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Ich freue mich, daß ich in den Stand gesetzt bin, die Lenzsche Geschichte, der Wahrheit gemäß vorzulegen. Wäre es mir nach gegangen, so würde ich freilich von allen geschehenen Vorfällen nicht eher etwas berührt haben, als bis ich selbst davon die größte Gewißheit gehabt hätte. Allein viele im Publico wünschten zu wissen, was ich wohl darüber sagen würde. Ich schrieb daher, was ich als ein ehrlicher Volksschreiber mit wahrscheinlicher Gewißheit anführen konnte, die Haupt-Gegenstände auf. Ich machte mit Fleisse die Leser noch einmahl darauf aufmerksam, weil ich mich künftig in der Geschichte darauf beziehen, selbst prüfen und dem Publico unpartheiisch melden werde, was wahr oder falsch war.

      „Und nun ihr theuern Berliner, wollt ihr eine Geschichte wissen, welche nicht nur in, sondern auch außerhalb Berlin so viele Aufmerksamkeit erregte, eine Geschichte, über welche man billionenfältig sprach und urtheilte, ab- und hinzusetzte, eine Geschichte, welche abermahls einen traurigen Beweis von der Verirrung des menschlichen Herzens gibt, eine Geschichte, vor welcher die Menschenfreunde den größten Schauder empfinden müssen, eine Geschichte, aus welcher man lernen kann, daß die Vorsehung so gerecht ist, das Gute belohnt, das Böse aber bestraft? So leset, theuerste Berliner! leset die Geschichte des Johann Christian Lenzsen!“

      Beherziget sie nicht nur, sondern leset sie auch euern Kindern als warnendes Beispiel vor und sagt ihnen: Wer von dem Schöpfer weicht, den fliehen Religion und Rechtschaffenheit. Sein böser Geist aber bringt ihn endlich in solche Labyrinthe, aus welchen man sich eben so wenig retten kann, als sich der unglückliche Lenz, welcher jetzt allgemeine Erbarmung verdient, retten konnte.

      „Höret, liebe Berliner und leset !“

      Mord und Totschlag

      Eine schreckliche Tat

      In der Nacht von dem 13ten auf den 14ten Junius 1789 geschah eine schreckliche That und gleich des Morgens darauf, Sonntags früh gegen 6 Uhr wurde alles ruchbar. Denn um diese Zeit (es war Sonntag, der 14te Junius 1789) wandelte ein Weib aus Oranienburg auf der Landstraße, welche nach Berlin führt. Gegen das Ende der Haide zwischen Havelhausen und Birkenwerder traf es auf einen ermordeten Menschen...

      Natürlich erschrak das gute Weib, kehrte eilend um, lief nach dem Dorfe Birkenwerder, welches in der Nähe lag und meldete dem Schulzen, was sich zugetragen hatte. Sogleich ließen der Schulz und auch der Prediger von Birkenwerder diese Nachricht in Borgsdorf und Oranienburg bekannt machen, mit dem Zusatze, den dortigen Crais-Physicum herbeizuholen. Kaum war das Gerücht erschollen, so wurde bei manchem aus Borgsdorf und Oranienburg die Neugierde rege, diesen Ermordeten selbst zu sehen. Zu dem Ende ließen sie sich die Stelle bezeichnen und gingen hin. Einige erkannten in dem Unglücklichen einen Postillion. Andere fanden von diesem etwas entfernt und abseits den Schirrmeister in seinem Blute. Und wieder andere entdeckten einen dritten Leichnahm.

      Bei dem Postillion fand man einen sog. Krumkamm, bei dem Schirrmeister aber einen Stroh-Sack. In diesem steckte ein blutiges Messer. (Der Krumm-Kamm ist ein gebogener Kamm mit langen Zähnen um Haare hochzustecken (wäre ein gefundenes Fressen für Kriminalisten im Zeitalter der Genanalyse)

      Der Pinnowsche Kühhirt hatte schon morgens früh um 5 Uhr in der Pinnowschen Haide den Postwagen, welcher mit 6800 Thalern in acht Fässern beladen gewesen war, gefunden, die im Geschirre verwickelten Pferde abgespannt und es ebenfalls sogleich dem dortigen Förster Clausius angezeigt.

      Auch entdeckte sich sehr bald, daß die Plünderung den Beiwagen der Stettiner Post, welche gewöhnlich Sonnabends Abends von Oranienburg nach Berlin fährt, betroffen hatte. Der Förster Clausius versäumte bei der erhaltenen Nachricht eben so wenig seine Pflicht. Augenblicklich traf er mit dem Landjäger Weinreich und vielen Bewohnern die Anstalten, etwas von dem geschehenen Mordthaten in der dortigen Gegend auszuspähen. Sie waren auch vor der Hand so glücklich die Spur des Wagens zu entdecken, und 4000 Thaler theils in Fässern theils in Beuteln, welche in der Pinnowschen Haide hie und da nur etwas verscharrt gewesen waren, wieder zu erhalten.

      Nach diesem Vorfalle besetzte man die ganze Gegend mit Soldaten, welche zu Oranienburg in Garnison lagen, dann mit Husaren, welche zu diesem Behufe von Berlin geschickt wurden. Der größten Mühe und Sorgfalt ungeachtet blieb doch alles vergeblich, das noch fehlende Geld, noch weniger die Mörder auszukundschaften.

