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Gott anzunehmen, aber es möge niemandem verübelt werden, der Gottes Wirken hinter dem Ganzen sieht.

      Wer aus der Rationalität seines Ichs heraus lebt, kann gar nicht sehen, dass eine andere Existenzweise möglich ist, denn sie ist ja nicht innerhalb seiner Rationalität vorfindbar. Das will ja der Vergleich mit dem Fischernetz zum Ausdruck bringen. Wer die Rationalität als Basis seiner Welterklärung ansieht, wird alles leugnen, was diesen Rahmen sprengen würde, z. B. die ganzen parapsychologischen Phänomene. Er wird für alle Erscheinungen eine Erklärung finden, die innerhalb seines rationalen Horizontes liegt. Das kann so weit gehen, dass Fakten einfach geleugnet werden, wie z. B. Stigmatisation oder außersinnliche Wahrneh-mungen wie Hellsehen u.a..

      Darin liegt ja das Problem und der Kernpunkt der Auseinandersetzung, dass der rationale Verstand der gläubigen Haltung mit seinem rationalen Verstand begegnet, in dem eben Glaube gar nicht vorkommen kann. Ich setze dagegen, dass es eine Existenzweise aus dem „Geist“ gibt. Geist deshalb in Anführungszeichen, weil es unmöglich ist, das, was der Begriff meint, zu definieren. Der Begriff will zum Ausdruck bringen, dass es etwas jenseits der Ratio gibt, die Basis der Ratio, des Verstandes, die selbst nicht Gegenstand der Ratio sein kann.

      Es mag sein, dass es für den Verstand inakzeptabel ist, dass es etwas geben könnte, was von ihm nicht erfassbar ist, und es mag die Frage auftauchen, wenn ich behaupte, dass wir nur innerhalb der Kategorie unseres Verstandes denken können, ob es überhaupt eine andere Weise gibt. Und ich behaupte Ja. Ich habe den Zusammenbruch des rationalen Ichs erlebt. Das ist ja die Basis, auf der mein derzeitiges Leben steht. Das war eine dermaßen absolut gültige Erfahrung, dass sie die Grundlage meines jetzigen Denkens bildet. Ich behaupte gar nicht, dass dies für andere gelten muss. Aber es hat für mich absolute Gültigkeit und ist eine Bestätigung meines religiösen Lebensweges. Ich möchte ja nur, dass diese Sichtweise, die ich vertrete – und natürlich gibt es auch andere, die das vertreten! - und die gängige wissenschaftliche Auffassungen in Frage stellt, nicht als dumm und vorgestrig abgestempelt wird. Dagegen wehre ich mich.

      Das, was passiert, wenn das rationale Denken zusammenbricht, kann niemals Teil der bewussten Existenz oder des bewussten Denkens werden (U. G. Krishnamurti, Erl 73). „Es liegt jenseits der Logik, es geht über die Rationalität hinaus (Erl 186).

      Ich wäre mir nicht so sicher in dem, was ich hier darlege, wenn es nicht eine ganze Reihe von Leuten gäbe – auch im Westen! – die zu einer ganz ähnlichen Sicht der Dinge gelangt sind, allen voran der Amerikaner Jed McKenna und eben der Inder U. G. Krishnamurti.

      Es ist eine grundlegend andere Sichtweise möglich, die den auf Rationalität und Logik basierenden Horizont des Menschen sprengt. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. Übrigens hatte Schmidt-Salomon selber eine spirituelle Erfahrung der Ich-Transzendenz (Jenseits 240), die er aber offensichtlich in sein starres logisch-empirisches Denken nicht einbauen kann. Kann man eben nicht! Weil dieses ja dadurch gesprengt wird!

      Ich bin überzeugt, oder mein Weg war es, dass durch kritisches Hinterfragen allen Seins die Rationalität auf den Zusammenbruch zutreibt. Wer sich nicht zufrieden gibt mit den Antworten, ganz gleich von welcher Seite – wissenschaftlicher oder religiöser -, wenn man radikal alles in Frage stellt, dann treibt man scheinbar zwangsläufig in den Bereich, wo sich Logik und Verstand auflösen. Jedenfalls ist es mir so ergangen. Und das war das Tor zu der Erkenntnis, dass es eine andere Lebensweise gibt als die Befindlichkeit im Ego und die Begrenztheit auf das durch die Ratio Erfassbare. Ich habe darüber geschrieben.

      Wenn man alles in Frage stellt, dann wird auch der in Frage gestellt, der alles in Frage stellt, und das bedeutet das Ende - das Ende der Infragestellung, das Ende der Rationalität. Es bedeutet den Zusammenbruch des Denkens, genau der Fähigkeit, in der sich der denkende Mensch erfährt und von der aus er glaubt, alles beurteilen zu können.

      Schmidt-Salomon stellt vieles in Frage, aber er stellt nicht die absolute Gültigkeit des Verstandes in Frage; der ist seine Basis und darin liegt seine Beschränktheit. Er erhebt den Verstand zum Maßstab, mit dem die gesamte Wirklichkeit erfasst werden kann; und darin liegt ein Irrtum – und eine Anmaßung.

