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sondern er hätte sich in der meinigen befunden. Wenn Sie noch nicht mit der ›listigen Schlange‹ gesprochen haben, so werde ich ihn aufklären. Wie gut, daß er von Melton überwältigt worden ist! Der Bösewicht hat mir dadurch einen Trumpf in die Hand gespielt, an dem seine Karte verloren gehen wird.«

      Ich trat zu dem Indianer und durchschnitt seine Fesseln. Er richtete sich schnell auf und fragte die Jüdin:

      »Wer ist das Bleichgesicht, welches sich in unserm Schachte befindet und doch nicht zu uns gehört?«

      »Mein roter Bruder wird sogleich erfahren, wer ich bin,« antwortete ich an des Mädchens Stelle. »Er hat nicht verstehen können, was Melton zu der weißen Tochter sagte, denn es wurde in einer ihm fremden Sprache gesprochen. Darum frage ich ihn, ob er weiß, was Melton mit ihm vornehmen will?«

      »Ich weiß es. Ich sollte sterben; er wollte mich hierunten in die Erde graben.«

      »Glaubt mein roter Bruder, daß er dies wirklich getan hätte?«

      »Er hätte es getan, denn nur mein Tod hätte ihm Sicherheit gegeben.«

      »Was wäre aus dem weißen Mädchen geworden, welches die ›listige Schlange‹ zur Squaw begehrt?«

      »Sie hätte hierunten sterben und verderben müssen, wie die andern Bleichgesichter, von denen keins wieder das Licht des Tages erblicken wird.«

      »Darin irrt mein roter Bruder, denn sie alle werden das Licht schon des nächsten Morgens sehen. Ich werde sie aus dem Schachte führen.«

      »Das wird Melton nicht zugeben!«

      »Er wird es nicht zugeben können, weil ich ihn nicht um seine Erlaubnis frage. Ich bin gekommen, alle Gefangenen zu befreien, wie ich dich auch befreie.«

      »Noch bin ich nicht frei, denn wie komm ich aus dem Schachte?«

      »Das fragst du? Du brauchtest ja nur zu warten, bis Melton wieder herabkommt; es würde, da er nicht darauf vorbereitet ist, sehr leicht für dich sein, ihn zu überraschen und zu überwältigen. Aber das ist nicht nötig. Ich werde die ›listige Schlange‹ und die weiße Tochter auf einem ihnen unbekannten Wege aus dem Schachte führen; dann kann mein Bruder sie zu seiner Squaw machen und ihr einen Palast und ein Schloß bauen.«

      Meine Person, meine Anwesenheit und jedes meiner Worte war für ihn ein Rätsel; es machte mir Spaß, den Ausdruck zu sehen, mit welchem sein Blick unverwandt auf mich gerichtet war.

      »Mein weißer Bruder kennt einen mir unbekannten Weg aus dem Schachte?« fragte er. »Er weiß auch, daß ich die weiße Blume liebe, und was ich ihr versprochen habe? Wird er mir wohl sagen, wer er ist?«

      »Mein Name heißt in der Sprache der Yuma Tave-schala.«

      »Tave-schala, Old Shatterhand!« fuhr er auf, indem er zwei Schritte zurückwich und mich wie ein Gespenst anstarrte. »Old Shatterhand hier, mitten unter uns, in unserm Schachte!«

      Er traute seinen Ohren nicht.

      »Wenn du es nicht glaubst, so frage die weiße Tochter. Ich habe sie und ihre Leute vom großen Wasser aus bis in die Berge begleitet, um zu erfahren, was Melton mit ihnen beabsichtigte, und sie aus seinen Händen zu befreien.«

      »Old – – Shatter – – hand, der Feind unseres Stammes! Mitten in unserm Lager, mitten in Almaden!«

      »Du irrst; ich bin nicht der Feind eures Stammes; ich bin stets ein Freund aller roten Stämme gewesen.«

      »Aber du hast den ›kleinen Mun1, den Sohn unseres vornehmsten Häuptlings, getötet!«

      »Er zwang mich dazu, weil er den jungen Mimbrenjokrieger, der vor dir steht, seinen Bruder und seine Schwester töten wollte.«

      »Der ›große Mund‹ hat dir den Tod geschworen!«

      »Das weiß ich; aber ist das ein Grund für dich, auch mein Todfeind zu sein?«

      »Ich muß dem ›großen Mund‹ gehorchen!«

      »Kein roter Krieger muß, und ein Häuptling, wie du bist, braucht erst recht nicht zu müssen. Der ›große Mund‹ mag die Sache, welche er gegen mich hat, selbst mit mir ausfechten; er braucht keine Helfer dazu. Ich habe dich befreit und dadurch bewiesen, daß ich nicht ein Feind der Yumas bin. Wäre ich das, so hätte ich alle eure Krieger getötet, die ich von der Hazienda del Arroyo bis hierher getroffen habe. Es sind vierzig Mann, die ich alle gefangen genommen habe.«

