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daß Andere auch eine andere Meinung über die Sache hätten, so aber waren, wunderbarer Weise, Alle gerade in dieser Sache einig, und ich fing in der That schon an zu glauben ich hätte irgend ein wahnsinniges Unternehmen vor, von dem ich doch am Ende, wenn ich mir nicht muthwillig wollte den Hals abschneiden lassen, abstehen mußte.

      Der amerikanische Consul, ein Mr. J. Graham von Ohio, der mir überhaupt mit wirklicher Zeitaufopferung die größten Gefälligkeiten erwies, gab sich selber alle Mühe etwas Gewisses oder vielmehr Tröstlicheres über die Reise zu erfahren, denn ich hatte ihm gesagt ich verlange weiter nichts, als nur einen Menschen in der ganzen Stadt zu finden der mir zugestehe daß die Tour eben möglich wäre. Endlich trieben wir einen alten Spanier – ich habe seinen Namen vergessen – auf, der längere Zeit in Mendoza selber gewohnt hatte, und dieser, der auf die erste Anfrage hin ebenfalls nein antwortete, meinte endlich achselzuckend, möglich sey es allerdings, aber ich müßte viel Glück haben.

      Viel Glück hatt’ ich, also war die Sache abgemacht.

      Damit im Reinen, schien es, als ob mir ein ordentlicher Stein vom Herzen gefallen wäre, und ich konnte mich nun in voller Ruhe all den fremden wunderlichen Eindrücken hingeben, die diese fremde und wunderliche Umgebung auf mich machte. Was ich jetzt auch noch gegen die Reise selber hörte, betrachtete ich vom richtigen Gesichtspunkt aus und ließ die Leute eben reden.

      Vor allen Dingen beschäftigte ich mich nun damit, meine kurze Zeit in Buenos Ayres auch so gut als möglich anzuwenden, und so viel ich konnte über die Verhältnisse der Deutschen dort, oder überhaupt der Fremden, in Bezug der Auswanderung zu hören. Im Auftrag hierzu von unserem früheren deutschen Reichsministerium (wenn die Deutschen doch wenigstens nie vergessen wollten, daß sie einmal ein Reichs ministerium hatten) suchte ich auch direkt vom Präsidenten der Republik zu erfahren, in wie weit er deutsche Einwanderung begünstigen würde, und machte mehre kleine Streifzüge in die nächste Nähe der Stadt, die dortigen Estancias und Anpflanzungen selber zu sehen, wie etwas Näheres über ihre Bearbeitung und ihren Fortgang zu hören.

      Ehe ich jedoch dazu übergehe, will ich mich in ein paar Worten noch mit der Stadt selber beschäftigen.

      Buenos Ayres ist eine längs dem Fluß in regelmäßigen Blöcken und breiten Straßen vortrefflich ausgelegte Stadt, die einen sehr bedeutenden Flächenraum einnimmt, und eine doppelt so große Zahl von Einwohnern in sich fassen könnte, wäre nicht die weitläufige spanische Bauart mit den niederen Gebäuden und luftigen Hofräumen, mehr auf das warme Klima als darauf berechnet, eine Masse von Seelen oder vielmehr Körpern, in einen möglichst kleinen Raum zusammen zu drängen.

      Die Tracht der Einwohner ist eine wunderliche Mischung von Französisch, Spanisch und Indianisch – die gebildetere Klasse wie die Fremden tragen die französische Tracht – Frack, Oberrock, lange Beinkleider und schwarzen Hut, die Argentiner nur eben mit dem patriotischen Zusatz der rothen Weste und dem rothen Hutband, dennoch aber, und besonders beim Reiten, auch dem des Poncho. Da ich diesen Poncho aber, bei einem längeren Aufenthalt in Südamerika, wohl ziemlich häufig erwähnen werde, ist es vielleicht besser ihn hier gleich so kurz, aber auch so genau als möglich, zu beschreiben.

      Der Poncho ist, aus den verschiedenartigsten Stoffen – von der feinsten Weberei nieder bis zu der gewöhnlichsten wollenen Decke hinunter verfertigt, ein länglich viereckiges Stück Zeug, mit einem Schlitz in der Mitte, gerade groß genug, den Kopf hindurch zu lassen. Er hängt in Falten über die Schultern hinunter, wird aber beim Reiten, besonders wenn der Reitende seinen Lasso zum Gebrauch fertig hält, auf der rechten Schulter in die Höhe genommen und fest geknöpft, den rechten Arm frei zu lassen.

      Der Gaucho und Peon oder Diener, selbst die meisten Abtheilungen der Soldaten, wenigstens die ganze Cavallerie tragen diesen Poncho, und darunter, statt der Hosen die sogenannte cheripa, ein dem Poncho ähnliches Stück Tuch, das hinten am Gürtel befestigt ist, und zwischen den Knieen durch, vorn zum Gürtel heraufgezogen und dort eingesteckt wird.

