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Mannschafft wird natürlich um einen Mann ergänzt, aber es wird kein Torpedomechaniker sein.« Landenberger zögerte. »Der Kaleun wird Ihnen das nachher wohl mal erklären.«

      »Jawohl, Herr Leutnant.«

      Michael dachte sich seinen Teil. Es war keine gute Nachricht. Gefreiter Zimmer war ein hervorragender Mechaniker. Gefreiter Maier, Michaels zweiter Mann, hatte lange nicht das Torpedowissen. Michael schaute zu dem Schwesterboot. Die Kommandanten Emmermann und Sieber unterhielten sich noch immer. Michael musste warten, bis er Näheres von Kaleun Sieber erfahren würde. Das Kombüsenluk stand offen. Michael ließ seinen Seesack nach unten fallen und stieg dann selber hinab in die Stahlröhre des Bootes. Die Kochnische der Kombüse glänzte, der Holzboden war gewachst, alles war noch einmal geputzt worden, bevor der Smutje sich in den Weihnachtsurlaub verabschiedet hatte. Michael ließ seinen Seesack in der Kombüse stehen. Er wollte zunächst in den Bugraum, sich dort die technische Abteilung ansehen. Die Kojen in der Unteroffiziersmesse waren noch nicht belegt, Decken und Bezüge lagen zusammengerollt am Kopfende der Doppelstockbetten. Die Stauräume waren noch leer. Michael erreichte das Schott zum Bugraum. Es war verschlossen. Er brauchte Kraft, um das Handrand zu drehen. Es zischte, als die Luke aufsprang. Michael kletterte in den Bugraum. Es roch nach Schmieröl und Fett, auch hier war die Mannschaft noch nicht eingezogen. Es gab zehn Kojen für zwanzig Mann. Der Bugraum war kaum acht Meter lang, gerade so viel Platz, dass die Torpedos unter die Flurplatten passten. Michael ging bis ans Ende, zu den vier Torpedorohren und legte die rechte Hand auf die weißlackierte Verschlussklappe von Rohr eins. Es war ein Ritual, er berührte nacheinander auch die Verschlussklappen der anderen drei Torpedorohre. Die Rohre waren jetzt noch leer. Während der Werftliegezeit waren die Torpedos wieder entladen worden und fuhren inzwischen auf anderen Booten. Michaels Blick glitt sekundenlang über die Armaturen und die elektrischen Leitungen, über die Hebel, Schieber und Rundinstrumente. Er drehte sich schließlich um, sah zur Decke. Das Torpedoluk war in einem Winkel von 60° in die Druckhülle des U-Bootes eingelassen, nur so konnten die Torpedos schräg, fast liegend abgeviert werden. Michael verließ den Bugraum. Er ging durch die Unteroffiziersmesse zurück zur Kombüse und griff sich seinen Seesack. Er ging weiter in die Offiziersmesse. Vor der Zentrale lagen auf der linken Seite der Fernmelderaum und der Ortungsraum und gleich gegenüber der winzige Kommandantenraum. Das Schott in die Zentrale stand weit offen. Michael durchquerte den engen Raum, ging am Kartentisch und an den Handrädern des Seiten- und Tiefensteuerstands vorbei und sah einmal kurz in den Turm hoch. Das Kugelschott zum Diesel- und E-Maschinenraum stand ebenfalls offen. Michael kletterte hindurch, blieb stehen und sah sich die ruhenden Aggregate an. Auch hier glänzte alles vor Sauberkeit. Er ging an den Zylinderreihen der beiden Dieselmaschinen vorbei, über ihm das Maschinenraumluk. Er passierte die E-Maschinen mit ihren aufgesetzten Lüftern und trat vor das verschlossene Kugelschott, das in den Hecktorpedoraum führte. Er öffnete es, wieder ein leises Zischen, als die Dichtungen des Schotts Luft in den Hecktorpedoraum einströmen ließen. Michael schob seinen Seesack voran und schwang sich über das Süll. Er sah sich um, die Koje unterhalb des Torpedoluks war die Seine. Michael schlief hier bei der Mannschaft. Er stellte den Seesack vor das Doppelbett, ging weiter zu den Rohren. Er vollendete sein Ritual, legte nacheinander die rechte Hand auf die beiden Verschlussklappen.

      *

      Am Vormittag kam Leben in den Bunker. Die Besatzungen von zwei Kampfbooten verrichteten ihren Dienst. Die Männer von U-172 räumten ihr Boot aus. Nach hunderteinunddreißig Tagen auf See war allerdings nicht mehr viel auszuräumen. Die restliche Munition der Kanone und der Zwillingsflak wurde von Bord gebracht, in Stahlkisten verstaut und mit Karren in das Magazin des Kéroman I gebracht. Von der Verpflegung war nur ein Pappkarton mit verschimmelten Broten, ein halber Sack Kartoffeln und eine Palette Konserven übriggeblieben. Die haarigen Schimmelsporen wirkten wie ein dunkelgraues Fell auf den Brotlaiben. Die Lords nannten sie U-Boot-Kaninchen. Mit ihren persönlichen Sachen bepackt verließen schließlich Matrosen und Unteroffiziere den Bunker. Die Offiziere übergaben ihr Boot der Bunkerwache und folgten der Mannschaft von U-172 in den Urlaub.

