütte baut, wenn sie ihm nicht verleidet wird.« Ingram stieß die Tür auf, aber sein Fuß zauderte einzutreten. »Geh voran«, raunte er dem Mönch zu. Aber aus dem Gemach rief eine tiefe Frauenstimme: »Ingram«, ein junges Weib schritt bei

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