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einzig aus dem Gewinn an indischem Gewürz erbaut.

      Aber unvermeidlich wie Rost an Eisen setzt sich scharfer Neid an großen Gewinn. Immer wird jedes Vorrecht von den andern als Unrecht empfunden, und wo eine einzelne kleine Gruppe sich übermäßig bereichert, formt sich selbsttätig eine Koalition der Benachteiligten. Mit scheelen Augen sehen längst die Genuesen, die Franzosen, die Spanier auf das geschicktere Venedig, das den goldenen Golfstrom an den Canal grande zu leiten gewußt, und mit noch ärgerer Erbitterung starren sie nach Ägypten und Syrien, wo der Islam eine undurchdringliche Sperrkette zwischen Indien und Europa gelegt. Keinem christlichen Schiff ist die Fahrt auf dem Roten Meer gestattet, keinem christlichen Händler auch nur die Durchreise; unerbittlich geht aller Indienhandel ausschließlich durch türkische und arabische Händler und Hände. Damit wird aber nicht nur den europäischen Verbrauchern die Ware unnütz verteuert, nicht nur dem christlichen Handel der Gewinn von vorneweg abgemelkt, sondern es droht der ganze Überschuß an Edelmetall nach dem Oriente abzufließen, da die europäischen Waren bei weitem nicht den Tauschwert der indischen Kostbarkeit erreichen. Schon um dieses fühlbaren Handelsdefizits willen mußte die Ungeduld des Abendlands immer leidenschaftlicher werden, der ruinösen und entwürdigenden Kontrolle sich zu entziehen, und schließlich raffen sich die Energien zusammen. Die Kreuzzüge waren keineswegs (wie es oft romantisierend dargestellt wird) ein bloß mystisch religiöser Versuch, die Stätte des Heiligen Grabes den Ungläubigen zu entreißen; diese erste europäisch-christliche Koalition stellte zugleich die erste logische und zielbewußte Anstrengung dar, jene Sperrkette zum Roten Meer zu durchstoßen und den Osthandel für Europa, für das Christentum frei zu machen. Da dieser Stoß mißlang, da Ägypten nicht den Mohammedanern entrissen werden konnte und der Islam weiterhin den Weg nach Indien verlegte, mußte notwendigerweise der Wunsch wach werden, einen andern, einen freien, einen unabhängigen Weg nach Indien zu finden. Die Kühnheit, die Columbus nach Westen, die Bartolomeu Diaz und Vasco da Gama nach Süden, die Cabot nach Norden gegen Labrador vorstoßen ließ, entsprang in erster Linie dem zielbewußten Willen, endlich, endlich für die abendländische Welt einen freien, einen unbezollten und ungehinderten Seeweg nach Indien zu entdecken und damit die schmachvolle Vormachtstellung des Islams zu brechen. Immer ist bei entscheidenden Erfindungen und Entdeckungen ein geistiger, ein moralischer Antrieb die eigentlich beflügelnde Macht, meist aber wird der endgültige Abstoß ins Irdische dann von materiellen Impulsen gegeben. Gewiß hätten auch um der kühnen Idee willen die Könige und ihre Räte an Columbus' und Magellans Vorschlägen sich begeistert; nie aber wäre das nötige Geld gewagt worden an ihr Projekt, nie von Fürsten und Spekulanten ihnen tatsächlich eine Flotte ausgerüstet worden ohne die gleichzeitige Aussicht, bei dieser Entdeckungsfahrt den aufgewendeten Betrag tausendfach zu verzinsen. Hinter den Helden jenes Zeitalters der Entdeckungen standen als treibende Kräfte die Händler; auch dieser erste heroische Impuls zur Welteroberung ging aus von sehr irdischen Kräften – im Anfang war das Gewürz.

      Wunderbar immer im Lauf der Geschichte, wenn sich der Genius eines Menschen dem Genius der Stunde bindet, wenn ein einzelner Mann hellsichtig die schöpferische Sehnsucht seiner Zeit begreift. Unter den Ländern Europas hat eines bisher seinen Teil an der europäischen Aufgabe noch nicht erfüllen können, Portugal, das in langwierigen heroischen Kämpfen sich der maurischen Herrschaft entrungen. Nun aber Sieg und Selbständigkeit endgültig erfochten sind, liegt die prachtvolle Kraft eines jungen und leidenschaftlichen Volkes völlig brach; der natürliche Expansionswille, der jeder aufsteigenden Nation innewohnt, findet zunächst keinen Ausstoß mehr. Mit seinen ganzen Landesgrenzen liegt Portugal an Spanien gelehnt, an eine befreundete, eine brüderliche Nation; so könnte einzig zur See, durch Handel und Kolonisation das kleine und arme Land sich erweitern. Aber verhängnisvollerweise ist – oder scheint zunächst – die geographische Lage Portugals die ungünstigste unter allen seefahrenden Nationen Europas. Denn der Atlantische Ozean, der seine Wellen von Westen her gegen seine Küsten wirft, gilt nach der ptolemäischen Geographie (der einzigen Autorität des Mittelalters) als endlose und undurchfahrbare Wasserwüste. Als nicht minder ungangbar erklären die ptolemäischen Weltkarten den Südweg, die afrikanische Küste entlang: unmöglich sei es, diese Sandwüste zu Schiff zu umfahren, denn dieses unwirtliche und unbewohnbare Land reiche bis zum antarktischen Pol und sei, ohne Durchlaß zu gewähren, mit der terra australis verwachsen. Nach der Ansicht der alten Geographie hätte Portugal, weil außerhalb des einzig fahrbaren Meers, des Mittelmeers, gelegen, die denkbar schlechteste Position unter den seefahrenden Nationen Europas.

