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glauben, Nikolai Sergejewitsch habe als ein schlichter, offenherziger, uneigennütziger, vornehm denkender Mensch dem Fürsten tatsächlich gefallen. Indessen klärte sich bald alles auf. Der Fürst war nach Wassiljewskoje gekommen, um seinen Verwalter wegzujagen, einen unmoralischen Deutschen, der ein großes Selbstgefühl besaß, sich Agronom nannte, mit grauen, Achtung heischenden Haaren, einer Brille und einer Hakennase ausgestattet war, aber trotz all dieser Vorzüge in einer scham- und maßlosen Weise gestohlen und überdies mehrere Bauern zu Tode gequält hatte. Dieser Iwan Karlowitsch war endlich auf frischer Tat ertappt und überführt worden; er redete zwar viel von deutscher Ehrlichkeit, wurde aber trotz alledem weggejagt, und sogar in ziemlich schimpflicher Weise. Der Fürst brauchte einen Verwalter, und seine Wahl fiel auf Nikolai Sergejewitsch, einen vortrefflichen Landwirt und durchaus ehrenhaften Menschen, worüber nicht der geringste Zweifel bestehen konnte. Es scheint, daß der Fürst sehr wünschte, Nikolai Sergejewitsch möchte sich ihm selbst als Verwalter anbieten; aber das geschah nicht, und so machte ihm denn eines schönen Tages der Fürst dieses Anerbieten, und zwar in Form einer sehr freundschaftlichen, höflichen Bitte. Ichmenew lehnte es zunächst ab; aber auf Anna Andrejewna übte das bedeutende Gehalt eine verführerische Wirkung aus, und die verdoppelte Liebenswürdigkeit des Bittenden zerstreute alle noch übrigen Bedenken. Der Fürst erreichte seinen Zweck. Man muß annehmen, daß er ein großer Menschenkenner war. In der kurzen Zeit seiner Bekanntschaft mit Ichmenew hatte er vollständig erkannt, mit wem er es zu tun hatte, und eingesehen, daß er Ichmenew durch freundschaftliches, herzliches Benehmen bezaubern und sein Herz gewinnen müsse und daß ohne dieses Mittel Geld nicht viel vermöge. Er aber brauchte gerade einen solchen Verwalter, dem er blind und für immer vertrauen konnte, damit er, wie er das tatsächlich beabsichtigte, nie wieder nach Wassiljewskoje zu kommen brauche. Der bezaubernde Eindruck, den er bei Ichmenew hervorrief, war so stark, daß dieser aufrichtig an die Freundschaft des Fürsten glaubte. Nikolai Sergejewitsch war einer jener gutherzigen, naiv-romantischen Menschen, die bei uns in Rußland, was man auch von ihnen sagen mag, eine so prächtige Menschenklasse bilden und die, wenn sie einmal (manchmal Gott weiß warum) jemanden liebgewinnen, sich ihm mit ganzer Seele hingeben, so daß ihre Anhänglichkeit mitunter geradezu komisch wird.

      Viele Jahre waren vergangen. Das Gut des Fürsten war zu hoher Blüte gelangt. Die Beziehungen zwischen dem Besitzer von Wassiljewskoje und seinem Verwalter erfuhren weder von der einen noch von der andern Seite auch nur die geringste Trübung und beschränkten sich auf einen trockenen geschäftlichen Briefwechsel. Der Fürst mischte sich in keiner Weise in Nikolai Sergejewitschs Anordnungen ein, erteilte ihm aber mitunter Ratschläge, die einen vortrefflichen praktischen Blick und gute Sachkenntnis bekundeten und diesen dadurch in Erstaunen versetzten. Offenbar war der Fürst nicht nur der Verschwendung abgeneigt, sondern er verstand sich auch darauf, etwas hinzuzuerwerben. Etwa fünf Jahre nach seinem Besuch in Wassiljewskoje schickte er seinem Verwalter Nikolai Sergejewitsch eine Vollmacht zum Ankauf eines anderen vorzüglichen Gutes mit vierhundert Seelen, das in demselben Gouvernement gelegen war. Nikolai Sergejewitsch war entzückt; die Erfolge des Fürsten, die Gerüchte von seiner glücklichen Karriere und seinem Avancement machten ihm soviel Freude, als ob es sich um seinen eigenen Bruder handele. Aber sein Entzücken stieg auf den höchsten Grad, als der Fürst ihm tatsächlich in einem Fall ein ganz außerordentliches Vertrauen erwies. Das ging folgendermaßen zu . . .

      Aber hier finde ich es nötig, einige Einzelheiten aus dem Leben dieses Fürsten Walkowski anzuführen, der eine der wichtigsten Personen meiner Erzählung ist.

