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gemacht.«

      »Ah, jetzt durchschaue ich diesen Andaro.«

      »Entweder hält er Sie für Latorre und ärgert sich darüber, daß Sie sich nicht auf seine Leimrute gesetzt haben, oder er hat eingesehen, daß Sie wirklich ein anderer sind, und ärgert sich nun, einem Fremden Einblick in seine Pläne gewährt zu haben, was für ihn und seine Partei gefährlich werden kann, wenn Sie Latorre davon benachrichtigen. In beiden Fällen haben Sie nichts Gutes von ihm und den Blancos zu erwarten. Es muß ihnen daran liegen, Sie am Sprechen zu hindern. Und womit erreicht man das am sichersten? Beantworten Sie sich diese Frage selbst!«

      »Wollen Sie mir wirklich Sorge machen, Sennor Monteso?«

      »Ja, das will ich. Der Bravo steht nicht zum Scherze so lange da drüben. Darauf können Sie sich wohl verlassen. Ich kenne die hiesigen Verhältnisse besser als Sie.«

      »So wäre ich ja gleich mit meinem ersten Sprunge an dieses schöne Land in ein Loch geraten, in welchem ich sehr leicht stecken bleiben kann!«

      »Dieser Vergleich ist sehr richtig. Steigen Sie schnell heraus, und laufen Sie davon! Ich meine es gut mit Ihnen. Damit aber will ich nicht etwa sagen, daß Sie gleich heute von hier aufbrechen sollen. Nehmen Sie sich nur vor dem Bravo und andern Fallen in acht, welche man Ihnen legen könnte. Ich bin überzeugt, daß Sie bis morgen mittag, wo ich zu Ihnen komme, irgend etwas erlebt haben werden. Da sollte es mich freuen, zu erfahren, daß meine Warnung nicht unbeachtet geblieben ist.«

      »Ich werde sie mir zu Herzen nehmen, Sennor. Und da ich sehe, daß Sie gehen wollen, so erlauben Sie mir, Ihnen die zweihundert Peso jetzt auszuzahlen.«

      Ich schob ihm fünf Diez Pesos Fuertes zu. Er wickelte sie zusammen und steckte sie mit einer Miene in die Westentasche, als ob es nur ein Stückchen Zigarettenpapier sei. Dann reichte er mir die Hand, machte mir eine höflich vertrauliche Verbeugung und entfernte sich.

      Jetzt nahm ich seinen Platz ein, um den Bravo beobachten zu können. Dieser musterte den aus der Türe tretenden Yerbatero mit einem kurzen Blicke und machte dann eine ungeduldige Bewegung. Nach einer Weile entfernte auch ich mich. Dabei tat ich so, als ob ich den Menschen gar nicht bemerkte. Ich schritt durch mehrere Straßen, blieb an verschiedenen Schaufenstern stehen und überzeugte mich, daß der Mann mir allerdings unausgesetzt folgte.

      So verging wohl eine Stunde, und die Dämmerung machte sich bemerkbar. Glockenton machte mich darauf aufmerksam, daß ich mich in der Nähe der Kathedrale befand. Auf meine Erkundigung erfuhr ich, daß man sich jetzt zum täglichen Ave Maria de la noche in die Kirche begebe, und ich schloß mich den gebetsbedürftigen Leuten an.

      Der hehre, lichtdurchflossene Raum war von so vielen Gläubigen besucht, daß die Gemeinden mancher europäischen Hauptstädte sich ein Beispiel daran nehmen könnten. Ein gemischter Chor mit Orgelbegleitung tönte von dem Chore herab. Die Sänger waren ziemlich gut geschult, aber der Organist war ein Spieler fünften oder sechsten Ranges. Er verstand das Registrieren nicht und griff sogar sehr häufig fehl.

      Die Orgel ist mein Lieblingsinstrument. Ich stieg hinauf, um mir den Mann, welcher die weihevolle Komposition von Palestrina so verdarb, einmal anzusehen. Der Kantor stand dirigierend vorn am Pulte. Der Organista war ein kleines, dünnes, bewegliches Männchen, dessen Gestalt unter den mächtigen Prospektpfeifen noch kleiner erschien, als sie war. Als er sah, daß ich, an der Ecke des Orgelgehäuses lehnend, ihn beobachtete, kam ihm sichtlich die Lust, mir zu imponieren. Er zog schleunigst Prinzipal und Kornett und einige sechzehnfüßige Register dazu. Das gab natürlich einen Lärm, welcher die Vokalstimmen ganz verschlang. Dennoch erhielt er von dem Dirigenten keinen Wink. Das Kirchenstück wurde in dieser Weise bis zu Ende gesungen.

