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Mütter. Anja Bagus
Читать онлайн.„Das willst Du auch ändern? Schade, aber ok, wenn du keine Lust hast.“
„Nein, ich möchte dich lieber einladen. Zum Essen, oder so.“ „Du meinst, wir kochen zusammen?“
„Nein. Also, Vanessa, willst du mit mir … also … dass wir beide zusammen etwas Essen gehen und vielleicht hinterher ins Kino oder spazieren?“
Vanessa lächelte.
„Also kein DVD-Abend?“
„Nein, nicht zuhause. Draußen. Und dann bringe ich dich nach Hause bis vor deine Tür und komme nicht mehr mit rein, sondern bleibe auf der Schwelle stehen, und am nächsten Tag rufe ich dich an und frage dich, wie es war und wenn es dir gefallen hat, dann gehen wir noch einmal Essen …“
„ … und am nächsten Tag erzähle ich dann meiner besten Freundin, dass ich darauf warte, dass du dich meldest, und du lässt mich noch warten, aber dann meldest du dich doch oder stehst mit einem Strauß Rosen vor meiner Tür. So etwa?“
„Vanessa, seitdem wir uns kennen, möchte ich …“
„Nein, sag nichts, wir machen das so. Wohin gehen wir?“
Thor blieb nicht mehr lange sitzen. Kurz hatte er sich gefragt, ob er Vanessa alles erzählen sollte, aber vielleicht würden sich dafür noch andere Gelegenheiten ergeben. Als er in die Wohnung trat, saß seine Mutter auf dem Sofa im Wohnzimmer und sah fern.
„Hallo Thor, so früh schon unterwegs? Du hattest doch noch gar nicht gefrühstückt.“
„Ja, ich habe Vanessa bei der Arbeit besucht. Und eins wollte ich Dir noch sagen, Mama; inzwischen schmecken mir die Wurstbrote nicht mehr so gut.“
„Gut, dann mache ich sie nicht mehr. Früher hast du sie aber sehr gemocht.“
„Ja, früher, aber inzwischen, also, manchmal ändern sich halt gewisse Dinge.“
„Ich verstehe schon. Irgendwie habe ich mir das auch gedacht.“
Thor kam näher an das Sofa und fragte sich einen Moment, ob eine Spur von Verletztheit in ihrer Stimme gelegen hatte. Doch sie schien ganz ruhig, weder beleidigt noch geknickt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie in den letzten Tagen viel unterwegs gewesen war. Hatte sie nicht von ihrem neuen Nachbarn erzählt? Thors Finger umspielten das harte Plastik des Bilderrahmens, den er in der Hand hielt, seitdem er sich von Vanessa in der Bibliothek verabschiedet hatte. Die Bilder wechselten weiter von einem zum nächsten. Wieso hatte er die ganze Zeit erwartet, dass seine Mutter traurig sein würde, nur weil er die Brote nicht mehr essen wollte? Vielleicht, dachte er sich, sind Erwartungen so ähnlich wie die Bilder des Rahmens. Sie verstellen den Blick für das Wahrhaftige, das Wirkliche, für den Zauber, den die Welt eben nicht verloren hat, sondern der eben nur so gänzlich anders ist, als er ihn sich vorstellte.
„Warum trägst du eigentlich seit Tagen diesen Bilderrahmen mit dir herum?“, fragte seine Mutter.
„Das ist … ich wollte ihn zur Reparatur bringen, er ist wohl etwas kaputt.“
„Heute, am Sonntag? Komisch, vorgestern hat er noch einwandfrei funktioniert.“
„Woher weißt du das?“
„Ach, ich habe mir einen kleinen Scherz erlaubt. Weil du ja so viele Fotos von dir drauf gemacht hast, habe ich eines unserer alten Hochzeitsfotos hinzugefügt. Ich wollte wissen, ob du es erkennst. Ah, da ist es ja.“
Thor erkannte es sofort und starrte fassungslos auf das Hochzeitsbild und auf die Frau, die er zuerst für Fiona, dann für die blonde Obdachlose gehalten hatte.