      »Alle – gefangen – genommen!« wiederholte er erstaunt. »Wo befinden sie sich?«

      »Bei unserer Mimbrenjoschar, mit welcher ich gekommen bin.«

      »Hast du die Mimbrenjos hier bei dir?«

      »Nein. Sie warten unter dem Befehle Winnetous, des großen Apatschen, auf meine Rückkehr. Sie stehen an einem Orte, wo ihr sie nicht finden könnt. Ich bin mit dem jungen Krieger ganz allein ausgeritten, um Almaden zu erkundschaften, und werde alle Bleichgesichter, welche sich hierunten befinden, befreien, ohne daß ich dazu der Hilfe noch eines andern Menschen bedarf.«

      Der Ausdruck eines unbeschreiblichen Erstaunens war noch immer nicht aus seinem Gesichte gewichen. Er fand keine Worte zu dem, was ich sagte; ich fuhr fort:

      »Es würde uns nicht schwer werden, die Yumas, welche Almaden bewachen, zu besiegen; aber ich wünsche nicht, ihr Blut zu vergießen. Die ›listige Schlange‹ mag mir sagen, ob sie mein Feind bleiben oder mein Freund werden will!«

      Der Indianer war mir schon gestern, als ich ihn mit der Jüdin reden hörte, als ein ehrlicher Mann erschienen, darum verhielt ich mich heut gegen ihn ganz anders, als ich mich sonst verhalten hätte, und auch sein jetziges Benehmen machte einen guten Eindruck auf mich. Er hatte ein ungemein treues und redliches Auge. Indem er den Blick fast unausgesetzt auf mich gerichtet hielt, überlegte er wohl einige Minuten lang; dann antwortete er:

      »Es ist mir befohlen worden, Old Shatterhands Feind zu sein, und diesem Befehle muß ich gehorchen; aber er hat mich und die weiße Blume vom Tode errettet; darum drängt es mich, ihm meine Freundschaft zu schenken. Ich kann nicht tun, wonach mein Herz begehrt, und doch auch das nicht, was mir befohlen ist; ich bin nicht Old Shatterhands Freund und auch nicht sein Feind. Er mag mit mir tun, was ihm beliebt.«

      »Gut! Mein Bruder hat da sehr verständig gesprochen. Wird er sich aber auch in das fügen, was ich über ihn bestimme?«

      »Ja. Der Tod war mir hier gewiß; nimm mir das Leben, und ich werde mich nicht wehren!«

      »Dein Leben begehre ich nicht, wohl aber deine Freiheit, wenigstens für einige Zeit. Willst du dich als meinen Gefangenen betrachten?«

      »Ja.«

      »Muß ich dich da wieder fesseln, um deiner sicher zu sein?«

      »Du magst mich binden oder nicht, ich bleibe bei dir, bis du mir sagst, daß ich wieder frei bin. Weiter aber darfst du nichts von mir verlangen. Ich kann dir nicht behilflich sein und werde dir keine Auskunft erteilen.«

      »Gut, so sind wir einig. Du bist mein Gefangener und gehorchst allen meinen Anweisungen. Zu dem, was ich vorhabe, bedarf ich deiner Hilfe nicht.«

      Ich band nun auch der Jüdin die Hände vom Rücken los und ging an die Aufsuchung der andern Eingesperrten. Der Raum, in welchem Judith gesteckt hatte, war klein. Man hatte da einen Gang begonnen, ihn aber wieder verlassen, da man nach dieser Richtung nichts gefunden hatte. Die andern Gefangenen waren nur hinter der zweiten Tür zu suchen. Als ich dieselbe geöffnet hatte, befanden wir uns in einer Art ausgehauener Kammer, aus welcher drei Gänge nach drei verschiedenen Richtungen führten. Hier herrschte eine schlimme Luft. Es roch nach Schwefel; man atmete schwer. Zwei von den Gängen waren unverschlossen, Vor dem dritten befand sich eine Tür mit zwei Riegeln. In derselben war eine Klappe angebracht, wie man sie an Gefängnistüren findet. Ich öffnete sie, um hindurchzublicken, zog aber die Nase sehr schnell zurück, denn es drang mir ein Dunst entgegen, der kaum auszuhalten war. Als ich das Licht an die Öffnung hielt, schien es verlöschen zu wollen.

      Noch

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