ТОП просматриваемых книг сайта:
Anna Karenina, 2. Band. Лев Толстой
Читать онлайн.Название Anna Karenina, 2. Band
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Лев Толстой
Издательство Public Domain
Ihm schien, daß bei einer normalen Entwickelung des Wohlstandes im Reiche, alle diese Erscheinungen erst auftreten, nachdem man auf die Landwirtschaft schon bedeutende Mühe verwendet hätte und dieselbe in gesetzliche, oder wenigstens bestimmte Verhältnisse getreten sei; daß der Reichtum einer Gegend in gleichmäßigem Wachstum stehen müsse, und insbesondere in der Weise, daß andere Schößlinge der Kapitalwirtschaft nicht der Landwirtschaft zuvorkommen dürften, daß im Einklang mit notorisch bekannten Verhältnissen der Landwirtschaft auch dementsprechende Verkehrswege dafür vorhanden sein müßten; und daß bei der gegenwärtigen ungeregelten Ausnutzung des Bodens die Eisenbahnen, welche nicht einem landwirtschaftlichen, sondern einem politischen Bedürfnis entsprängen, verfrüht wären, und, anstatt zu der Hebung der Landwirtschaft, welche letztere man doch von ihnen erwarte beizutragen, dem Landbau zuvorkommend, nur eine Entwickelung der Industrie und des Kredits hervorriefen, jenen aber hemmten. Er bewies, daß weil nun die einseitige und verfrühte Entwickelung eines einzelnen Organs im lebenden Organismus dessen Gesamtentwickelung hemmte, auch der Kredit auf die allgemeine Entwickelung des Wohlstandes in Rußland, die Verkehrswege, den Kraftaufwand der industriellen Thätigkeit, die in Europa so zweifellos notwendig, weil alle zur rechten Zeit entstanden seien, in Rußland nur Schaden verursachten, indem sie die Hauptfrage der Organisierung des Ackerbaues verdrängten.
Während er so seine Ideen niederschrieb, dachte sie daran, wie unnatürlich aufmerksam ihr Gatte gegen den jungen Fürsten Tscharskiy gewesen sei, der ihr am Abend vor der Abreise sehr taktlos die Cour gemacht hatte.
„Er ist offenbar eifersüchtig,“ dachte sie; „mein Gott, wie gut und befangen er ist! Er ist eifersüchtig auf mich! Wenn er wüßte, daß alle für mich soviel sind, wie Peter der Koch.“ Und mit einer ihr selbst wunderlichen Empfindung von Selbstgefühl blickte sie auf seinen Nacken und den rotschimmernden Hals. „Es ist zwar schade, ihn seiner Arbeit zu entreißen – er macht Fortschritte – so muß ich doch sein Gesicht sehen; ob er wohl fühlt, daß ich nach ihm schaue? Ich will, daß er sich umwendet! Ich will es, nun!“ und sie öffnete die Augen weiter, im Wunsche, damit die Wirkung ihres Blickes zu verstärken.
„Ja, sie saugen alle Säfte in sich auf und geben einen falschen Glanz,“ murmelte er, mit Schreiben innehaltend, und blickte sich um, indem er fühlte, daß sie auf ihn schaue, und lächelte.
„Was ist?“ frug er noch lächelnd, und erhob sich.
„Er hat sich umgeblickt,“ dachte sie.
„Nichts. Ich wollte nur, daß du dich umschautest,“ versetzte sie, ihn anblickend und zu erraten suchend, ob es ihm unangenehm gewesen sei oder nicht, daß sie ihn gestört habe.
„Wie wohl wir uns doch so zu Zweien befinden! Ich wenigstens,“ sagte er, zu ihr hintretend und von einem Lächeln des Glückes strahlend.
„Auch mir ist so wohl! Ich werde nirgends mehr hinfahren, namentlich nicht nach Moskau.“
„Woran dachtest du denn eigentlich?“
„Ich? Ich habe gedacht – nein, nein, geh nur, schreib, zerstreue dich nicht,“ sprach sie, die Lippen kräuselnd, „ich muß jetzt diese kleinen Löcher hier ausschneiden, siehst du?“ —
Sie ergriff die Schere und begann auszuschneiden.
„Ach nein, sage mir doch, woran dachtest du?“ sagte er, sich zu ihr setzend und der kreisförmigen Bewegung der kleinen Schere folgend.