      Dann kam ein kurzes Vorspiel, welches aus einem verunglückten Orgeltrio auf zwei Manualen und dem Pedal bestand und in eine mir so bekannte und liebe Melodie leitete. Leider aber hatte der Organista oben Vox angelica, Vox humana, Äoline und Flauta amabile gezogen und dazu für die Bässe die tiefsten und stärksten Register, so daß die schöne Melodie wie ein Bächlein im Meere der Bässe verschwand.

      Das konnte ich unmöglich aushalten. Mochte der biedere Orgelschläger mich meinetwegen dafür mit ewiger Blutrache verfolgen, ich huschte zu ihm hin, schob die volltönenden Stimmen hinein und registrierte anders. Er blickte mich erst erstaunt und dann freundlich an. Mein Arrangement schien ihm besser zu gefallen als das seinige.

      Nach dem dritten Verse trat der Predicador zum Altare, um ein Gebet vorzulesen. Dies benutzte der Organista zu der leisen Frage an mich:

      »Spielen Sie auch die Orgel, Sennor?«

      »Ein wenig«, antwortete ich ebenso leise.

      Sein kleines, dünnes Gesicht glänzte vor Freude.

      »Wollen Sie?« nickte er mir einladend zu.

      »Welche Melodie?«

      »Ich schlage sie Ihnen auf und das Gesangbuch dazu. Es sind nur drei Verse. Sind Sie hier bekannt?«

      »Nein.«

      »So winke ich Ihnen, wenn Sie anfangen sollen. Erst ein schönes, liebliches Vorspiel; dann die Melodie recht kräftig mit leisen Zwischenspielen und endlich nach dem dritten Verse eine Fuga mit allen Stimmen und Contrapunkto. Wollen Sie?«

      Ich nickte, obgleich er mehr verlangte, als in meinen Kräften stand. Eine Fuge und Orgelpunkt!

      Ich zog die sanften Stimmen zu dem ›schönen, lieblichen Vorspiel‹, und da war auch schon das Gebet zu Ende, der Segen erteilt, und der Organista stieß mich mächtig in die Seite, was zweifelsohne der Wink sein sollte, den er mir hatte geben wollen. Ich begann.

      Wie ich gespielt habe, das ist hier Nebensache. Ich bin keineswegs ein fertiger Spieler, und ob mein ›Contrapunkt‹ Gnade vor einem Kenner gefunden hätte, bezweifle ich mit vollstem Recht. Aber man war die Kunst des kleinen Organista gewöhnt, und so fiel mein Spiel auf. Im Schiffe der Kirche standen nach dem Gottesdienste die Leute noch alle und oben der Kantor, der Organista und sämtliche Sänger um mich her. Ich mußte noch eine Fuge zugeben und erklärte aber dann, daß ich fort müsse. Der Organista legte sein Ärmchen in meinen Arm und schien sich meiner bemächtigen zu wollen. Er führte mich unten durch die neugierig wartende Menge und erklärte, als wir vor der Kathedrale anlangten, daß ich unbedingt mit ihm gehen und zu Abend bei ihm speisen müsse.

      »Das ist unmöglich, Sennor«, antwortete ich, »denn ich bin bereits geladen.«

      »Zu wem?«

      Ich sagte es ihm.

      »So darf ich Sie freilich nicht belästigen. Dafür aber müssen Sie mir die Ehre erzeigen, morgen das Frühstück bei mir einzunehmen. Wollen Sie?«

      »Mit Vergnügen.«

      »Ich verlasse mich darauf, Sie zehn Uhr bei mir zu sehen. Dann spielen wir miteinander vierhändig und vierbeinig Orgel. Ich habe prächtige Noten dazu. Und zu Mittag essen wir auch bei mir.«

      »Um diese Zeit bin ich bereits in Anspruch genommen.«

      »Tut nichts, Sennor. Das wird sich wohl ändern lassen. Ich gehe mit zu dem, der Sie in Anspruch nehmen will, und bitte Sie los. Ich kenne Ihren Namen noch nicht, aber wir sind Brüder in organo und werden einander lieb gewinnen.«

      »Hier ist meine Karte!«

      »Danke! Von mir habe ich keine mit. Ist auch nicht nötig. Ich will von Ihnen das Registrieren lernen, denn, unter uns gesagt, ich ziehe stets die verkehrten Stimmen. Man muß auf die Hände und Füße Acht geben und auf Noten und Gesangbuch sehen. Wie kann man da eigentlich noch an die Register denken! Das ist mir unbegreiflich. Ich werde es Ihnen hoffentlich ablauschen. Übrigens, wenn Sie nach der Quinta des Sennor Tupido wollen, so gehen wir miteinander. Meine Wohnung liegt nur ein wenig abseits Ihres Weges.«

      Er zog mich mit sich fort und beschrieb mir die Lage der Quinta so genau, daß ich sie mit geschlossenen Augen hätte finden können.

      Indessen war es natürlich Abend geworden, ein wunderbar schöner, südamerikanischer Frühlingsabend. Der Mond schien fast voll auf den blinkenden Marmor

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