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Heiligtumsschändung, Heiligtumsschändung!« stimmte ihm der Beamte sogleich bei.

      »Und kommt einer dafür nach Sibirien?«

      »Gewiß, nach Sibirien, nach Sibirien! Ohne weiteres nach Sibirien!«

      »Bei mir zu Hause denken sie bestimmt, daß ich noch krank sei«, fuhr Rogoschin, zu dem Fürsten gewendet, fort. »Aber ich habe mich, ohne ein Wort zu sagen, obwohl ich noch nicht hergestellt bin, still auf die Bahn gesetzt und fahre jetzt hin. Nun mach mir das Tor auf, Bruder Semjon Semjonowitsch! Er hatte mich bei meinem verstorbenen Vater verpetzt, das weiß ich. Aber daß ich wirklich durch die Geschichte mit Nastasja Filippowna damals den Vater aufgebracht habe, das ist wahr. Da habe ich allein schuld. Das habe ich in einem Augenblick der Unbedachtsamkeit begangen.«

      »Durch die Geschichte mit Nastasja Filippowna?« sagte der Beamte in kriecherischem Ton, wie wenn er etwas überlegte.

      »Die Dame kennen Sie nicht!« schrie ihn Rogoschin ungeduldig an.

      »Und ich kenne sie doch!« erwiderte der Beamte triumphierend.

      »Ach was! Es gibt viele Damen, die Nastasja Filippowna heißen! Und ich muß sagen: was sind Sie für ein unverschämtes Subjekt! Na, das habe ich doch gleich gewußt, daß sich irgend so ein Subjekt an mich hängen wird!« fuhr er, zum Fürsten gewendet, fort.

      »Aber vielleicht kenne ich sie doch!« versetzte der Beamte beharrlich. »Da müßte ich nicht Lebedjew sein, wenn ich sie nicht kennen sollte! Euer Durchlaucht belieben mir einen Vorwurf zu machen; aber wie, wenn ich Ihnen den Beweis liefere! Also es ist dieselbe Nastasja Filippowna, um derentwillen Ihr Vater Sie mit einem Haselstock ermahnen wollte; es ist Nastasja Filippowna Baraschkowa, sozusagen sogar eine vornehme Dame und in ihrer Art eine Fürstin, und sie hat ein Verhältnis mit einem gewissen Tozki, mit Afanasi Iwanowitsch Tozki, ausschließlich mit diesem einen, einem Gutsbesitzer und Großkapitalisten, Mitglied verschiedener Handelsgesellschaften, der infolge dieser seiner kommerziellen Tätigkeit mit dem General Jepantschin in sehr freundschaftlicher Beziehung steht ...«

      »Na, nun sieh mal an!« rief Rogoschin, wirklich erstaunt, aus. »Pfui Teufel, er weiß wahrhaftig genau Bescheid!«

      »Er weiß alles! Lebedjew weiß alles! Auch Alexander Lichatschows Begleiter bin ich zwei Monate lang gewesen, Euer Durchlaucht, und zwar ebenfalls nach dem Tod seines Vaters, und ich kenne alle, geradezu alle seine Heimlichkeiten, und es kam so weit, daß er ohne mich keinen Schritt tat. Jetzt sitzt er im Schuldgefängnis; aber damals hatte ich Gelegenheit, auch Fräulein Armance und Fräulein Corallie und die Fürstin Pazkaja und Nastasja Filippowna kennenzulernen, und auch vieles, vieles zu erfahren hatte ich Gelegenheit.«

      »Nastasja Filippowna? Hat sie etwa mit Lichatschow ...«, rief Rogoschin und blickte den Redenden böse an; sogar seine Lippen waren blaß geworden und zitterten.

      »N-nein! N-nein! Entschieden nein!« beeilte sich der Beamte, schnell gefaßt, zu erwidern. »Bei der konnte Lichatschow durch kein Geld zum Ziele gelangen! Nein, die ist von anderer Art wie Fräulein Armance. Da ist Tozki der einzige. Abends sitzt sie im Großen Theater oder im Französischen Theater in ihrer eigenen Loge. Die Offiziere reden ja da unter sich allerlei; aber auch die können nichts beweisen. ›Da ist die berühmte Nastasja Filippowna‹, sagen sie, aber das ist auch alles; was Weiteres anlangt, so ist da nichts zu sagen! Weil eben nichts vorliegt.«

