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die Pantoffeln um die Ohren flogen; eine solche Lufterscheinung hatten sie noch nie gesehen. Nun konnten sie begreifen, daß es der Türkengott selbst war, der die Prinzessin haben sollte.

      Sobald der Kaufmannssohn wieder mit seinem Koffer herunter in den Wald kam, dachte er: »Ich will doch in die Stadt hinein gehen, um zu erfahren, wie es sich ausgenommen hat!« Und es war natürlich, daß er Lust dazu hatte.

      Nein, was doch die Leute erzählten! Ein Jeder, den er darnach fragte, hatte es auf seine Weise gesehen; aber schön hatten es Alle gefunden.

      »Ich sah den Türkengott selbst,« sagte der Eine. »Er hatte Augen wie glänzende Sterne, und einen Bart, wie schäumende Wasser!«

      »Er flog in einem Feuermantel,« sagte ein Anderer. »Die lieblichsten Engelskinder blickten aus den Falten hervor!«

      Ja, das waren herrliche Sachen, die er hörte, und am folgenden Tage sollte er Hochzeit machen.

      Nun ging er in den Wald zurück, um sich in seinen Koffer zu setzen – aber wo war der geblieben? Der Koffer war verbrannt. Ein Funken des Feuerwerks war zurückgeblieben, der hatte Feuer gefangen, und der Koffer lag in Asche. Er konnte nicht mehr fliegen, nicht mehr zu seiner Braut gelangen.

      Sie stand den ganzen Tag auf dem Dache und wartete; sie wartet wahrscheinlich noch. Er aber durchwandert die Welt und erzählt Märchen, doch sind sie nicht mehr so lustig, wie das, welches er von den Schwefelhölzchen erzählte.

      Im Garten blühten alle Apfelbäume, sie hatten sich gesputet, Blumen zu treiben, ehe sie grüne Blatter bekamen; und im Hofe gingen alle Entlein spazieren, und auch die Katze; sie sonnte sich und leckte den Sonnenschein von ihrer eigenen Pfote: und schaute man über die Felder hin, wie stand dort das Korn und wie prangte es herrlich grün sonder Gleichen und es war ein Zwitschern und Schwirren von allen kleinen Vögeln, als sei es ein großes Fest, und das war es auch, denn es war Sonntag: Die Glocken lauteten und alle Leute gingen geputzt und in ihren besten Kleidern zur Kirche und sahen vergnügt aus; ja, an Allem war etwas Vergnügtes; es war ein Tag, so warm und gesegnet, daß man wohl sagen konnte: Der liebe Gott ist überaus beispiellos mit uns Menschen!

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Aber drinnen in der Kirche stand der Pfarrer auf der Kanzel und sprach sehr laut und zornig, er sagte, die Menschen seien alle gottlos, Gott würde sie deshalb strafen, und wenn sie stürben, kamen die Bösen alle in die Hölle, um ewig zu brennen. – Er eiferte, – »daß ihr Wurm nicht sterben und ihr Feuer nie verlöschen würde, daß sie niemals wieder Ruhe und Rast finden sollten!« Das war furchtbar zu hören, und er sagte es mit einer solchen Ueberzeugung; er beschrieb ihnen die Hölle als eine verpestete Höhle, wo aller Unrath der ganzen Welt zusammenfließt; – dort sei keine andere Luft, als die heiße brennende Schwefelflamme, kein Grund und Boden sei dort, sie – die Bösen – sänken und sänken immer tiefer und tiefer bei einem ewigen Schweigen! – Es war schon furchtbar, davon zu hören, denn der Prediger sprach es aus vollem Herzen und alle Leute in der Kirche waren entsetzt davon. – Draußen sangen indeß alle Vögel gar vergnügt, und die Sonne schien schön warm, es war, als sagte jedes Blümchen: Gott, Du bist beispiellos gut gegen uns Alle. – Ja, draußen war es gar nicht, wie der Pfarrer predigte.

      Denselben Abend beim Schlafengehen erblickte der Pfarrer seine Frau, wie sie sinnend und gedankenvoll da saß.

      »Was fehlt Dir?« – fragte er sie.

      »Ja, was mir fehlt!« – sagte sie – »mir fehlt, daß ich meine Gedanken nicht recht zu sammeln vermag, daß ich Das, was Du heute in der Kirche sprachst, nicht recht fassen kann, »»daß es so viel gottlose Menschen gäbe, und daß sie ewig brennen sollten!«« Ewig, ach, wie lange! – Ich bin nur ein Mensch, eine Sünderin vor Gott, aber ich könnte es nicht über mein Herz gewinnen, selbst den ärgsten Sünder ewig brennen zu lassen, und wie sollte es denn der liebe Gott können, der so unendlich gut ist, und der da weiß, wie das Böse von Außen und von Innen kommt. Nein, ich kann es mir nimmer denken, obgleich Du es sagst!«

      Es war Herbst, die Bäume entblätterten sich, der ernste, strenge Pfarrer saß am Lager eines Sterbenden: eine fromme, gläubige Seele schloß die Augen: die Frau des Pfarrers.