„Das bist du? Und du hast das Bild eingefügt? Woher weißt du denn, wie man damit umgeht?“
„Ja, Deiner Mutter kannst du so einiges zutrauen. Dein Vater und ich hatten das Motto ‚Mittelalter‘ auf unserer Hochzeit. Gott, Du siehst ihm so ähnlich. Witzig, oder? Ich meine, weil du ja diese ganzen Mittelalter-Sachen auch so magst.“
Sie erzählte dies mit einem Lächeln; keine Träne war in ihrem Auge zu sehen.
„Nein, mal im Ernst. Wie hast du gelernt, mit sowas umzugehen?“
„So schwer ist das ja nicht. Unser neuer Nachbar hat es mir gezeigt. Er ist spontan auf einen Kaffee vorbeigekommen.“
„Schon wieder?“
„Ja, und morgen gehen wir essen.“
„Nun gut. Aber, hast du auch noch andere Bilder in den Rahmen eingefügt? Zum Beispiel eins mit einem Ritter auf einem Pferd oder wie er zum Ritter geschlagen wird?“
„Nein, nur das eine. Wieso fragst Du?“
„Ach nichts, schon gut.“
Seine Mutter lachte und schaute wieder zum Fernseher. Thor ging in sein Zimmer. Wenn das Bild mit der Hochzeit von seiner Mutter war, so musste er das richtige, prophezeiende Bild gestern übersehen haben. Voll gespannter Erwartung setzte er sich vor den Rahmen und wollte die ganze Serie noch einmal durchsehen. Doch schlief er dabei immer wieder ein. Ein neues Bild tauchte nicht mehr auf.
Stattdessen erwachte er mitten in der Nacht noch einmal und sah in dem Rahmen das Bild von Vanessa und ihm auf dem Dies Academicus. Da hoffte er nur noch eins – dass sie zu ihrer Verabredung dasselbe schwarze Kleid anziehen würde, das sie auf dem Foto trug.
Ende
HEIKE SCHRAPPER aus Hemer im Sauerland schreibt Kurzgeschichten von Trash bis Tiefsinn, übersetzt, korrigiert und lektoriert und ist gern auf Veranstaltungen der deutschen Fantastik-Szene unterwegs. Ihre Geschichte „Gotteskrieger“ erlangte 2014 den dritten Platz beim „Deutschen Phantastik Preis“.
Der göttliche Keksteig
Als die Göttin 200 000 Jahre nach der vereinbarten Zeit immer noch nicht beim Kaffeekränzchen erschienen war, beschloss die Nachbarin, mal anzurufen und zu fragen, wo sie bleibe.
„Ach, Schatz, das tut mir wirklich total leid“, antwortete die Göttin (die Nachbarin fand, dass sie etwas gehetzt klang), „aber ich wollte dir so gerne ein paar selbst gebackene Kekse mitbringen. Und sie werden und werden einfach nicht perfekt.“
Die Nachbarin seufzte. Sie kannte die hohen Ansprüche, die die Göttin immer an ihre Kreationen stellte.
„Was ist denn das Problem?“, fragte sie.
„Tja, ich habe mir zuerst ein Rezept überlegt. Das Beste aller möglichen Rezepte natürlich. Dann habe ich alle Zutaten im Bioladen besorgt, sie gemischt, zu einem göttlichen Keksteig verknetet und angefangen, daraus die Kekse zu formen. Aber sie sind alle so verschieden! Nicht zwei von ihnen enthalten genau die gleiche Menge an Elementarteilchen von auch nur einer einzigen Zutat. Geschweige denn, dass sie alle von jeder Zutat genau den ihnen zustehenden Anteil enthielten … Jetzt habe ich schon zigtausend Mal den Teig zu Keksen geformt, und nie waren sie bereit zum Backen. Immer musste ich sie wieder neu verkneten. Hätte ich doch bloß direkt einen Kuchen gemacht …“
„Und wenn du sie einfach so backst, wie sie …“, begann die Nachbarin, aber natürlich wurde sie sofort unterbrochen.
„Ich habe doch diesen ganzen Aufwand nicht für unperfekte Kekse veranstaltet!“, rief die Göttin entrüstet. „Ich bin die Göttin! Ich trage Verantwortung. Mir bedeutet das Wort Berufsethos noch etwas. Ich …“
„Sicher, Liebes,