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Die Ahnen. Gustav Freytag
Читать онлайн.Название Die Ahnen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gustav Freytag
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Viel Ungehöriges mischt deine Rede, Wolfram,« versetzte der Mönch, »der Christengott spendet nicht Blätter und Nüsse, und er gibt kein Angebinde, welches das Glück im Hause des Menschen erhält.«
»Dennoch gibt es solchen Schutz auf Erden,« sagte Ingram, »ich kenne einen Mann, dem eine Gabe für sein Geschlecht verliehen wurde von den Schicksalsfrauen; ich kenne die Stelle, wo sie verborgen liegt, und ich weiß, daß sie ihren Segen bewährt hat durch viele Geschlechter.«
»O traue nicht auf den Zauber«, mahnte Gottfried eifrig. »Täuschend ist jede Gabe des Unholden. Hochmütig macht sie den Mann und maßlos, bis der Tag kommt, wo sein Hoffen sich ganz eitel erweist, und der Herr ihn demütigt in seinem Stolz.«
Ingram lächelte. »Jeder berge, was ihn mutig macht, in stillem Herzen. Beide wollen wir als gute Gefährten nicht forschen, wo der andere seinen Schatz bewahrt. – Der Tau fällt früh, und morgen reiten wir auf wilden Wegen, nimm hier die Decke und verhülle die Glieder, daß sie dir nicht steif werden in der Nachtluft der Berge. Wecke mich, Wolfram, nach Mitternacht.«
Am nächsten Nachmittag sahen die Reiter baumloses Land vor sich. Die Stämme waren erst vor kurzem gefällt und an dem Rand des Waldes als Verhau geschichtet, denn noch standen die Stümpfe auf grünem Boden, jeder von jungem Aufschuß und wilden Stauden umgeben, und überall auf dem Grunde erhoben sich die niedrigen Büsche. Als die Reisenden einer nach dem anderen durch eine schmale Lücke des Verhaues gedrungen waren, erkannten sie vor sich mehrere Reiter, welche zuerst das Lärmzeichen anbrannten, daß eine hohe Rauchwolke emporstieg, und dann von niedriger Anhöhe schreiend und die Waffen schwenkend auf sie zukamen, Männer in langem Graurock von Hanf gewebt und mit Pelz besetzt, obgleich es Sommerzeit war, eine dicke Pelzkappe auf dem Haupt, mit Keule und Hornbogen bewaffnet; kleine, behende Leiber, breite Gesichter mit großen Schnauzbärten und braunem schlichten Haar, wild drohten und riefen sie. Wolfram ritt vor und gab in ihrer Sprache Bescheid. »Aus Thüringen sind wir, in Frieden kommen wir, Ingram der Held und ich sein Mann, und der dritte ist Gottfried, ein Bote des Herrn Winfried.«
Die Reiter fuhren untereinander und redeten mit heftigen Gebärden, bis einer, der einen Bund Adlerfedern an der Pelzmütze trug – es war Slavnik, die Nachtigall genannt, weil er bei den Trinkgelagen des Ratiz vorsang —, zu Ingram ritt und diesen in der Sorbensprache höflich begrüßte. Als der Thüring ihm in derselben Weise auf den Gruß antwortete, neigte der Sorbe sich noch freundlicher und redete so hoch und weich wie ein Mädchen; was der Knecht erklärte: er freue sich sehr, aber die Reisenden müßten auf ihr Geleit warten nach Grenzbrauch. So hielten sie und die Sorben schlossen hinter ihnen den Verhau.
»Gleich den Kindern sind sie,« rief Ingram, »und wie ein Kinderspiel ist ihr Wall, leicht setzt ein Roß darüber.« Aber der Sorbe hatte ihn doch verstanden und antwortete in deutscher Sprache, nur ungelenk: »Ich aber weiß einen Tag, wo der Rabe aus dem Land der Thüringe nicht über den Zaun flog, den das Eisen der Sorben um ihn schloß.«
»Du hast recht,« antwortete Ingram lachend, »ich fiel in den Zaun und die Dornen ritzten den Leib.« Und beide Männer grüßten einander mit der Hand. So harrten die Reisenden wohl eine Stunde, da kam es von der Höhe wie eine dunkle Wolke, ein größerer Hauf Reiter wirbelte durcheinander, kleine und feurige Rosse, auf denen die Krieger mit hohem Knie saßen. Von allen Seiten drehten sie sich um die Fremden, die Nachtigall gab ein Zeichen, und vorwärts ging es auf dem kurzen Rasen in hellem Haufen, die Fremden in der Mitte. Vor ihnen breitete sich ein weites Tal, mit einzelnen alten Bäumen besetzt, unter denen die Sorbenkrieger und ihre Pferde im Sommer den Schatten suchten; im Tale war ein Ringwall aus Erde und Rasen errichtet, darin das runde Dorf mit Strohhütten, deren Dächer fast an die Erde reichten, wie das Lager eines Heerhaufens lag es da. Ganz in der Mitte des Dorfes erhob sich ein rundlicher Hügel, wieder mit einem Ringwall bekrönt, welcher die Halle des Ratiz und die Hütten seines Hofes umschloß. Auf langer Stange ragte sein Banner und wehte den Fremden zu. Mit heißen Wangen rief Ingram zu Gottfried: »Bei meinem Haupt, wenn ich nicht unversehrt hinausführe die, welche wir suchen, so will ich nicht rasten und ruhen, bis ich brennendes Werg an meinem Pfeil sehe und bis der Pfeil haftet an diesem Mausenest.«
»Zürne nicht in dieser Stunde, mein Reisegesell, sondern flehe, daß der Herr uns gnädig sei.«
Das Dorftor wurde geöffnet, die Reiter stoben durch die Lagergasse und über den runden Platz am Fuß des Hügels. Dort kauerte am Dorfteich ein Haufe halbnackter Weiber und Kinder, bleich die Gesichter und verworren das Haar. Ingram spornte sein Roß und fuhr aus dem Trupp auf das Wasser zu, aber die Sorbenreiter verlegten ihm mit zorniger Miene den Weg und faßten die Waffen.