      Es hat jeder eine individuelle Geschichte, die seinen persönlichen Erfahrungen und die seinem Charakter entsprechenden Verarbeitung dieser Erfahrungen entspricht. Und deshalb dürfte es eigentlich nie Streit geben, sondern nur Austausch dieser Erfahrungen und den dadurch gewonnenen Überzeugungen, und das Staunen über die oft grundverschiedenen Auffassungen von Gott, Welt und Mensch.

      Gegen die Überzeugung, dass man einen Glauben aus den Angeln heben könnte, weil man heute alles wissenschaftlich erklären kann, z. B. wie die Welt entstanden und die Evolution vonstatten gegangen ist, und die als dumm hinzustellen, die noch an einen Schöpfergott glauben - dagegen wehre ich mich.

      Solange Leute wie Schmidt-Salomon und alle, die auf den Verstand als Basis für das Weltverständnis setzen, einen Zustand, in dem der Verstand und damit das gesamte Denken ins Wanken gerät, nicht kennen und nicht erlebt haben - wofür sie überhaupt kein Vorwurf trifft – was also in schizophrenen Zuständen erlebt wird – eben die Auflösung des intelligiblen Seins des Menschen – sollten sie in ihrem Urteil zurückhaltend sein. Hier weiß man überhaupt nichts mehr, der Verstand entgleitet einem völlig. Aber man braucht gar nicht an so extreme Formen wie Schizophrenie erinnern, im Grund kennt es jeder, wir nehmen es nur nicht ernst: Jeder, der schon erlebt hat, wie unfähig er ist, einen Gedanken, den er gerade noch gehabt hat und der ihm in dem Moment, wo er ihn aussprechen wollte, entglitten ist, und er verzweifelt versucht, den Gedanken wieder zu finden, würde begreifen, wie wenig Herr er über seinen Denkapparat ist, wie wir völlig ausgeliefert und darauf angewiesen sind, dass das funktioniert, worauf wir uns so viel einbilden und uns selbst zuschreiben.

      Diese Erfahrung macht eigentlich jeder, aber kaum einen bewegt das zu der Erkenntnis, dass er überhaupt nicht Herr über sein Denken ist. Dass uns das Denken nicht zur Verfügung steht, ja dass wir überhaupt nicht die Denker unserer Gedanken sind, sondern nur Empfänger von schon Gedachtem, wird durch die Gehirnforschung zunehmend belegt. Man muss sich nur mit Benjamin Libet, Thomas Metzinger oder Antonio Damasio beschäftigen.

      Weder verfügen wir über unser Denken noch über unser Wollen; das wird heute durch deren Gehirnforschung sehr deutlich nahegelegt. Wir sind nicht Täter unserer Gedanken und unseres Wollens, sondern Empfänger! Wir sind im Grunde Hampelmann, jeder, nur mit dem Unterschied, dass die einen, die sich für ein getrenntes, eigenständiges, rationales Ich halten, glauben, es nicht zu sein und damit in einem Irrtum befangen sind, während andere erkennen, dass es so ist und damit eine andere Sicht auf die Dinge haben.

      Man müsste dankbar sein, wenn in der Regel der Denkapparat funktioniert, weil man weiß, wie wenig selbstverständlich das ist, wie an Schizophrenie, aber auch Demenz oder Alzheimer sichtbar wird.

      Wenn ich von Dankbarkeit spreche, dann meine ich das immer dem Urheber, also Gott gegenüber. Auch Schmidt-Salomon spricht von Dankbarkeit (L 82), und da würde mich doch sehr interessieren, wem gegenüber. Wem gegenüber ist Schmidt-Salomon dankbar? Da es für ihn Gott nicht gibt, kann es eigentlich nur der Natur gegenüber sein, dann müsste er aber erklären, was er darunter versteht und warum hier Dankbarkeit angebracht ist. Was ist Natur für ein Gebilde, dass man ihr Dankbarkeit entgegenbringen könnte? Das macht nur Sinn, wenn man die Natur mit der Kreativität eines Schöpfungsprinzips in Zusammenhang bringt, was ich als Gott bezeichne. Das aber lehnt ja Schmidt-Salomon ab! Die Frage bleibt: Wem gegenüber ist Schmidt-Salomon dankbar?

      Wir müssten erkennen, dass jeder von uns in einer für ihn abgeschlossenen Welt lebt. Ein atheistischer Denker wie Schmidt-Salomon glaubt, durch logisches Argumentieren dem anderen zeigen zu können, was richtig und falsch ist und verhält sich dabei genau so missionarisch wie er es an der Religion – mit Recht – bekämpft. Atheistische Sicht und religiöse Sicht sind zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen von der Welt, und es gibt keine logische Begründung für das eine oder das andere. Daher ist unter den Menschen nur eine Haltung möglich, wenn Zusammenleben funktionieren soll: der gegenseitige Respekt und nicht die Diffamierung der anderen Haltung. Diesen Respekt kann man aber

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