      Es wird nun der Lebensgedanke eines portugiesischen Fürstensohns sein, dies angeblich Unmögliche möglich zu machen und den Versuch zu wagen, ob nicht doch gemäß dem Bibelwort die letzten die ersten werden könnten. Wie, wenn Ptolemäus, dieser geographus maximus, dieser Papst der Erdkunde, sich geirrt hätte? Wie, wenn dieser Ozean, der mit seinen gewaltigen Wellen von Westen her manchmal merkwürdige fremde Hölzer (die doch irgendwo gewachsen sein müssen) an Portugals Küsten wirft, gar nicht endlos wäre, sondern zu neuen und unbekannten Ländern führte? Wie, wenn Afrika bewohnbar wäre jenseits des Wendekreises, wie, wenn der allweise Grieche grob geflunkert hätte mit seiner Behauptung, dieser unerforschte Kontinent sei zu Meer nicht zu umfahren und kein Weg führe hinüber in die indische See? Dann wäre Portugal, gerade weil am weitesten gegen Westen gelegen, das wahre Sprungbrett aller Entdeckungen, es hätte den nächsten Weg von allen nach Indien. Nicht verstoßen wäre es vom Ozean, sondern wie kein anderes Land Europas zur Seefahrt berufen. Dieser Wunschtraum, das kleine machtlose Portugal zur nautischen Vormacht zu erheben und den bisher nur als Sperre betrachteten Atlantischen Ozean in eine Straße zu verwandeln, ist in nuce der Lebensgedanke des »Iffante« Enrique gewesen, den die Geschichte zu Recht und zu Unrecht Heinrich den Seefahrer nennt. Zu Unrecht: denn abgesehen von einer kurzen Kriegsfahrt nach Ceuta hat Enrique niemals ein Schiff bestiegen, es gibt kein Buch, keinen nautischen Traktat, keine Karte von seiner Hand. Aber doch darf die Geschichte ihm diesen Namen Rechtens zuerkennen, denn Seefahrt und Seefahrern allein hat dieser Fürstensohn sein Leben und sein Vermögen gewidmet. Früh im maurischen Kriege bewährt bei der Belagerung von Ceuta (1412), zugleich einer der reichsten Männer des Landes, könnte dieser Sohn eines portugiesischen und Neffe eines englischen Königs seinen Ehrgeiz in den blendendsten Stellungen auswirken; alle Höfe laden ihn zu sich, England bietet ihm ein Oberkommando. Aber dieser sonderbare Schwärmer erwählt als Form seines Lebens die schöpferische Einsamkeit. Er zieht sich zurück nach Kap Sagres, das einstmals heilige (sacrum) Vorgebirge der Alten. Von dort bereitet er in beinahe fünfzig Jahren die Seefahrt nach Indien und damit die große Offensive gegen das »mare incognitum« vor.

      Was diesem einsam-verwegenen Träumer den Mut gegeben hat, gegen die höchsten kosmographischen Autoritäten seiner Zeit, gegen Ptolemäus und seine Nachsprecher und Nachzeichner, die Überzeugung zu verfechten, Afrika sei kein dem Pol angefrorener Kontinent, sondern umschiffbar und der wahre Seeweg nach Indien – dieses letzte Geheimnis wird kaum mehr zu ergründen sein. Aber niemals war das (auch von Herodot und Strabo verzeichnete) Gerücht völlig verstummt, daß in den dunklen Tagen der Pharaonen einmal eine phönikische Flotte das Rote Meer hinabgefahren sei und nach zwei Jahren unvermuteterweise durch die Säulen des Herkules (die Enge von Gibraltar) heimgekehrt. Vielleicht hatte der Iffante auch durch maurische Sklavenhändler Kunde gehabt, daß jenseits der Libya deserta, der sandigen Sahara, ein »Land des Reichtums«, »bilat ghana«, liege, und tatsächlich findet sich schon auf einer Karte, die 1150 ein arabischer Kosmograph für den Normannenkönig Roger II. angefertigt, das heutige Guinea unter diesem Namen »bilat ghana« völlig richtig eingezeichnet. Es mag also sein, daß Enrique durch guten Kundschafterdienst besser über die wirkliche Form Afrikas unterrichtet war als die Schulgeographen, die einzig auf die Codices des Ptolemäus ihre Hand zum Eidschwur legten und zunächst auch die Berichte des Marco Polo und Ibn Battuta als falsches Geflunker ablehnten. Die eigentliche moralische Bedeutung Enriques aber liegt darin, daß er zugleich mit der Größe des Ziels auch die Größe der Schwierigkeit erkannte, daß er in edler Resignation begriff, er selbst werde seinen Traum niemals erfüllt sehen, weil eben mehr als ein einziges Menschenalter zur Vorbereitung eines so ungeheuren Unterfangens notwendig sei. Denn wie damals Seefahrt von Portugal nach Indien wagen ohne Kenntnis der See und ohne Schiffe zur Fahrt? Unvorstellbar primitiv sind zur Zeit, da Enrique an sein Werk geht, die geographischen, die nautischen Kenntnisse Europas. In den grauenhaften Jahrhunderten der Verdüsterung, die dem Einsturz des Römischen Reichs folgten, hatte das Mittelalter

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