„O, woran ich dachte? Ich dachte? An Moskau, an deinen Nacken.“
„O, warum mir solch ein Glück? Es ist übernatürlich. Das ist zu schön,“ sagte er, ihr die Hand küssend.
„Mir ist es im Gegenteil um so schöner, je natürlicher es ist.“
„Du hast da ein Zöpfchen,“ sagte er, behutsam ihren Kopf wendend. „Ein Zöpfchen. Siehst du hier. Doch nein, nein, arbeiten wir!“
Die Arbeit wurde indessen nicht mehr fortgesetzt, und sie fuhren wie schuldbewußt auseinander, als Kusma eintrat, um zu melden, daß der Thee serviert sei.
„Ist aus der Stadt Etwas angekommen?“ frug Lewin Kusma.
„Soeben. Es wird ausgepackt.“
„Komm sobald als möglich,“ sagte sie zu ihm, das Kabinett verlassend, sonst werde ich in deiner Abwesenheit die Briefe lesen. Wir wollen auch vierhändig spielen.“
Allein geblieben, packte er seine Hefte in das neu von ihr gekaufte Portefeuille und wusch sich alsdann die Hände in dem neuen Waschbecken und mit dem neuen, mit ihr zugleich hier erschienenen eleganten Zubehör. Lewin lächelte über seine Gedanken und schüttelte mißbilligend den Kopf darüber; eine Empfindung, die der Reue ähnlich war, quälte ihn. Etwas Beschämendes, Verweichlichtes, Capuanisches, wie er es sich selbst nannte, lag in seiner jetzigen Lebensweise.
„Es ist nicht gut, so zu leben,“ dachte er bei sich. „Bald sind es nun schon drei Monate und ich arbeite fast nichts. Heute habe ich mich beinahe zum erstenmal wieder ernstlich an eine Arbeit gemacht, und was geschah dabei? Kaum angefangen, habe ich sie wieder beiseite geworfen. Selbst meine gewöhnlichen Übungen, selbst die habe ich fast aufgegeben. Die Ökonomie, ich gehe fast gar nicht mehr nach ihr und fahre auch nicht mehr. Bald thut es mir leid, sie im Stich lassen zu müssen, bald sehe ich, daß sie sich langweilt. Habe ich doch gedacht, daß bis zur Heirat das Leben an und für sich nicht gerechnet werden kann, daß es erst nach derselben als ein wirkliches beginnt. Aber nun sind es schier drei Monate, und noch nie habe ich meine Zeit so müßig und so nutzlos hingebracht! Nein; das kann nicht mehr so fortgehen; man muß anfangen. Natürlich ist sie nicht schuld. Ihr kann man in keiner Beziehung Vorwürfe machen. Ich selbst hätte fester sein und meine männliche Unabhängigkeit wahren müssen. Indessen ist es ja möglich, sich selbst wieder daran zu gewöhnen und auch sie darin zu unterrichten; natürlich ist ihr keinerlei Schuld beizumessen,“ sprach er zu sich selbst.
Es ist indessen schwer für einen unzufriedenen Menschen, einem anderen, und zwar gerade dem, der ihm am nächsten steht, in Bezug auf das, worüber er unzufrieden ist, nicht Vorwürfe zu machen. Auch Lewin war es dunkel in den Kopf gekommen, daß – nicht, daß sie selbst schuld daran gewesen wäre – sie konnte an nichts Schuld tragen – ihre Erziehung wohl schuld sei, die allzu oberflächlich und frivol gewesen war – (dieser Narr Tscharskiy; sie, das weiß ich, wollte ihn wohl von sich abweisen, aber sie verstand es nicht). Außer dem Interesse für das Haus – das heißt ihre Familie – außer ihrer Toilette und der broderie anglaise hat sie keine ernsthaften Interessen. Sie hat kein Interesse für ihre eigene Angelegenheit, die Wirtschaft, ihre Bauern, auch nicht für die Musik, in der sie doch ziemlich sicher war, noch für Lektüre. Sie thut nichts und ist doch vollständig zufrieden.
Lewin tadelte dies in seinem Innern und erkannte noch nicht, daß sie sich auf diejenige Periode ihrer Wirksamkeit vorbereite, die für sie erscheinen mußte, und in welcher sie zu gleicher Zeit als Frau ihres Gatten, und Herrin des Hauswesens Kinder zu nähren und zu erziehen haben würde.