      Mit Dienstbeginn der ersten Wache, um 12:03 Uhr, ließ Kapitänleutnant Alfred Sieber die Leute auf dem Bunkerplatz vor U-810 antreten. Die dreißig Matrosen, Gefreite und Obergefreite stellten sich in drei Reihen auf. Es waren Maschinisten, Mechaniker, Seeleute, Funker und das Waffenpersonal. Alle im grauen Bordanzug. An den dunkelblauen Schiffchen trugen sie das Wappen ihres Bootes, das auch hinter den Männern am Turm von U-810 prangte. E-Maschinist Matthias Schlenker blickte zu Boden, sodass man sein Gesicht nicht sehen konnte. Torpedomechaniker Jens Maier biss die Zähne zusammen, streckte dabei aber sein Kinn weit nach vorne und wirkte so noch dürrer, als er ohnehin schon war. Diesel-Maschinist Ludwig Hoffmann stach mit seinen lockigen, roten Haaren hervor. Flakschütze Peter Sprenger versuchte seinen Bauch einzuziehen. Die Mannschaft war sich einig, dass er über Weihnachten wieder zugelegt hatte. E-Maschinist Karl Sowinski hatte sich die Uniformbluse nicht ordnungsgemäß zugeknöpft. Smutje Theo Weiss kauerte klein und schmächtig in der letzten Reihe, außen links. Man konnte glauben, dass nicht er, sondern Sprenger der Schiffskoch war. Die zehn Unteroffiziere hatten sich vor den Mannschaften aufgestellt. Diesel-Maschinen-Maat Manfred Keicher verbarg sein dünnes blondes Haar unter dem blauen Schiffchen. Funk-Maat Norbert Greimel konnte nur schwer ein spöttisches Grinsen unterdrücken. Ober-Mechaniker-Maat Michael Stromm war für einen Augenblick mit seinen Gedanken zu Hause in Papendorf bei seinem Motorrad. Ober-E-Maschinen-Maat Klaus Lischke hatte als Einziger die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Obersteuermann Heinrich Petersen kratzte sich noch schnell an seinem dicken, schwarzen Vollbart, bevor er die Hände wieder an die Seitennaht seiner Uniformhose legte. Vor den Unteroffizieren standen schließlich der zweite Wachoffizier Leutnant Karl Landenberger, der Leitende Ingenieur Oberleutnant Martin Linden und ganz rechts der erste Wachoffizier Oberleutnant Günther Kuhnle, der sich erst am Morgen dieses Tages an Bord von U-810 gemeldet hatte. Kuhnle trat heraus und salutierte vor Kapitänleutnant Alfred Sieber.

      »Melde, Mannschaft angetreten, Herr Kaleun.«

      »Danke I WO.« Sieber schaute in die Reihen und nickte. »Na Leute, hat Muttern euch wieder gehen lassen.«

      »Jawohl, Herr Kaleun«, schrien die Männer im Chor.

      Sieber wandte sich wieder an den I WO. »Und, gibt es irgendwelche Verluste?«

      Der I WO hielt einen Zettel in der Hand, von dem er jetzt zwei Namen entzifferte. »Obergefreiter Torpedomechaniker Zimmer liegt mit gebrochenem Bein im Lazarett in Köln. Zur Ergänzung der Mannschaft wurde Matrose Kehl zu U-810 befohlen.« Der I WO drehte sich zu den Männern um. »Matrose Kehl, vortreten.«

      Ein Mann löste sich aus den Reihen. Er war schon vorher aufgefallen, denn er überragte die meisten seiner Kameraden um Haupteslänge. Nicht einmal Funk-Maat Greimel konnte es an Körpergröße mit ihm aufnehmen. Der Aufgerufene trat vor den I WO und den Kaleun und schlug salutierend die Hacken zusammen.

      »Matrose Kehl, wird der zweiten Wache als Geschützhelfer zugeteilt«, fuhr der I WO fort.

      Kaleun Sieber nickte. »Willkommen an Bord, Matrose!«

      »Jawohl, Herr Kaleun!« Kehl streckte sich und schlug noch einmal die Hacken zusammen.

      Sieber kannte die Personalmeldung selbstverständlich bereits. Es bedurfte keiner weiteren Erklärungen. Die Flottille hatte ihm einen unerfahrenen Mann überlassen. Matrose Kehl war noch nie auf einem U-Boot gefahren, ein Marineartellerist, der in den letzten sechs Monaten seit seiner Einberufung nur Dienst auf dem Stützpunkt versehen hatte. Sieber musste allerdings froh sein, überhaupt jemanden zu bekommen. Der I WO hatte den Matrosen inzwischen abtreten lassen. Kaleun Sieber wandte seinen Blick wieder der Mannschaft zu. Er lächelte.

      »Unser erster Versuch, wieder für das Vaterland zu fahren, ist ja gründlich danebengegangen, aber die Jungs von der Werft haben die Sache wieder hinbekommen. Es fehlt, glaube ich, nur noch etwas Menninge, damit uns der neue Bug nicht gleich wieder wegrostet. Also, der LI wird schon wissen, was noch zu machen ist, aber viel kann es nicht mehr sein. Wir haben daher vom B.d.U. einen neuen Auslauftermin erhalten.« Sieber unterbrach sich für ein paar Sekunden und suchte nach Zustimmung in den Augen seiner Leute. »Wir haben also einen Termin. Sylvester feiern wir noch im Kasino, dann geht es aber am 7. raus, Männer.«

      »Jawohl,

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