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das gute Renommée seines Bureau’s thätig gewesen sein, als er mich eines Tages nach dem Appell in sein Kabinet kommen hieß, wo ein sorgenvoll dreinschauender Herr auf uns wartete. Bei der Vorstellung wurde er mir als ein Bankier Ohlert genannt, der gekommen sei, sich in einer Privatangelegenheit unseres Beistandes zu bedienen. Der Fall war für ihn ebenso betrübend wie für sein Geschäft gefährlich.

      Er besaß ein einziges Kind, einen Sohn, Namens William, fünfundzwanzig Jahre alt und unverheirathet, dessen geschäftliche Dispositionen dieselbe Giltigkeit hatten wie diejenigen des Vaters, welcher mit einer deutschen Frau verheirathet gewesen und selbst deutscher Abstammung war. Der Sohn, mehr träumerisch als thatkräftig angelegt, hatte sich mehr mit wissenschaftlichen, schöngeistigen und Büchern metaphysischen Inhaltes als mit dem Hauptbuch beschäftigt und sich nicht nur für einen bedeutenden Gelehrten, sondern sogar für einen Dichter gehalten. In dieser Ueberzeugung war er durch die Aufnahme einiger Gedichte in eine der deutschen Zeitungen New-Yorks bestärkt worden. Auf irgend eine Weise war er auf die Idee gerathen, eine Tragödie zu schreiben, deren Hauptheld ein wahnsinniger Dichter sein solle. Um dies zu können, hatte er gemeint, den Wahnsinn studiren zu müssen, und sich eine Menge darauf bezüglicher Werke angeschafft. Die schreckliche Folge davon war gewesen, daß er sich nach und nach mit diesem Dichter identificirte und nun glaubte, selbst wahnsinnig zu sein. Vor Kurzem hatte der Vater einen Arzt kennen gelernt, welcher angeblich die Absicht gehabt hatte, eine Privatheilanstalt für Geisteskranke gründen zu wollen. Der Mann war lange Zeit Assistent berühmter Irrenärzte gewesen und hatte dem Bankier ein solches Vertrauen einzuflößen gewußt, daß dieser ihn gebeten hatte, die Bekanntschaft seines Sohnes zu machen, um zu versuchen, ob sein Umgang mit dem Letzteren von guter Wirkung sei.

      Von diesem Tage an hatte sich eine innige Freundschaft zwischen dem Arzte und Ohlert junior entwickelt, welche die ganz unerwartete Folge hatte, daß Beide ganz plötzlich – – verschwanden. Nun erst hatte der Bankier sich genauer nach dem Arzte erkundigt und erfahren, daß derselbe einer jener Medizinpfuscher sei, wie sie zu Tausenden in den Vereinigten Staaten ungestört ihr Wesen treiben.

      Tailor fragte, wie dieser angebliche Irrenarzt heiße, und als der Name Gibson und dessen Wohnung genannt wurde, stellte es sich heraus, daß wir es da mit einem alten Bekannten zu thun hatten, welchen ich bereits wegen einer anderen Angelegenheit einige Zeit lang scharf im Auge gehabt hatte. Ich besaß sogar eine Photographie von ihm. Sie lag im Bureau, und als ich sie Ohlert zeigte, erkannte dieser sofort den zweifelhaften Freund seines Sohnes.

      Dieser Gibson war ein Schwindler ersten Ranges und hatte sich lange Zeit in verschiedenen Eigenschaften in den Staaten und Mexiko herumgetrieben. Gestern war der Bankier zu dem Wirthe desselben gegangen und hatte erfahren, daß er seine Schuld bezahlt habe und dann abgereist sei, wohin, das wisse Niemand. Der Sohn des Bankiers hatte eine bedeutende Baarsumme mitgenommen, und heute war von einem befreundeten Bankhause in Cincinnati die telegraphische Meldung eingelaufen, daß William dort fünftausend Dollars erhoben habe und dann nach Louisville weiter gereist sei, um sich von dort seine Braut zu holen. Das Letztere war natürlich Lüge.

      Es war alle Ursache vorhanden, anzunehmen, daß der Arzt seinen Patienten entführt habe, um sich in den Besitz großer Summen zu setzen. William war den hervorragendsten Geldmännern seiner Branche persönlich bekannt und konnte von ihnen erhalten, so viel ihm nur beliebte. In Folge dessen galt es, sich des Verführers zu bemächtigen und den Kranken nach Hause zu bringen. Die Lösung dieser Aufgabe wurde mir anvertraut. Ich erhielt die nötigen Vollmachten und Anweisungen, auch eine Photographie von William Ohlert, und dampfte zunächst nach Cincinnati ab. Da Gibson mich kannte, so nahm ich auch diejenigen Requisiten mit, deren ich bedurfte, wenn ich in die Lage kommen sollte, mich durch Verkleidung unkenntlich zu machen.

      In Cincinnati suchte ich den betreffenden Bankier auf und erfuhr von ihm, daß Gibson sich wirklich bei William befunden habe. Von da ging es nach Louisville, wo ich in Erfahrung brachte, daß die Beiden sich Billetts nach St. Louis genommen hatten. Natürlich reiste ich nach, fand aber erst nach längerem und angestrengtem Suchen ihre Spur. Sie waren auf einen Missisippidampfer nach New-Orleans gefahren, wohin ich ihnen folgen mußte.