      Was die Entseelten betraf; so richtete man auf den, welchen man zuletzt gefunden hatte, das Haupt-Augenmerk. Vorzüglich deßwegen, weil an ihm noch einige Merkmahle des Lebens wahrgenommen wurden. Die allgemeine Stimme lautetet: „Es ist der Sohn des Bäckermeisters Wegner (korrekte Schreibweise des Namens ist wohl „Wegener“, allerdings wird wegen fehlender Regularien und fehlender Schriftkenntniß zu dieser Zeit nach Gehöhr notiert) aus Oranienburg, ist siebzehen Jahr alt und der jüngere Bruder des Postillions. Sogleich wurde er nach Borgsdorf geschafft und dem Herrn Doctor Lindenberg anvertraut. Dieser war schon mit dem Compagnie-Chirurgo Werwach aus Oranienburg eingetroffen.

      Der siebzehnjährige Jüngling lag gleichsam ganz ohne Sinnen da. Kaum wurde man etwas Leben gewahr. Die ganze rechte Seite fand man gelähmt. Der Puls war kaum merklich und das Atemhohlen äußerst schwer. An der linken Seite des Hinterbeines hatte er zwei Quetschungen. Der ganze linke Theil des Kopfes aber war sehr stark aufgetrieben. Wählend dessen, daß die Ärzte die größte Sorgfalt anwandten, den jungen Unglücklichen zu retten, so hatte man auch schon gesorgt, den ermordeten Schirrmeister nach Borgsdorf zu bringen und über ihn eine genaue Besichtigung und Untersuchung anzustellen. Daraus ergab sich, daß das Stirnbein der rechten Seite dergestalt eingeschoben war, daß das Gehirn hervorquoll. Bei dieser schweren Verletzung des Kopfes bemerkte man 4 Messerstiche. Drei davon gingen durch die linke Seite in die Brust, der vierte traf das Herz. Der Ausspruch der Ärzte war allgemein: Der Schirrmeister ist auf der Stelle todt geblieben.

      Den entseelten Postillion schaffte man zu seinen Ältern nach Oranienburg. Bei der gesetzlichen Besichtigung entdeckte man, daß alle Muskeln des Kinnbackens und des Mundes kreuz und querweis und so durchschnitten waren, daß man die Zähne ganz offen sah. Alle Hals-Muskeln, die Puls, Adern und Gefäße, fand man ganz um den Hals mit der Luft, und Speise, Röhre bis an die Wirbel-Beine durch geschnitten und den ganzen Cörpers natürlich verblutet. Auch bemerkte man noch an verschiedenen Theilen des Cörpers 5 größere und kleinere Wunden.

      Alle nur mögliche Mühe wurde angewandt, den Postillion zu retten. Leider aber war alles um sonst. Stets blieb er in einer Erstarrung und ohne die mindeste Besinnungskraft. Zu seiner Rettung schickte man dm General-Chirurgum Gerise von Berlin ab. Gewiß ist er nicht nur als Menschenfreund, sondern auch als großer Arzt bekannt. Er trepanierte den unglücklichen Wegner (Schädelöffnung zur Druckentlastung). Alle Bemühungen aber waren unvermögend ihm das Leben wiederzugeben und durch ihn die verruchten Bösewichter zu erfahren. Schon in der Nacht von dem 16 aufden 17ten Junius gab er seinen Geist ganz auf.

      Ausspähung

      Wer weiß was?

      Sehr wahrscheinlich war es, daß ein Straßen-Raub mit einer solchen Mord-That begleitet, nicht lang verborgen bleiben konnte. Auch dieses traf hier ein.

      Die Preussische Justiz, welche bekanntlich sehr exact und schnell ist, bewies dieses hier vorzüglich. Allgemein war man bemüht diese scheußliche Mordthaten auszuspähen. Die Stadt Oranienburg, die Dörfer Pinnow und Borgsdorf wurden auf das schleunigste und das genaueste durchsucht. Der Major von Globen schickte sogleich, als dieser Mord in Oranienburg erscholl, zwei Officiere nach den Mecklenburgschen Grenzen. Andere folgten diesen wachsamen Beispielen in den andern umliegenden Gegenden. Die Magistrate und Dorf-Gemeinen wurden erinnert, auf ihrer Huth zu seyn und jeden verdächtigen Menschen sogleich anhalten zu lassen.

      Das Cammer-Gericht erhielt unmittelbar von Sr. Majestät dem Könige den Befehl, die Mecklenburgschen Gerichts-Höfe um Hülfe Rechtens zu bitten. Zufolge dieses Königlichen Befehls wurden die Justiz-Canzleien zu Schwerin und Strelitz ersucht, theils alle verdächtige, theils auch ankommende Personen genau beobachten zu lassen.

      Auf Veranlassung des General-Postamtes ersuchte das Cammer-Gericht ebendasselbe die Churfürstl. Sächsischen, Herzoglich Braunschweigschen, wie auch Fürstlich-Anhaltschen Regierungen. Desgleichen wurden alle diejenigen, von welchen man nur einige Nachrichten einzuziehen

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