»Bedenke, Herr, wer die Ware ergreift, bevor er sie gekauft, zahlt teuren Preis«, warnte Wolfram leise. Und weiter ging es in schnellem Roßlauf den Hügel hinan. Wieder wurde der Balken eines Tors zurückgeschoben, die Rosse stampften in dem weiten Hofraum, die Fremden wurden zur Halle vor das Angesicht des Ratiz geführt.
Inmitten seiner Vertrauten saß der Slawe auf einem Stuhl mit hoher Lehne und Seitenarmen wie ein Fürst, auf Schemeln um ihn her am Tisch die Führer seiner Haufen, wilde Gesichter darunter mit großen Narben. Der Häuptling war ein starker Krieger, vierschrötig und mit kurzem Hals saß er da, in dem breiten Gesicht standen die Augen schräg, dünn und grannig war der Bart. Die Fremden neigten sich, Ratiz aber blieb mit seinem Gefolge sitzen und bewegte unmerklich das Haupt.
»Frage einer den Kater,« rief Ingram zornig, »ob es Brauch seines Stammes ist, Fremde so zu begrüßen.«
Der Sorbe winkte einem Mann mit langem weißem Bart, der in der Reihe saß, dieser trat an die Fremden und begann in deutscher Sprache: »Mein Herr, Ratiz, grüßt die machtvollen Herren, und er tut ihnen diese Frage. Ihm ist berichtet, daß einer von ihnen weit herkommt aus dem Lande, wo der große Herr der Franken auf dem Goldstuhl sitzt; ist einer aus diesem Lande gesendet, der nenne sich.« Der Mönch antwortete: »Ich bin es, Gottfried, der Bote Winfrieds, des Bischofs.«
Befremdet sahen die Slawen auf den Jüngling in schmucklosem Gewande; mit gefurchter Stirn redete Ratiz zu seinem Sprecher, und dieser erklärte: »Meinem Herrn deucht, wenig Achtung bezeigen ihm die Gewaltigen der Franken, daß sie ihm einen Boten senden, der so jung ist und in so ärmlichem Kleide wandelt.«
»Ich bin ein Christ und dem großen Gott des Himmels verlobt, Sünde ist mir ein anderes Gewand an meinem Leibe zu tragen als dies härene Kleid. Ich komme, obgleich ich jung bin, weil mein Herr mir vertraut.«
Wieder sprach der Slawe heftig zu einem seiner Genossen, dieser verschwand aus dem Saal. »Mein Herr fragt dich,« fuhr der Sprecher fort, »ob du einer von den Weisen bist, welche das Geheimnis besitzen, von Tierhaut die Gedanken der Männer zu erkennen, und ob du von denen bist, welche die fremde Sprache verstehen, die sie Latein nennen.«
»So ist es«, erwiderte Gottfried.
Auf die Deutung des Sprechers wich der Groll in dem Gesicht des Sorben einem großen Erstaunen. Der Bote kam zurück und brachte ein zerdrücktes und gebräuntes Pergament. »Meinem Herrn Ratiz wird es schwer zu glauben, daß ein Jüngling wie du so großer Dinge mächtig sei, er wünscht, daß du ihm eine Probe ablegst von deiner Kunst und den Männern die Gedanken verkündest, welche für den Kundigen auf dieser Haut zu erkennen sind.« Gottfried entfaltete das Pergament. »Zuerst sage uns, warum uns undeutlich ist, was darauf verzeichnet ist.«
»Es ist Latein,« versetzte Gottfried, »und man muß es lesen können.«
Ratiz schlug mit der Hand auf den Tisch und nickte zur Bestätigung stark mit dem Haupte. »Du hast das Richtige gesagt,« wiederholte der Mann, »wenn es dir gefällt, so verkünde uns das Latein.«
Gottfried überblickte das Blatt, es war