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Karl Marx den Menschen auch verändern wollte, glaubte Lenin, dass eine geistige Wende nicht notwendig ist. Zumindest glaubte er dies solange, bis er am Ende seines Lebens den Charakter von Stalin erkannte. Er wollte mit aller Macht Stalin als seinen Nachfolger verhindern. Es kam, wie wir erfahren mussten aber anders. Für Marx ging es bei der Entwicklung zum Sozialismus nicht in er-ster Linie um mehr Konsum. Der Stalinismus wollte aber dem Kapitalismus Kon-kurrenz machen. Bloch meinte, dass der Sozialismus des gesamten Ostens die Gefühle der Menschen vernachlässigte. Dies sehe ich ähnlich, glaube aber auch, dass man auch etwas anbieten muss, was über die Materie hinausgeht. Ethik und Spiritualität. Mo Ti´s Sozialismus im alten China konnte mehrere Jahrhunderte existieren, bis er verboten wurde, weil er einen spirituellen Ansatz hatte. Ihn verband die Ethik, eine Gemeinschaft, die auf dem Prinzip des Friedens, der Ge-rechtigkeit und der Liebe aufgebaut war. Dies fehlte dem marxistisch-leninistischen Sozialismus. Ohne eine verbindende Moral, die die führenden Po-litiker auch vorleben, kann keine gerechte Gesellschaft sich langfristig positiv entwickeln.

      Eine funktionierende Gesellschaft braucht etwas, das alle Menschen miteinander verbindet. Jahrhundertelang war dies die Religion. Diese Zeit ist zumindest in unserer Gesellschaft vorbei. Was verbindet uns heute? Die Industrieländer und bis auf China alle Schwellenländer leben in einer marktkonformen Demokratie. Das heißt der Markt, die Ökonomie, das Wachstum und der Profit dominieren die Demokratie. Das, was uns alle verbindet ist ein kapitalistisches System. In Deutschland durch die soziale Markwirtschaft etwas abgemildert, aber seit der Globalisierung in den 90er Jahren, nehmen die sozialen Verpflichtungen zuneh-mend ab.

      Kapitalisten gibt es schon lange. Das Wort Kapitalismus selbst hat aber eher eine kurze Geschichte. Es stammt von dem Dichter Samual Taylor Coleridge, der es 1823 zum ersten Mal verwendete. Niemand kann sich heute dem Kapitalismus entziehen, auch Menschen nicht, die ihn ablehnen. Religio ist lateinisch und heißt auch „ich verbinde“. Daher wird der Kapitalismus auch als Religion bezeichnet. Jeder nimmt in irgendeiner Form an der Marktgesellschaft teil. Entweder als Konsument, als Lohnempfänger oder (und) als Produktionsmittelbesitzer. Auch wenn jemand Hartz IV bezieht, es ist Geld, das auf dem Markt durch die Arbeit anderer Menschen erwirtschaftet wurde.

      Nachdem der Kommunismus wegen der mangelnden Moral fast in der ganzen Welt bis auf China, Nordkorea und Kuba zusammenbrach, wurde die Moral des Kapitalismus nicht mehr hinterfragt. Es gibt zurzeit auch kaum eine wirkliche ökonomische Alternative. Diese muss erst entwickelt werden.

      Niemand hat den Kapitalismus besser analysiert als Karl Marx. Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das drei Säulen hat:

       Privateigentum: Den Besitz der Produktionsmittel und der Tauschmittel. Dies ist einmal der Besitz des Bodens, der Häuser und der Maschinen, um mit ihnen und den Lohnarbeitern als Tauschmittel die Waren herzustellen.

       Die Freiheit des Marktes

       Die Lohnarbeit

      Privateigentum, von lateinisch privare, was bezeichnenderweise berauben heißt, weil sie andere von dessen Gebrauch und Genuss ausschließt. Diese Form ist für den Kapitalismus etwas „Natürliches“ und Universales. Wenn wir die Entwicklung der Menschheit betrachten, ist sie eher eine Ausnahme. Im Kapitalismus spielt es keine Rolle woher das Privateigentum kommt. Es geht niemanden etwas an, woher und wie das Eigentum erworben wurde und was ich als Besitzer damit mache. Das Eigentum soll zwar verpflichten, aber für was wird nicht gesagt und darf niemanden interessieren.

      Die Besitzer, bei den großen Firmen, die Aktionäre, lassen die Lohnarbeiter für sich arbeiten. Die Lohnarbeiter erzielen über die Arbeit einen „Mehrwert“. Das heißt der Wert, den sie herstellen, übertrifft den Lohn, den sie erhalten. Diesen „Mehrwert“ bekommt der Unternehmer. Je größer der Mehrwert, umso größer der Gewinn für ihn oder die Aktionäre.

      Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das Gewinn erzielen will. Er ist dafür da, diejenigen die die Produktionsmittel besitzen noch reicher zu machen. Das ist der „Sinn“ des Kapitalismus. Das Geld fließt nicht zu denen, die wenig haben und wo es eher gebraucht wird, sondern es fließt dorthin, wo schon Geld ist.

