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Häuptlings ruhig aushaltend.

      »So seid ihr lahme Hunde, die man keiner Kröte nachsenden darf, die zu schnell für sie ist! Ich werde euch zurückschicken in die Zelte der alten Weiber, zu denen ihr gehört.«

      »Du bist Vupa-Umugi, unser Häuptling des Krieges, dessen Befehle wir zu befolgen haben; aber wenn du Befehle erteilst, die nicht auszuführen sind, so darfst du diejenigen nicht beschimpfen, die sich vergeblich Mühe geben. Wir sind keine lahmen Hunde, sondern tapfre, erfahrene Krieger, sonst hättest du uns nicht ausgewählt, dem Bleichgesicht zu folgen. Wir gehen nicht zu den alten Weibern. Steht der Mund über den Ohren? Warum sprichst und urteilst du, ehe du gehört hast, aus welchen Gründen wir den Skalp nicht bringen?«

      Das war kühn gesprochen; dieser Mann war sicherlich kein Hasenfuß. Man erzählte sich von der Grausamkeit Vupa-Umugis viele Geschichten; er bethätigte diese Eigenschaft wohl nicht bloß gegen Weiße, sondern hatte sich wohl auch oft gegen Stammesgenossen rücksichtslos bewiesen; man achtete ihn als Krieger, aber man liebte ihn nicht; es hatte sich eine Erbitterung gegen ihn angehäuft, welche bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine war, zum Ausbruche kam. Das Verhalten des wackern Untergebenen war mutig, aber keineswegs verwegen. Ein Indianerhäuptling ist nichts weniger als ein absoluter Herrscher; er wird von dem Stamme gewählt; er behält seine Würde, so lange er sich durch Erfahrung, Klugheit und Kühnheit zu halten weiß, aber er kann in jedem Augenblick durch die ›Versammlung der Alten‹ abgesetzt werden und ist dann weniger, als er vorher war. Vupa-Umugi wußte das; ich sah es ihm an, daß ihn der Vorwurf des Kriegers in Wut versetzte; seine Hand zuckte nach dem Gürtel, in dem er das Messer stecken hatte; aber er bezwang sich und sagte in nicht ganz vollständig beherrschtem Tone:

      »Du sollst erzählen, und ich werde hören, um dann zu sagen, ob Ihr noch zu den Kriegern der Comantschen zu rechnen seid.«

      Er setzte sich nieder; die vorhin bei ihm gesessen hatten, nahmen auch wieder Platz, und als dies geschehen war, begann der Comantsche, den Verlauf seines Verfolgungsrittes zu erzählen. Man hörte ihm zu, bis er zu den Worten kam:

      »Da traf uns plötzlich ein Schlag an den Kopf, und wir fielen tot nieder. Als wir wieder lebendig wurden, waren wir gefesselt und an einem Baum festgebunden.«

      »Gefesselt und festgebunden?« brauste da der Häuptling auf. »Ohne euch gewehrt zu haben?«

      »Kann der Häuptling der Racurroh sich gegen einen Feind wehren, den er nicht sieht?«

      »Nein; aber ich würde jeden Feind sehen, der es wagen wollte, mich anzugreifen!«

      »Diesen auch nicht!« »Diesen? So weißt du, wer er war?« »Ja.« »Nenne seinen Namen!« »Old Shatterhand.«

      »Uff!« rief der Häuptling, indem er halb emporfuhr und dann wieder niedersank.

      »Uff, uff, uff, uff!« riefen die andern ihm nach.

      »Old Shatterhand!« stieß er hervor. »Dieser bleiche Hund, den die Krieger der Comantschen schon so oft in ihren Händen hatten und der ihnen doch stets wieder entgangen ist! O, wäre ich doch an eurer Stelle gewesen!«

      »Dir wäre es grad so ergangen wie uns!«

      »Schweig! Ich bin Vupa-Umugi und hätte mich nicht von ihm beschleichen lassen!«

      »Wir sind nicht beschlichen und überfallen worden, wir waren es, die das entflohene Bleichgesicht beschleichen wollten. Konnten wir wissen, daß es auf andre Weiße getroffen war? Und konnten wir ahnen, daß Old Shatterhand, der stets Unbesiegte, sich bei diesen Weißen befand?«

      »Nein; aber ihr mußtet vorsichtiger sein!«

      »Wir sind es gewesen. Als wir das Feuer rochen, ließen wir sogleich unsre Pferde zurück und schlichen uns unhörbar vorwärts, um zu sehen, wer an demselben saß. Niemand hätte uns entdeckt und ergriffen, sondern wir hätten uns alle ihre Skalpe geholt, wenn nicht Old Shatterhand, der alles weiß und der auch ahnte, daß wir kommen würden, uns entgegengegangen wäre. Er saß im Dickicht und lauschte. Es war dunkle Nacht, und wir konnten ihn nicht sehen, wie ebenso deine Augen ihn nicht erblickt hätten. Als wir ihn erreichten, sprang er auf und schlug uns nieder. Meine roten Brüder haben alle von seiner starken Hand gehört?«

      Er richtete diese Frage an alle, die um ihn standen.

