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denn einer der Wilden bemühte sich mit dem lächerlichsten Ausdruck, den ihm beigelegten Titel »Flegel« zu wiederholen, doch bemerkte ich zu meinem Leidwesen, daß ihm nur der fremdartige Laut des Wortes besonders gefallen habe und er denselben seinem Gedächtnis einzuprägen suchte. Ich verwünschte den Fluß, die Prärie und alle Indianer und blickte in meiner Ratlosigkeit zum Wagen hinüber.

      Plötzlich fesselte ein Reiter, der sich auf den Höhen des jenseitigen Ufers zeigte, meine Aufmerksamkeit; bald tauchten noch mehrere hinter den Hügeln auf und endlich zu meiner unaussprechlichen Freude auch ein mit sechs Maultieren bespannter Wagen, den ich sogleich für die von Fort Laramie zurückkehrende Post der Vereinigten Staaten erkannte. Wie durch einen elektrischen Schlag verschwand jetzt meine Niedergeschlagenheit, und nie sah ich einen mutigeren Menschen als mich selbst, da ich die Hilfe der Weißen so nahe wußte. Ich sprang zu dem Zelt hin, riß den Vorhang auf und gab den Wilden durch unzweideutige Zeichen zu verstehen, daß sie jetzt mein Haus räumen sollten. Als sie nicht sogleich Folge leisteten, hielt ich ihnen mit lauter und gewiß recht kriegerischer Stimme eine Rede in deutscher Sprache, deren Inhalt ungefähr folgender war: »Wenn ihr rohes Gesindel nicht augenblicklich an die freie Luft kommt, so haue ich die Stützen des Zelts um und begrabe euch unter seinen brennenden Trümmern!«

      Wenn die Wilden auch meine Worte nicht verstanden, so errieten sie doch den Sinn meines geschwungenen Beils, mehr aber wohl noch, daß irgend etwas Ungewöhnliches im Anzug sein müsse, was mich plötzlich so mutig gemacht habe, denn einer nach dem anderen wühlten sich die ungebetenen Gäste aus dem rauchigen Raum hervor. Das war meine erste Heldentat unter den Indianern; stolz blickte ich auf die wilde Bande, die sich gehorsam vor meinem Willen beugte, und wie so mancher Held des Tages dachte ich: »Wenn doch nur ein tüchtiger Künstler hier wäre, der mich in dieser Stellung malen könnte«; im geheimen aber wünschte ich mich von ganzem Herzen zurück zu den Fleischtöpfen östlich vom Missouri.

      Als die Indianer die kleine Karawane der Weißen erblickten, eilten sie zu ihren Pferden, um durch Herausschaffen des versandeten Wagens den versprochenen Lohn zu verdienen, ich schlug indessen ihre Hilfe aus, und dieselbe Antwort wurde ihnen vom Herzog zuteil, als sie zu ihm hinritten und ihre Dienste anboten. Die Post nebst den Reitern gelangte unterdessen mit geringer Mühe durch den Fluß; der Fuhrmann, die ihm vom Herzog zugesagte Belohnung im Auge, ritt mit vieren von seinen Mauleseln zurück, spannte dieselben vor unseren Wagen, und bald darauf lagerten wir uns mit den neuen Ankömmlingen zum gemeinschaftlichen Frühstück um ein tüchtiges Feuer.

      Die Indianer waren durch die Ankunft der Fremden um vieles bescheidener geworden und hielten sich etwas entfernt von uns; wir sorgten aber auch dafür, daß wir mit der Post, die nur einige Stunden rastete, zugleich aufbrachen.

      Der Weg war fest und eben, und in raschem Trab eilten die Pferde mit ihrer Last dahin. Nach kurzer Zeit hatten wir die Wilden aus den Augen verloren, bald darauf aber auch die Post, die um vieles schneller reiste als wir, und als es dunkelte und wir an der Straße unser einsames Lager aufschlugen, umgaben uns auf viele Meilen im Umkreis nur noch Scharen von hungrigen Wölfen und kleine verspätete Büffelherden.«

      Achtes Kapitel

      Ankunft der Post — Depeschen für Lieutenant Ives — Weihnachten — Zahlreiche Wölfe — Vergiften derselben — Aufbruch des Dampfbootes »Jessup« nach dem oberen Colorado — Ankunft des Lieutenant Ives — Neues Organisieren der Expedition — Peacocks Ritt nach San Franzisko — Beschreibung der Strecke des Flusses zwischen Fort Yuma und dem Golf von Kalifornien — Das Dampfboot »Explorer« — Mr. Carrol — Mr. Robinson — Die letzte Nacht in Fort Yuma — Aufbruch der Expedition — Die beiden Dolmetscher — Charakter des Stroms — Zweites Lager auf dem Ufer — Kapitän Robinsons Erzählung

      Infolge einer Aufforderung von Lieutenant Ives, der an der Mündung des Flusses bei seinen Beobachtungen noch einiger Hilfeleistungen bedurfte, begaben sich Bielawski und Booker nebst zwei Dienern am Tag unserer Ankunft in Fort Yuma in einem Ruderboot stromabwärts zu dem bezeichneten Punkt. Es war also von dieser Abteilung nur noch Dr. Newberry zurückgeblieben, der sich infolge einer sorgsamen Pflege sehr bald wieder erholte. Wir brachten zuweilen einen Abend im Fort zu, die Offiziere der Besatzung besuchten uns im Lager, und wir erfreuten uns auf diese Weise eines geselligen Verkehrs, so gut ihn die Gegend eben zu bieten hatte.

