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kam. Als May ihrer Freundin einmal beiläufig davon erzählt hatte, war Tamora direkt darauf angesprungen und hatte verlauten lassen, dass sie die Frau gern irgendwann einmal kennenlernen würde. May hatte ihr daraufhin zugesichert, anzurufen, wenn sie wieder im Laden wäre – und heute war es nun soweit.

      Als sie ins Geschäft hinunterkamen wurde Tamora von Mays Mann Liam begrüßt. »Na, bist du mal wieder auf der Suche nach neuem Material?«, erkundigte er sich lächelnd.

      »Ganz recht, Liam, bin ich«, erwiderte sie augenzwinkernd.

      »Dann wünsche ich dir viel Erfolg.«

      »Wo sitzt sie denn?«, mischte sich jetzt May fragend ein.

      Liam deutete mit einer Handbewegung auf eine der hinteren Kabinen.

      May und Liam Reynolds Geschäft war ein schicker, sehr modern eingerichteter Salon, aber dennoch hatten sie ein paar der alten Kabinen aus früheren Tagen beibehalten. Einerseits aus Sentimentalität, andererseits kamen sie damit dem Wunsch einiger Kundinnen entgegen, die es vorzogen etwas abgeschieden und für sich allein zu sein. Auf Nachfrage hatte eine ältere Dame einmal lächelnd geantwortet, dass es ihr unangenehm sei, wenn sie sich die Haare färben ließ und es alle wüssten. Schließlich müsse es ja nicht gleich von jedem in der Nachbarschaft breitgetreten werden.

      Vor der besagten Kabine stand ein eleganter Paravent.

      »Den macht sie immer zur Bedingung«, erklärte May.

      »Und ich dachte, ihr macht das von euch aus«, bemerkte Tamora.

      »Warum sollten wir?«, hakte May nach und sah ihre Freundin überrascht an.

      »Na, zum Schutz der anderen Damen!«, reagierte sie mit einem breiten Grinsen. »Obwohl die ja nicht wirklich wissen können, was sie beruflich treibt.«

      Alle Kundinnen saßen im Augenblick unter den Hauben. Sie konnten nicht hören, was gesprochen wurde.

      May schob den Wandschirm etwas zur Seite. Ihr Mann hatte der Frau gerade eine Tinktur aufgetragen, die nun für einige Zeit einziehen musste.

      Als sie May und Tamora in ihrer Kabine sah, setzte sie ein abweisendes und mürrisches Gesicht auf. Zwar kannte sie May, musste sich aber fragen, wer denn das andere Weibsbild sei und starrte sie entsprechend an.

      In diesem Augenblick fühlte sich Tamora nicht recht wohl in ihrer Haut. Nicht, weil sie wusste, auf welche Weise diese Frau ihren Unterhalt bestritt, sondern aus einem ganz anderen Grund: Sie versetzte die Frau in eine peinliche Lage und brach in ihre Welt ein – eine Welt, die sie nichts anging.

      May hatte den ungehaltenen, ja fast schon verärgerten Blick ihrer Kundin sofort bemerkt und reagierte schnell: »Chloe, ich möchte Ihnen meine Freundin Tamora vorstellen.«

      »Und warum? Will sie mich wie ein Tier im Zoo begaffen?«, reagierte die Frau abweisend und warf May einen zornigen Blick zu. »Wenn das jetzt hier zu einer neuen Gepflogenheit wird, bin ich das letzte Mal hier gewesen.«

      May war rot angelaufen. Jetzt wechselte ihre Gesichtsfarbe und sie wurde blass. »Nein, nein!«, erwiderte sie hastig. »So ist das doch gar nicht gemeint, Chloe! Darf ich es bitte erklären?«

      Tamora hielt sich schweigend im Hintergrund. Chloe sah sie boshaft an. »Da bin ich aber gespannt!«, grollte sie. »Will sie vielleicht ein Autogramm von mir?« Dabei lachte sie abfällig. »Nackfotos zum signieren habe ich leider nicht zur Hand!«

      »Nein, … meine Freundin ist Schriftstellerin, und würde Sie gern kennenlernen.«

      »Ach, nein!« Für einen kurzen Augenblick trat auf Chloes Gesicht ein Ausdruck der Verblüffung. Dann sah sie Tamora mit einem spöttischen Blick von der Seite an.

      »May, ich glaube, ich komme jetzt ganz gut allein zurecht«, schaltete sich Tamora ein. »Wenn du nur noch so lieb wärst, mir einen Stuhl zu bringen?«

      »Ja, sicher.« May wandte sich ab und verschwand.