      »Ja, so verhält sich das alles«, bestätigte Rogoschin mit trüber, finsterer Miene. »Auch Saloschew hat es mir damals gesagt. Ich ging damals, Fürst, in einem Schnurrock, den mein Vater schon vor zwei Jahren abgelegt hatte, über den Newski-Prospekt, und sie kam aus einem Laden heraus und stieg in ihren Wagen. Da stand ich auf der Stelle in Flammen. Ich begegnete meinem Freund Saloschew; der sah anders aus als ich; er geht wie ein Friseurgehilfe, immer die Lorgnette im Auge; wir aber mußten bei unserm Vater in Schmierstiefeln gehen und uns an fastenmäßiger Kohlsuppe delektieren. ›Die ist nichts für dich‹, sagte er; ›das ist‹, sagte er, ›eine Fürstin; sie heißt Nastasja Filippowna, mit dem Familiennamen Baraschkowa, und lebt mit Tozki; Tozki aber weiß jetzt nicht, wie er von ihr loskommen soll, weil er nämlich schon ganz in die soliden Jahre hineingekommen ist (er ist fünfundfünfzig) und eine der ersten Schönheiten von ganz Petersburg heiraten will.‹ Dann teilte er mir noch mit, daß ich Nastasja Filippowna an demselben Tag im Großen Theater wiedersehen könne, im Ballett; sie werde in ihrer Parterreloge sitzen. Bei uns zu Hause, bei unserm Vater, da hätte es mal einer probieren sollen und sagen, er wolle ins Ballett gehen; der Vater hätte kurzen Prozeß gemacht und ihn halbtot geprügelt! Ich schlich mich indessen still für ein Stündchen weg und sah Nastasja Filippowna wieder; die ganze folgende Nacht konnte ich nicht schlafen. Am andern Morgen gab mir der Vater zwei fünfprozentige Staatsschuldscheine, jeden zu fünftausend Rubeln, und sagte: ›Geh hin und verkaufe sie; dann trage siebentausendfünfhundert Rubel zu Andrejew auf's Kontor und bezahle sie dort; und was du von den zehntausend noch übrig hast, das bring geradewegs hierher und liefere es mir ab; ich werde auf dich warten.‹ Die Staatsschuldscheine verkaufte ich und empfing das Geld dafür; aber zu Andrejew auf's Kontor begab ich mich nicht, sondern ich ging, ohne mich umzusehen, nach dem Englischen Magazin und suchte dort für das ganze Geld ein Paar Ohrgehänge aus, jedes mit einem Brillanten fast von Nußgröße; vierhundert Rubel blieb ich noch schuldig; ich nannte meinen Namen, und man gab mir Kredit. Mit den Ohrgehängen ging ich gleich zu Saloschew: ›So und so, Bruder‹, sagte ich, ›wir wollen zu Nastasja Filippowna gehen.‹ Wir gingen hin. Was ich damals unter den Füßen und vor mir und rechts und links hatte, das weiß ich nicht; dafür habe ich keine Erinnerung. Wir traten bei ihr gleich in den Salon ein, und dann kam sie selbst zu uns. Ich verlautbarte übrigens damals nicht, daß ich selbst der Geber sei, sondern Saloschew sagte: ›Von Parfen Rogoschin, der Sie gestern gesehen hat, ein kleines Andenken; haben Sie die Gewogenheit, es anzunehmen!‹ Sie öffnete das Etui, betrachtete den Schmuck und lächelte. ›Sagen Sie Ihrem Freund Herrn Rogoschin meinen Dank‹, sagte sie, ›für seine liebenswürdige Aufmerksamkeit!‹ Dann verneigte sie sich und ging hinaus. Na, warum bin ich damals nicht dort auf dem Fleck gestorben! Aber wenn ich fortging, so tat ich es mit dem Gedanken: ›Lebendig komme ich doch nie wieder her!‹ Was ich aber am schwersten als Kränkung empfand, das war, daß diese Kanaille, der Saloschew, sich angemaßt hatte, alles allein zu reden und zu tun. Ich bin von kleiner Statur und war wie ein Plebejer gekleidet, und hatte dagestanden, sie angestarrt und geschwiegen, weil ich mich schämte; er aber in modischem Anzug, mit pomadisiertem und gekräuseltem Haar, mit seinem frischen Teint und mit seiner karierten Krawatte hatte den Liebenswürdigen gespielt und einmal über das andere gedienert, und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie ihn für mich genommen! ›Na‹, sagte ich, als wir hinausgegangen waren, ›du wage nicht, dich wieder bei mir blicken zu lassen, verstehst du?‹ Er lachte: ›Aber wie wirst du jetzt vor deinem Vater Semjon Parfenowitsch Rechenschaft ablegen?‹ Die Wahrheit zu sagen, ich hatte damals schon vor, ohne erst nach Hause zu gehen mich ins Wasser zu stürzen; aber ich dachte: ›Es ist ja doch ganz gleich!‹ und kehrte wie ein armer Sünder nach Hause zurück.«

      »O weh, o weh!« sagte der Beamte und schnitt dabei eine Grimasse; ja, er schüttelte sich sogar mit dem ganzen Leib. »Und der Selige war imstande, nicht nur um zehntausend, sondern schon um zehn Rubel willen einen in jene Welt zu spedieren.« Er blickte zum Fürsten.

      Der Fürst sah Rogoschin mit lebhaftem Interesse an; es schien, als sei der in diesem Augenblick noch blasser.

      »Dazu war er imstande!« wiederholte Rogoschin. »Aber was wissen Sie davon?« Dann erzählte er dem Fürsten weiter: »Er erfuhr sogleich alles; Saloschew hatte es jedem, der ihm begegnete, ausgeschwatzt. Der Vater nahm mich, schloß mich im oberen Stockwerk ein und prügelte mich eine ganze Stunde lang. ›Und das ist nur eine Vorbereitung für dich‹, sagte er; ›heute abend komme ich, um dir gute Nacht zu sagen.‹ Sollte man's glauben? Der alte Mann fuhr zu Nastasja Filippowna hin, verbeugte sich tief vor ihr und flehte sie unter Tränen an; endlich holte sie ihm das Etui herbei, warf es ihm hin und sagte: ›Da hast du deine Ohrringe, alter Graubart; sie sind für mich jetzt um das Zehnfache im Wert gestiegen, nun ich weiß, daß Parfen sie einem so strengen Vater zum Trotz beschafft hat. Grüße Parfen Semjonowitsch von mir und bestelle ihm meinen Dank!‹ Na, ich hatte unterdessen

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