      Comte- Sponville erkennt in unserer Gesellschaft 4 hierarchisch aufgebaute Ord-nungssysteme:

       Die Technowissenschaften: Bei den Technowissenschaften geht es um die Frage. Was ist möglich und was ist unmöglich? Im Kapitalismus, bei den Technowissenschaften wird alles, was möglich ist gemacht. Es gibt hier keine Moral. Wenn es für irgendetwas einen Markt gibt, wird es herge-stellt. Selbst wenn der technologische Fortschritt den Bestand der Menschheit gefährdet, wie z.B. durch die Atombombe oder bei Genma-nipulationen. Die Technowissenschaften werden alles was möglich ist, aus-probieren.

       Die rechtlich politische Ordnung. Das Recht liegt beim Staat. Rechtlich ist erlaubt, was die Gesetze nicht verbieten.

       Die Ordnung der Moral. Moral ist die Plicht, nach Kant die Gesamtheit aller Pflichten und zwar unabhängig von Lob oder Strafe. Es ist die Pflicht, die wir uns selbst auferlegen. Es ist die Art zu handeln, als ob wir lieben würden.

       Die letzte und höchste Ordnungsmacht ist die Ethik. Ethik ist aus Liebe heraus zu handeln. Weil dies uns so schwer fällt, brauchen wir die Moral, also die Tugenden.

      1.2 Auswirkungen unseres marktkonformen Gesellschaftssystems

      Das Prinzip der marktkonformen Gesellschaft, die kapitalistische Ökonomie hat sich nahezu weltweit durchgesetzt. Die Dynamik zeigt sich nicht nur auf dem Markt, sondern auch in der psychischen Struktur der Menschen. Das dynamische ökonomische System fördert die Gier und die darunterliegenden Ängste, die bei den meisten Menschen eher unbewusst sind. Die Gier ist eine Grundhaltung, die dem System immanent (innewohnend) ist. Nur die wenigsten Menschen können sich dieser Dynamik entziehen, wenn sie die „Früchte“ des Systems kennen und schätzen gelernt haben. Geld, Besitz, Güter, Status. Ein es „Genügt nie“, ein Mehr ein Immermehr- Habenwollen ist die Folge. Es spricht unser Ego und un-sere Selbstsucht an. Ich, ich und nochmals ich. Das Du, die Hinwendung zum anderen ist durch die Konkurrenzhaltung gestört. Eine psychische Dynamik ent-steht, über die man süchtig werden kann. Der andere ist Konkurrent, Gegner, der notfalls bekämpft werden muss. Das gesamte Sein wird nach materiellen Ge-sichtspunkten begutachtet. Was bringt es mir, was kann ich dafür kaufen. Schneller, höher, größer, perfekter. Diese Dynamik prägt unsere gesamte ge- sellschaftliche und kulturelle Struktur, den Umgang mit den anderen Menschen, die Beziehung zur anderen Natur. Unsere Kultur, den Sport, die Erziehung und die Bildung. Mit der Muttermilch nehmen wir diese geistige Haltung in der Regel auf. Unsere Sehnsucht nach Frieden, Zufriedenheit und Glück hat in diesem System wenig Raum. Der Begriff „System“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ein in sich geschlossenes, geordnetes und gegliedertes Ganzes. Die Teile sind voneinander abhängig, wirken zusammen und greifen ineinander über. Das heißt auch, dass sich ihm niemand entziehen kann.

      Auf dem Markt setzen sich nicht die Tugendhaften und Großzügigen, sondern die Effizientesten durch. Man kann sich dort in aller Regel nur als Egoist zurechtfinden. Eine Gesellschaft braucht aber Werte, eine Moral, um Bestand ha-ben zu können. Um sich auf dem Markt durchzusetzen, muss man den an-deren als Konkurrent sehen, um mit ihm aber in einem Gesellschaftssystem zusam-menzuleben, brauche ich Tugenden und moralisch bindende Werte. Durch diese Polaritäten und Widersprüche entsteht eine unauflösbare Spannung. Diese Polarität, diese unauflösbaren Widersprüche haben im 21. Jahrhundert spürbar zugenommen. Die Menschen in unserer Gesellschaft müssen deshalb einerseits eine egoistische Haltung und andererseits eine soziale Haltung entwickeln, wenn sie in diesem System zurechtkommen wollen. Dies führt zwangsweise zu einer schizophrenen Haltung, die unser ganzes soziales Leben durchzieht und entweder zur psychischen oder physischen Gewalt, oder in die Depression führen kann. Da dieser Widerspruch durch die Globalisierung beständig zunimmt, nehmen auch die Gewalt und die Depression in den kapitalistischen Gesellschaftsformen zu. Dieser Gegensatz ist so extrem polarisierend, dass er das gesamte gesellschaft-liche System Demokratie zunehmend zerreißt.

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