      Chloe sah Tamora immer noch abweisend an. »Ich kann mich nicht erinnern schon Ja gesagt zu haben«, knurrte sie bissig. »Ich habe echt kein Interesse!«

      »Das kann ich durchaus verstehen«, antwortete Tamora ruhig, »aber vielleicht geben Sie mir dennoch eine Chance?«

      May war mit einem Stuhl zurück, schob ihn ihrer Freundin zurecht und zog sich zurück, nicht ohne die spanische Wand direkt wieder an ihren vorherigen Platz zu schieben.

      »Jetzt werden die Ehehuren da hinten aber ihre Ohren weit aufsperren!«, meinte Chloe verächtlich.

      »Das denke ich nicht«, erwiderte Tamora lächelnd. »Die sitzen doch alle unter ihren Hauben und können nichts von dem hören, was hier gesprochen wird. Abgesehen davon sieht man Ihnen doch gar nicht an, was Sie beruflich machen.«

      »Was willst du eigentlich von mir? Brauchst du vielleicht Ratschläge, weil du selbst auf den Strich gehen willst?«, reagierte sie mit scharfem Unterton, ohne auf Tamoras Einwand einzugehen. »Soll ich dir ein paar Tipps geben?«

      Tamora musterte die junge Frau eingehend, aber nicht aufdringlich. Sie mochte kaum älter als fünfundzwanzig sein, vielleicht sogar gleich alt – war modisch elegant gekleidet und hatte eine beneidenswerte Figur. Sie selbst hielt sich nicht für unattraktiv, aber sie beneidete Chloe um ihre Silhouette. Auch wenn sie nicht unzufrieden mit sich sein musste. Dazu gab es keine Veranlassung, denn alle bescheinigten ihr, eine äußerst attraktive Figur zu haben. Tamora schätzte sie auf etwas über fünfeinhalb Fuß. Sie hatte wohlgeformte, lange schlanke Beine, mittelgroße Brüste, eine schmale Taille und eine mittelbreite Hüfte. Alles an ihr war in sich stimmig und wirkte äußerst harmonisch. Ganz sicher kam sie in der Männerwelt gut an.

      »Ich schreibe erotische Romane. Recht erfolgreich, … zumindest bescheinigt mir das mein Verleger, wohl aufgrund der Absatzzahlen ...«, begann Tamora und lächelte gewinnend.

      »Das soll jetzt wohl ein Scherz sein, oder?«

      »Weshalb?«, reagierte Tamora und sah sie irritiert an.

      »Na, komm schon, Kleine … Wo habt ihr die Kamera versteckt?«

      »Aber es stimmt wirklich«, beteuerte Tamora.

      Chloes Lachen verstummte auf der Stelle. Aufmerksam sah sie Tamora an. »Dann betreibst du wohl gerade eine Recherche für ein neues Buch, oder wie habe ich das zu verstehen?«

      »Wenn Sie so wollen: Ja! Ich suche nach einem neuen Ansatz. Irgendwie ist die Geschichte schon in meinem Kopf, aber nachdem ich mich bisher immer auf Angaben Dritter verlassen habe … Ich denke, es wird Zeit einmal direkt an die Quelle zu gehen.«

      Chloe wirkte noch immer ein wenig überrascht. »Und was glaubst du, kann ich dir Besonderes erzählen, was du dir in deinem hübschen Köpfchen nicht selbst zusammenreimen könntest?«, erkundigte sie sich mit einem spöttischen Unterton. »Gibt es nicht eh schon genug Bücher über das Milieu? Soweit ich mich erinnere, lief vor einiger Zeit sogar eine Dokumentation im ›Discovery Channel‹ … ist noch gar nicht lange her.«

      »Um diese Art Informationen geht es mir nicht«, widersprach Tamora.

      »Um welche geht es dann?«

      Tamora schluckte, bevor sie ihre Frage stellte. »Wäre es indiskret, wenn ich Sie bitten würde, mir ein wenig aus Ihrem Leben zu berichten? … Ich meine, darüber wie alles angefangen hat.«

      »Und dann willst du darüber schreiben?«

      »Vielleicht«, meinte Tamora und lächelte. »Ich bin mir noch nicht sicher, was ich damit anfangen werde. Aber vermutlich: ja.«

      Jetzt schenkte ihr Chloe ein gutmütiges Lachen. »Auf den Romanen steht aber sicher nicht dein richtiger Name, oder?«

      »Sie meinen ein Pseudonym? … Nein, so etwas verwende ich nicht. Alles was ich schreibe, kann ich auch vertreten. Haben Sie denn hier im Salon Ihren richtigen Namen angegeben?«

      »Nein, wie käme ich auch dazu«, entgegnete Chloe. Wieder glitzerte es in ihren Augen. »Hör mal,

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