      ... »Wenn Jemand Ruhe im Grabe und Gnade vor seinem Gotte findet, so bist Du es!« sagte der Pfarrer; er faltete ihre Hände und las einen Psalm für die Todte.

      Man trug sie zu Grabe; zwei große Zähren rollten über die Wangen des ernsten Mannes, und im Pfarrhause war es still und leer, die Sonne des Hauses war erloschen, sie war heimgegangen.

      Es war Nacht, ein kalter Wind strich über das Haupt des Pfarrers, er schlug die Augen auf, und es war ihm, als scheine der Mund in sein Zimmer hinein, aber der Mond schien nicht. Eine Gestalt war es, die vor seinem Bette stand, er sah den Geist seiner verstorbenen Frau; sie blickte ihn so innig betrübt an, es war, als wollte sie ihm etwas sagen.

      Der Pfarrer erhob sich bald im Bette, streckte die Arme gegen sie aus: »Auch Dir ist nicht die ewige Ruhe vergönnt! Du leidest, Du die Beste, die Frömmste?«

      Die Todte beugte ihren Kopf zum Ja und legte die Hand auf die Brust.

      »Und vermag ich Dir die Ruhe im Grabe zu verschaffen?«

      »Ja!« war die Antwort.

      »Und wie?«

      »Gieb mir ein Haar, nur ein einziges Haar vom Kopfe des Sünders, dessen Feuer nimmer erlöschen wird, des Sünders, den Gott zu ewiger Pein in die Hölle verstoßen wird.«

      »Ja, so leicht mußt Du erlöst werden können, Du Reine, Fromme!« – sagte er.

      »So folge mir!« – sagte die Todte – »es ist uns so vergönnt. An meiner Seite schwebst Du, wohin Deine Gedanken wollen; den Menschen unsichtbar dringen wir in ihre geheimsten Gemächer, – aber mit sicherer Hand mußt Du Denjenigen ausfindig machen, der zu ewiger Qual auserlesen ist, und vor dem Hahnenschrei muß er gefunden sein!« –

      Schnell, wie von den beflügelten Gedanken getragen, befanden sie sich in der großen Stadt, und von den Mauern und Wänden der Häuser leuchteten ihnen in Flammenschrift die Namen der Todsünden entgegen: Hochmuth, Geiz, Trunksucht, Wollust, kurz, der ganze siebenfarbige Bogen der Sünde.

      »Ja, da drinnen, wie ich es wohl glaubte, wie ich es wußte,« – sagte der Pastor – »hausen Die, die dem, ewigen Feuer anheimgefallen sind!« – Und sie standen vor dem prächtig erhellten Portal, die breiten Treppen prangten mit Teppichen und Blumen, und durch die festlichen Säle brauste die Tanzmusik. Der Schweizer in Seide und Sammt stand mit seinem großen silberbeschlagenen Stabe am Eingänge.

      »Unser Ball kann sich mit dem des Königs messen!« – sagte er, und wandte sich verächtlich an die gaffende Menge auf der Straße; was er dachte, leuchtete sattsam aus seinen Mienen und Bewegungen hervor: »Lumpengesindel, das da hereinguckt, gegen mich seid ihr insgesammt Canaille!«

      »Hochmuth!« – sagte die Todte – »siehst Du ihn?«

      »Den da?« – erwiderte der Pfarrer. – »Er ist ja nur ein armer Thor, ein Narr, und nicht dem ewigen Feuer der Qual verfallen!«

      »Nur ein Narr!« – tönte es durch das ganze Haus des Hochmuths; das waren sie dort Alle.

      Sie schwebten bis innerhalb der vier nackten Wände des Geizigen. Mager wie ein Gerippe, vor Kälte zitternd, hungrig, klammert sich der Greis mit allen seinen Gedanken an sein Geld an; sie sahen ihn fieberhaft von seinem elenden Lager emporspringen, einen losen Stein aus der Mauer herausnehmen, da lagen Goldmünzen in einem allen Strumpfe; sahen ihn seinen zerlumpten Rock ängstlich betasten, worin die Goldstücke eingenäht waren, und seine feuchten Finger zitterten!

      »Der ist krank! Das ist Wahnsinn, ein freudenloser Wahnsinn, von Angst und bösen Träumen umlagert!«

      Sie entfernten sich schnell und traten vor die Pritschen der Verbrecher; in langen Reihen schliefen die Unglücklichen neben einander. Wie ein wildes

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