      »Héhé, héhé = jaja, jaja,« wurde ihm geantwortet.

      »Und daß jeder, den sie trifft, tot niederstürzt?«

      »Héhé, héhé = jaja, jaja.«

      »Glaubt ihr, daß es euch anders ergangen wäre als uns, daß ihr ihn gesehen hättet und ihm entkommen wäret?«

      »Aga, aga = nein, nein!«

      Er war ein kluger Verteidiger seiner Sache, indem er die ihm Gleichstehenden nach ihrem Urteile fragte; ihre Zustimmung bildete für ihn eine Schutzmauer gegen den cholerischen Zorn des Häuptlings. Er erzählte weiter, und wurde von Vupa-Umugi nicht wieder unterbrochen, bis er zu Ende war. Als er seinen Bericht geschlossen hatte, fragte er:

      »So handelte Old Shatterhand, den die Krieger der Comantschen ihren Feind nennen. Ahnt einer von ihnen, wer das andre Bleichgesicht war, welches wir verfolgt haben?«

      Sie verneinten es.

      »Und doch haben wir alle oft von diesem Weißen gehört.«

      »Ich sah ihn, als er durch unsre Schar hindurchritt, als ob ihn keine Kugel treffen und keine Waffe verwunden könne, kannte ihn aber nicht,« bemerkte der Häuptling.

      »Sein Haar war lang und weiß, wie der Schnee der Berge; sahst du das nicht?«

      »Ich sah es.«

      »In sein Gesicht haben über neunzig Winter ihre Falten eingegraben. Es giebt nur ein einziges Bleichgesicht, welches so viele Jahre zählt, so weißes Haar besitzt und ein so kühner Reiter ist, sein Pferd und sich ganz unverletzt durch zehnmal fünfzig feindliche Reiter zu drängen.«

      »Uff, uff!« rief da der Häuptling. »Mein roter Bruder scheint Old Wabble zu meinen?«

      »Ja, den meine ich.«

      »Er war es?«

      »Ja.«

      »Dieser ist's gewesen, dieser! Als er uns entkam, hatte uns der gute Geist verlassen. Kein anderes, jetzt noch lebendes Bleichgesicht hat so oft das Blut der roten Männer vergossen, wie dieser lang- und weißhaarige Hund. Wäre er in unsre Hände gefallen, so hätte sich ein Freudengeheul erhoben, soweit die Zelte der Comantschen stehen. Doch ist er uns nur für dieses Mal entkommen; wir werden ihn wiedersehen und sicher ergreifen, vielleicht morgen oder am nächsten Tage schon!«

      »Willst du ihm andre und mehr Krieger nachsenden, als wir gewesen sind?«

      »Nein.«

      »Was denn?«

      Auf diese allerdings etwas ungebührliche Frage antwortete der Häuptling in leichtem Tone und indem er eine beinahe wegwerfende Handbewegung machte:

      »Mein roter Bruder ist ein gewöhnlicher Krieger und wagt es dennoch, den obersten Kriegsanführer der Racurrohs zu fragen, was er thun will. So eine Frage steht dir nicht zu; aber ich will es dir dennoch sagen, damit du siehst, daß ich gesonnen bin, euch das Mißlingen eures Rittes zu verzeihen. Wir brauchen Old Wabble nicht zu folgen, denn er wird kommen.«

      »Er kommt nicht,« behauptete der Krieger trotz des Verweises, den er erhalten hatte.

      »Er kommt!« rief der Häuptling im Tone der Überzeugung aus.

      »Wir aber wissen, daß er nicht kommt.«

      »Er hat Hilfe holen wollen, um das Bleichgesicht, welches drüben auf der Insel gefesselt liegt, zu befreien; er hat zehn Bleichgesichter gefunden, deren Anführer Old Shatterhand ist; sie werden kommen.«

      »Sie wären im Gehirn erkrankt, wenn sie glaubten, daß elf Weiße uns besiegen können!«

      »Old Shatterhand ist bei ihnen. Bleichgesichter, welche er anführt, wagen alles.«

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