      Die Füße der unteren Klassen, natürlich nur die der Männer, stecken in Stücken ungegerbter Haut, die sie den Beinen junger Pferde und Rinder nur eben abgestreift haben, sie auf die eigenen Füße zu ziehen. Die Haare werden mit ihren scharfen Messern herunterrasirt und das Fell dann durch Oel geschmeidig erhalten.

      Die Tracht der Frauen ist meist spanisch, wenigstens gibt ihnen die Mantille ein solches Aussehen, obgleich die Damen der argentinischen Residenz, selbst den Französinnen nicht in geschmackvoller Toilette nachstehen würden.

      Merkwürdig für den Fremden, und für mich besonders ungemein interessant, ist das Leben und Treiben in den Straßen selber. Die wilden Gestalten der Gauchos mit ihren flatternden Ponchos und Kopftüchern – die großen unbehülflichen Wägen, die, von Ochsen gezogen, mit ihren zwei riesigen, oft zehn Fuß hohen Riemen umwickelten Rädern durch die Stadt rollen – die Gauchojungen, die Morgens mit ihren zwei Milchblechen auf dem Pferd, das eine nackte Bein herunterhängend, das andere auf den Sattel gezogen, zu Markt kommen – die zerlumpten Soldaten, die vor den öffentlichen Gebäuden Wache stehen – die vorherrschend grell rothe Farbe der ganzen Bevölkerung – die langen, freilich verbotenen Messer in den Gürteln – die niederen Häuser dabei und vergitterten Fenster, das Alles glitt mir oft wie die wunderlichen Bilder einer Laterna magica vor den Augen vorüber und ich freute mich dann wohl im Stillen, daß ich da wirklich mitten drin sitze in all dem Schaffen und Treiben, und jetzt so recht hineinstürmen dürfe in das freie fröhliche Leben.

      Was nun die Vergnügungen der Stadt betrifft, so bin ich freilich nicht im Stande viel darüber zu sagen – meine Zeit war mir dort viel zu knapp zugemessen, mich diesem überlassen zu dürfen, und nur einer Beschreibung nach, kann man in solche eben nicht genug eingeweiht werden, dem Leser wieder einen deutlichen Begriff zurückgeben zu können. Das wenige, was ich aber darüber weiß, soll ihm nicht vorenthalten bleiben.

      Buenos Ayres hat zwei, und wie es heißt, sehr gut besuchte Theater, das eine – das Victoriatheater, soll eine recht tüchtige Oper besitzen, das andere bringt Schauspiele, verschmäht es aber auch nicht, Taschenspieler und Seiltänzer in seine Räume und den Kreis seiner Wirksamkeit aufzunehmen.

      Aber selbst im Theater entgehen die Argentiner nicht der Devise, bei der es nur fehlt, daß sie die Bäcker auch noch mit auf die einzelnen Brödchen drucken müßten. – Viva la confederacion Argentina etc.

      Vor jedem Stück nämlich Oper, Schau- oder Lustspiel, mag es nun in Amerika, Asien oder Europa spielen, muß der Vorhang, ehe es selber beginnt, aufgezogen werden – dann stehen sämmtliche Spielende auf der Bühne, die Hauptpersonen voran, der Chor hinter ihnen (sämmtlich im Costüm) und die ersteren rufen nun mit lauter Stimme:

      Hauptpersonen: Viva la confederacion Argentina – worauf der Chor einfällt,

      Chor: Viva

      Hauptpersonen: Mueran los salvajes Unitarios!

      Chor: Mueran.

      Dann fällt der Vorhang, es entsteht eine kleine Pause, und das Stück kann nun, nachdem das Publikum recht in den Geist desselben hineinversetzt ist, beginnen.Etwas Aehnliches habe ich übrigens auch später einmal in Sidney gesehen, wo die englischen Schauspieler bei einer besonders feierlichen Gelegenheit ebenfalls nach Art der Argentiner vor dem Anfang des Stückes und in vollem Costüm in Masse heraustraten und ihr God save the queen sangen. Besonders rührend machte sich dieß, da in diesen loyalen Wunsch selbst ein Chor von »Seeräubern« (in Balfe’s Oper the enchantress) mit einstimmten.

      Buenos Ayres erfreut sich auch neben diesen Theatern oder erfreute sich wenigstens damals, eines Puppen- oder Marionettenspiels – mit derselben entsetzlichen Devise über dem grob gemalten Vorhang und derselben Verpflichtung gegen das Gesetz, nach der selbst die Marionetten vor dem Beginn »aufgetreten werden müssen« und ihre Leiter hinter den Coulissen mit lauter Stimme rufen – Viva la confederacion – mueran los salvajes Unitarios.

      Es existirt in der Stadt ein Leseclub, der auch deutsche, französische, englische und portugiesische Zeitungen hält. In Buenos Ayres selber erscheinen vier Zeitungen, drei spanische und eine englische – »The British Packet« – aber unter diesen kein einziges eigentliches

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