      Nun befand ich mich bereits seit vier Tagen in New-Orleans und hatte noch nicht den mindesten Erfolg zu verzeichnen. Ohlert hatte mir ein Verzeichniß derjenigen Geschäftshäuser gegeben, mit denen er in Verbindung stand. In Louisville und St. Louis war ich zu den Betreffenden gegangen und hatte erfahren, daß William bei ihnen gewesen sei und Geld erhoben habe. Dasselbe hatte er auch in New-Orleans bei zwei Geschäftsfreunden gethan; die übrigen warnte ich und bat sie, sofort zu mir zu schicken, falls er noch kommen werde.

      Das war Alles, was ich erfahren hatte, und nun stack ich mitten in der Brandung der Menschenwogen, welche die Straßen von New-Orleans durchfluthen, und hatte das demüthigende Gefühl, ein Mensch zu sein, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist. Wie sich ganz von selbst versteht, hatte ich mich an die Polizei gewendet und konnte nun weiter nichts thun, als abwarten, welchen Erfolg die Hilfe dieser Leute haben werde. Um nicht ganz unthätig zu bleiben, trieb ich mich suchend in dem Gewühl herum. Vielleicht kam mir ein günstiger Zufall zu statten.

      Ich befand mich zum ersten Male im Süden des Landes, und also fiel mir der Unterschied zwischen dem Treiben von New-York und New-Orleans doppelt auf. New-Orleans hat einen ganz entschieden südlichen Charakter, besonders in seinen älteren Theilen. Da gibt es schmutzige, enge Straßen, Häuser, welche mit Laubenvorbauten und Balkons versehen sind. Dorthin zieht sich dasjenige Leben zurück, welches das Licht des Tages zu scheuen hat. Da sind alle möglichen Gesichtsfarben vom krankhaft gelblichen Weiß bis zum tiefsten Negerschwarz vertreten. Leierkastenmänner, ambulante Sänger und Guitarrespieler produziren ihre ohrenzerreißenden Leistungen. Männer schreien, Frauen kreischen; hier zerrt ein zorniger Matrose einen scheltenden Chinesen am Zopfe hinter sich her; dort balgen sich zwei Neger, von einem Kreise lachender Zuschauer umgeben. An jener Ecke prallen zwei Packträger zusammen, werfen sofort ihre Lasten ab und schlagen wüthend auf einander los. Ein Dritter kommt dazu, will Frieden stiften und bekommt nun von Beiden die Hiebe, welche ursprünglich nicht für ihn bestimmt waren.

      Einen bessern Eindruck machen die vielen kleinen Vorstädtchen, welche aus netten Landhäusern bestehen, die sämmtlich von sauberen Gärten umfriedet sind, in denen Rosen, Stechpalmen, Oleander, Birnen, Feigen, Pfirsiche, Orangen und Zitronen stehen. Dort findet der Bewohner die ersehnte Ruhe und Beschaulichkeit, nachdem ihn der Lärm der Stadt umtobt hat.

      Am Hafen geht es natürlich am regsten zu. Da wimmelt es förmlich von Schiffen und Fahrzeugen aller Arten und Größen. Da liegen riesige Wollballen und Fäßer aufgestapelt, zwischen denen sich Hunderte von Arbeitern bewegen. Man könnte sich auf einen der Baumwollenmärkte Ostindiens versetzt denken.

      So wanderte ich durch die Stadt und hielt die Augen offen – vergeblich. Es war Mittag und sehr heiß geworden.

      Ich befand mich in der schönen, breiten Common Street, in welcher mir das Firmenschild einer deutschen Bierstube in die Augen fiel. Ein Schluck Pilsener in dieser Hitze konnte nichts schaden. Ich ging hinein.

      Welcher Beliebtheit sich schon damals dieses Bier erfreute, konnte ich aus der Menge der Gäste ersehen, welche in dem Locale saßen. Erst nach langem Suchen sah ich einen leeren Stuhl, ganz hinten in der Ecke. Es stand da ein kleines Tischchen mit nur zwei Sitzplätzen, deren einen ein Mann eingenommen hatte, dessen Aeußeres wohl geeignet gewesen war, die Besucher von der Benutzung des zweiten Platzes abzuschrecken. Ich ging nichtsdestoweniger hin und bat um die Erlaubniß, mein Bier bei ihm trinken zu dürfen.

      Ueber sein Gesicht ging ein fast mitleidiges Lächeln. Er musterte mich mit prüfendem, beinahe verächtlichem Blicke und fragte:

      »Habt Ihr Geld bei Euch, Master?«

      »Natürlich!« antwortete ich, mich über diese Frage wundernd.

      »So könnt Ihr das Bier und auch den Platz, den Ihr einnehmen wollt, bezahlen?«

      »Ich denke es.«

      »Well, warum fragt Ihr da nach meiner Erlaubniß, Euch zu mir setzen zu können? Ich calculire, daß Ihr ein Dutchman seid, ein Greenhorn hierzulande. Der Teufel sollte einen Jeden holen, der es wagen wollte, mich zu verhindern, da Platz zu nehmen, wo es mir gefällt!

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