      Die Ankunft der Post auf den abgesonderten Militärstationen wird immer als ein großes Ereignis betrachtet und nicht geringe Aufregung dadurch hervorgerufen. Zivilpersonen, Offiziere und Gemeine drängen sich nach der Stelle hin, wo Briefe und Zeitungen ausgeteilt werden, und selbst diejenigen, die nichts an ihre eigene Adresse erwarten oder auch zufällig leer ausgehen, finden dort Gelegenheit, ihre Neugierde zu befriedigen, indem der eine oder der andere, den das Glück mit einer größeren Anzahl von Zeitungen bedacht hat, immer gern bereit ist, von seinen Schätzen mitzuteilen. Nachdem die Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und den Mormonen zum offenen Ausbruch gekommen waren, wurden die Posten mit um soviel größerer Sehnsucht erwartet, denn noch über die Neuigkeiten aus der Heimat, sogar von der eigenen Familie, schienen die Berichte vom Kriegsschauplatz fast allgemein vom »Jungen Amerika« gestellt zu werden.

      Wer nie durch Tausende von Meilen vom heimatlichen Boden getrennt war und sich dabei in einer Lage befand, daß er trotz der Regelmäßigkeit der Postverbindung über den ganzen Erdball die Ankunft eines Briefes als ein besonderes Glück ansehen mußte, der kann sich kaum eine Vorstellung von dem Gefühl machen, dem man anheimfällt, wenn man durch liebe, bekannte Schriftzüge, durch aufrichtige, herzliche Worte an die unzerreißbaren Bande erinnert wird, mit denen die Vorsehung den Menschen an die kleine Scholle Landes fesselte, die er in frühester Jugend als seine einzige große Welt zu betrachten gewohnt war. In dem Maße nun, wie ein vorwärtsstrebender Geist allmählich die Überzeugung gewinnt, daß für den mit eisernem Willen ausgerüsteten Menschen kein Teil der Erde unerreichbar bleibt, in dem Maße wächst auch die Liebe zu einer glücklichen, stillen Heimat, und diese Liebe wird zur sorgsamen Führerin in fremden Ländern auf unwegsamen Pfaden. An einer einsamen Stelle, wo man gegen jede Störung gesichert ist, liest man die Briefe, die durch ihren Verfasser und durch ihren Inhalt von unbezahlbarem Wert geworden sind; man vergißt, daß schon wieder Monate seit ihrer Absendung verflossen sind, und in solchen Augenblicken werden vergangene Zeiten zur frohen, oft aber auch zur wehmütigen Gegenwart. Die Briefe, die ich in Fort Yuma erhielt, waren reich an freudigen Nachrichten, doch auch nicht frei von solchen, die tiefen Schmerz verursachten; mein treuer, väterlicher Freund und Wohltäter, der Geheimrat Lichtenstein in Berlin, war gestorben; er, der mit soviel Teilnahme mir im Geist auf meinen Reisen folgte; er, der sich zu meiner glücklichen Heimkehr ebenfalls gefreut haben würde, lebte nicht mehr. Schon seit Monaten war er tot, doch an seinem Grab hätte ich ihn nicht tiefer betrauern können als unter den dichten Weiden auf dem Ufer des Colorado.

      Kurz vor Weihnachten und um die Weihnachtszeit herum bot das Lesezimmer auf Fort Yuma, wie immer gleich nach der Ankunft einer Post, einen ungewöhnlichen Anblick durch die in diesem fortwährend versammelte Gesellschaft, die sich in die zwei Monate alten Tagesneuigkeiten vertieft hatte. Man hörte nichts als das Knittern der riesenhaften amerikanischen Zeitungsblätter, zuweilen einen Ausruf der Verwunderung, dem alsdann gewöhnlich die Vorlesung eines wichtigen Artikels folgte. Zum Beispiel:

      »Der Vereinigte-Staaten-General Johnson steht mit fünfzehnhundert Mann in der Nähe des Salzsees; Gouverneur Young von den Mormonen hat den General aufgefordert, sich zurückzuziehen, widrigenfalls er ihn mit seiner ganzen Macht angreifen würde.« — »Ein Train von sechsundachtzig Wagen, die mit Provisionen für den General Johnson beladen waren, ist von den Mormonen abgeschnitten und verbrannt worden.« — »Die Mormonen beabsichtigen eine starke Heeresabteilung den Colorado hinunterzuschicken, um eine Verbindung mit dem Staat Sonora offen zu erhalten.« — »Es wird angenommen, daß die Mormonen, im Falle sie vom Utah-See vertrieben werden, sich nach Sonora zurückziehen werden.«

      Dieser Art waren die Nachrichten, die uns alle so sehr interessierten, und vorzugsweise deshalb, weil wir nicht wissen konnten, inwieweit dieselben Glauben verdienten. Ich kann es nicht leugnen, daß wir an dem wirklichen Aufbruch unserer Expedition, oder wenigstens an der glücklichen Beendigung derselben, zu zweifeln begannen, und dies noch um so mehr, als mit derselben Post wichtige Depeschen von der Regierung

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