      Ich habe schon früher erwähnt, daß er Witwer war. Geheiratet hatte er schon als ganz junger Mensch, und zwar war es eine Geldheirat gewesen. Von seinen Eltern, die sich in Moskau vollständig ruiniert hatten, hatte er so gut wie nichts geerbt. Wassiljewskoje war mit enormen Hypotheken belastet. Dem zweiundzwanzigjährigen Fürsten, der damals genötigt war, in Moskau in irgendeinem Büro eine Stelle zu verwalten, war auch nicht eine Kopeke geblieben, und er trat in das Leben als »der verarmte Sprößling eines altadligen Geschlechts«. Seine Verheiratung mit der überreifen Tochter eines Kaufmanns und Branntweinpächters rettete ihn. Der Branntweinpächter betrog ihn allerdings bei der Mitgift; aber der Fürst konnte doch mit dem Geld seiner Frau sein Stammgut von der Hypothekenlast befreien und sich auf die Beine helfen. Die Kaufmannstochter, die er zur Frau bekommen hatte, konnte kaum schreiben und nicht zwei vernünftige Worte reden, war häßlich und besaß nur eine wichtige, gute Eigenschaft: sie war gutmütig und fügsam. Diese gute Eigenschaft nutzte der Fürst in hohem Maße aus; nach dem ersten Jahr der Ehe ließ er seine Frau, die ihm um diese Zeit einen Sohn geboren hatte, in den Händen ihres Vaters, des Branntweinpächters, in Moskau und siedelte selbst nach dem Gouvernement P. über, wo er sich durch die Protektion eines hochgestellten Petersburger Verwandten eine ziemlich ansehnliche Stellung im Staatsdienste verschafft hatte. Er dürstete nach Avancement, nach Auszeichnungen, nach einer glänzenden Karriere, und da er sich sagte, daß er mit seiner Frau weder in Petersburg noch in Moskau leben könne, so entschloß er sich, in Erwartung von etwas Besserem, seine Karriere in der Provinz zu beginnen. Es hieß, er habe schon im ersten Jahr seines Zusammenlebens mit seiner Frau diese durch die grobe Manier, in der er sie behandelt habe, beinahe zu Tode gequält. Über dieses Gerücht geriet Nikolai Sergejewitsch immer in Empörung, und er trat mit Wärme für den Fürsten ein, indem er beteuerte, der Fürst sei eines unedlen Benehmens unfähig. Aber nach sieben Jahren starb die Fürstin endlich, und der Witwer zog nun sogleich wieder nach Petersburg. Dort machte er sogar einigen Eindruck. Noch jung, von schönem Äußeren, vermögend und mit vielen glänzenden Eigenschaften, darunter mit Witz, mit Geschmack und mit einem unerschöpflichen Humor begabt, benahm er sich nicht, als ob er sein Glück machen wolle und Protektion suche, sondern als stehe er schon fest auf eigenen Füßen. Man erzählte, er habe wirklich etwas Bezauberndes, Kraftvolles, Siegreiches an sich gehabt. Den Frauen gefiel er außerordentlich, und eine Liaison mit einer schönen Dame aus den höchsten Gesellschaftskreisen verhalf ihm zu einer skandalösen Berühmtheit. Trotz der ihm angeborenen Sparsamkeit, die sogar an Geiz streifte, streute er mit dem Geld, ohne dasselbe zu bedauern, um sich, verlor im Kartenspiel an solche Herren, bei denen das zweckmäßig war, und verzog selbst bei großen Verlusten keine Miene. Aber nicht um Vergnügen zu suchen, war er nach Petersburg gekommen: er wollte seine Karriere definitiv in Gang bringen und sicherstellen. Und das erreichte er. Graf Nainski, sein hochgestellter Verwandter, der ihm keine Beachtung geschenkt hätte, wenn er als gewöhnlicher Bittsteller aufgetreten wäre, ließ sich durch seine Erfolge in der Gesellschaft imponieren, hielt es für möglich und passend, ihm seine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, und erwies ihm sogar die Ehre, seinen siebenjährigen Sohn zur Erziehung in sein Haus zu nehmen. In diese Zeit fiel auch die Fahrt des Fürsten nach Wassiljewskoje und seine Bekanntschaft mit Ichmenews. Endlich erhielt er durch Vermittlung des Grafen eine angesehene Stellung bei einer der bedeutendsten Gesandtschaften und begab sich ins Ausland. Weiterhin wurden die Gerüchte über ihn etwas unklar: man sprach von einem unangenehmen Erlebnis, das er im Ausland gehabt habe; aber niemand vermochte anzugeben, worin dieses bestanden habe. Man wußte nur, daß er vierhundert Seelen hinzugekauft habe, was ich schon erwähnte. Erst viele Jahre später kehrte er in hoher dienstlicher Stellung aus dem Ausland zurück und erhielt sofort in Petersburg ein sehr bedeutendes Amt. Nach Ichmenewka gelangten Gerüchte, er werde eine zweite Ehe eingehen und dadurch mit einem sehr vornehmen, reichen, mächtigen Geschlecht verwandt werden. »Er wird noch einmal einer der höchsten Würdenträger werden!« sagte Nikolai Sergejewitsch, sich vor Vergnügen die Hände reibend. Ich war damals in Petersburg auf der Universität und erinnere mich, daß Ichmenew expreß an mich schrieb und mich bat, Erkundigungen darüber einzuziehen, ob die Gerüchte über die Wiederverheiratung zutreffend seien. Er schrieb auch an den Fürsten und bat ihn, mir seine Protektion zukommen zu lassen; aber der Fürst ließ diesen Brief unbeantwortet. Ich wußte nur, daß sein Sohn, der zuerst bei dem Grafen und dann auf einem Lyzeum erzogen worden war, damals den Universitätskursus im Alter von neunzehn Jahren beendet hatte. Ich schrieb dies sogleich an Ichmenews und auch, daß der Fürst seinen Sohn sehr liebe, ihn verwöhne und schon jetzt Pläne über seine Zukunft entwerfe. Alles dies hatte ich von Kommilitonen erfahren, die mit dem jungen Fürsten bekannt waren. In dieser Zeit erhielt Nikolai Sergejewitsch eines Tages von dem Fürsten einen Brief, der ihn in das größte Erstaunen versetzte.

      Der Fürst, der

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