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dem Essen: „Sag, du wolltest doch so dringend den Messingwaschtisch mit dem schönen Porzellankrug?“

      „Ja natürlich, ich muss es nur reinigen. Habe immer etwas anderes gemacht, dadurch ist er noch nicht richtig schön.“

      „Ja, aber wenn den jetzt Tante Tina haben will in ihrem Zimmer?“

      „Wieso?“ Wie erwartet hatte sie von der Debatte nichts mitbekommen.

      „Tante Tina hat beim Essen ein zweites Zimmer gefordert mit den Sachen aus der Werkstatt.“ Esther sah mit großem Entsetzen, wie Ida in sich zusammenfiel. Esther spürte Zorn und Fatalismus, und das zu gleicher Zeit in ihrem Magen. Ida ließ die Schultern hängen, und es schien, als ob die Flamme ausging. Wie gelöscht. Esther war sehr beunruhigt. Dass sie so heftig, so voll, reagieren würde, hatte sie nicht erwartet.

      „Was ist? Ist ja nur ein Waschtisch.“ Ida saß wie ein Häufchen Elend vor ihr. Keine Energie, aus. „Ida komm. Ezra hat irgendetwas in Planung. Ich weiß nicht was. Aber es scheint ihm etwas eingefallen zu sein. Was ist mit dir?“

      „Es ist, wie wenn Mutter hier wäre. Auf der einen Seite vermisse ich sie, auf der anderen habe ich gerade angefangen, selbst zu atmen. Ich glaube, sie hat all die Jahre für mich geatmet. Nichts, was ich sagte, hatte irgendeinen Wert, deshalb habe ich dann nichts mehr gesagt und habe das Atmen eingestellt.“ Ida sprach sehr leise. „Wie ein Kind in Windeln versuche ich, seelisch das Laufen zu lernen und hole wieder ganz alleine Luft.“

      „Soll ich um deinen Waschtisch kämpfen gehen?“ Esther war wirklich besorgt. Es war so wichtig, dass Ida bekam, was sie wollte.

      „Nein, er hat Charme, aber er ist, glaube ich, nur ein Eisbergspitzlein vom Problem.“ Sie erhob sich und ging langsam im Zimmer auf und ab. Esther wollte sie aufmuntern. „Was war das mit Edmund?“

      Ida war gottseidank abzulenken wie ein Kind. Sie schenkte Esther ein schiefes Lächeln. „Er hat mir so ein nettes, romantisches Gedicht geschrieben.“

      „Wann?“

      „Ach, schon damals am Berg, noch bevor Mutter hinunterfiel.“

      „Und wieso hast du dir dann so andächtig seine traurigen Erlebnisse in der Korruptionsetage angehört?“

      „Nun, da geht es ihm gut dabei.“

      „Ich hoffe, er erzählt in seiner Begeisterung nichts Strafbares. Ich meine, einiges von seiner Erzählung klingt, als ob es Leute gäbe, die das sehr bedrohlich fänden, gefährlich.“

      „Ach, ich will doch nur, dass er noch mehr Gedichte schreibt.“

      Esther war nicht sicher, dass das ein guter Grund war, so tief an gefährlichen Spielen beteiligt zu werden, in Dinge hineinzugeraten, die anderen den Job, das Ansehen, die Existenz kosten konnten. Sie musste aufpassen.

      Edmunds Vater war ein hohes Tier im Ministerium, deshalb volontierte Edmund dort. Das bedeutete: Die Informationen waren Tatsache. Der traurige Edmund war Dichter und vielleicht Beamter, aber kein guter Geheimnisträger. Das war gefährlich. Für wen? Für viele.

      NACHMITTAG SPÄTER

      Ezra hatte jetzt eine klare Aufgaben im Visier - neben dem Job Tina zu entfernen. Er musste klären, was da im Ministerium und mit Vorberg lief, und ob das Hille fast das Leben gekostet hätte. Und er musste das Zimmer für Tina erstklassig, passend, in jeder Hinsicht genau herrichten.

      Dazu musste einiges organisiert werden. Deshalb brauchte er zuerst Esther. Er fand sie in der Werkstatt, wo sie den bemalten Kasten abwischte. „Kann man, glaubst du, so ein altes Stück einfach waschen?“

      „Ich denke, die Bemalung ist Lack, oder irgendetwas wie Lack.“

      „Hilf mir, ihn ans Licht bringen, damit ich besser sehe.“ Sie schoben und zogen das schwere Stück in Richtung der großen Schiebetüre.

      Am Rand und um den Kasten war eine Blumenbordüre. Sehr aufwendig und in vielen Farben. Und in den Türen gab es jeweils ein Bild, das aber nicht richtig zu erkennen war, denn der Kasten war von braunen, krustigen Flecken überzogen. Ezra und Esther schauten ganz genau, dann kratzten sie vorsichtig an der Oberfläche. Schließlich holte Esther einen Kübel und Lauge und eine weiche Bürste. „Wo ist denn ein bisschen ein härterer Schwamm?“ Beide schrubbten einträchtig, jeder ein Bild. Wortlos hatte man sich geeinigt, dass man wissen wollte, was der verzauberte Kasten barg. Wie war er geboren worden, wie zum Leben erwacht, wofür hatte man ihn gemacht? Wenige Linien waren zu erkennen. Ein grünes Blatt tauchte aus der braunen Kruste, ein menschlicher Kopf, ein Bein. Irgendetwas wie eine Waffe. Manche Flecken lösten sich, andere hafteten unerbittlich.

      Im ersten Stock war es in der Zeit ziemlich laut.

      Wolfgang hatte sich erboten, das Zimmer neben Tante Tina auszuräumen, ein sehr großer Raum mit drei großen Fenstern. Dieses Zimmer schien wirklich lange unbenützt zu sein. Ida stand in der Türe, staunend, interessiert. Wolfgang schob gerade ein Bett mit Baldachin durch den Raum. Der Baldachin staubte. Die Farbe des Stoffes war kaum zu erkennen, irgendetwas, wie Gold und rötlich. Es flogen kleine Stücke des altehrwürdigen Belages ins Licht. Schnaufend setzte er ab und rieb seine Handflächen.

      „Sag mal Ida, Ezra sagt, sie haben in der Wohnung die Mumie eines Hundes in einem Glaskasten gefunden? Was war denn das?“.

      Ida hatte immer Zeit für Antworten. Es dauerte. „Ich denke, das war Schneewittchen.“ meinte sie nach einer Weile. Wolfgang konnte das nicht wirklich als Erklärung annehmen. Seine Bewegung machte Pause. Er hörte wahrscheinlich sogar kurz zu schwitzen auf. „Schneewittchen?“, wiederholte er langsam.

      „Eigentlich hieß sie Bienchen, wahrscheinlich, weil sie ständig am Bellen war. Stell dir einen Hund vor, der aus einer Handtasche schaut und dauernd bellt. Sie hat natürlich auch gebissen. Mutter hat immer gesagt, sie ist emsig wie ein Bienchen.“ Noch immer keine Erklärung für den Glaskasten. Wolfgang wartete.

      „Irgendwer hat sie vergiftet. Der Glassarg stand lange im Wohnzimmer. Es war einige Jahre so ein Mausoleum.“ Ida blieb in der Erinnerung stehen. Sie schnupperte. Auch in diesem Zimmer roch es nach Mausoleum, genau wie damals, verlassen, gemieden, vergessen wie müde Blumen. „Sollten wir hier auch einen Glassarg mit einem toten Hund reinstellen?“ fragte sie. „Oder vielleicht kann man die Fenster aufmachen?“

      Wolfgang machte die Fenster auf. Von rechts nach links. Zwei gingen auf, eines nicht. „Das ist das mit Robert“, meinte Ida zu dem Fenster, das sich weigerte. „Robert will nicht aufgemacht werden.“

      Da kam Ezra.

      „Braucht ihr Hilfe?“

      „Robert lässt sein Fenster nicht aufmachen“, meinte Wolfgang.

      „Sag, wolltest du das Zimmer herrichten wegen Robert?“, fragte Ida.

      „Ja, natürlich sind wir doch froh, dass wir Robert haben.“

      Bei Wolfgang lief ein Film von Möglichkeiten, technischer Natur.

      „Robert ist einer von uns, wir müssen nett zu ihm sein“, meinte Ida.

      „Woher willst du wissen, dass er nicht auf Seiten von Tante Tina ist“, fragte Ezra.

      „Ich hab das Gefühl, dass Robert auf gar keiner Seite ist. Wenn man eine Weile tot ist, wird man egoistisch, denke ich. Man kümmert sich nur mehr um sich selbst.“

      „Hast du ihn heute schon gesehen?“, fragte Ezra.

      „Ich war noch nicht draußen schauen.“

      „Komisch“, meinte Wolfgang plötzlich, „Hier an der Wand entlang ist eine Spur im Staub, die wir nicht gemacht haben.

      „Wieso meinst du?“

      „Naja, hast du solche Schuhe an? Ich nicht.“ Im Staub zeichnete sich ein Schuhabdruck nach dem anderen, erstaunlich deutlich und klar. Ziemlich groß, große Füße. Sie trugen Stöckelschuhe mit breiten Absätzen. Die

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