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das will, was er kriegt.“

      Man glaubt, sein Leben und auch das Leben der Natur – Tiere, Meere, Flüsse, Wälder – nach seinen Vorstellungen gestalten zu können, Dabei muss gar nicht immer böser Wille am Werk sein. Da das Ich aber immer nur sich und seine Interessen im Auge hat, also alles herbei wünscht, was ihm nützt und alles zu beseitigen sucht, was ihm schadet, gerät es immer wieder in die Situation, die Folgen seines aus seiner einseitigen Sicht erfolgenden Handelns nicht genügend bedacht zu haben. Die einseitige Sicht besteht in zweifacher Hinsicht: Erstens, weil das Ich immer auf seinen Vorteil bedacht ist, und sei er noch so subtil – z. B. unter dem Deckmantel von Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Es bewertet positiv, was ihm nützt und negativ, was ihm schädlich erscheint. Zweitens, weil es nur gelten lässt, was es mit seinem Verstand, seiner Ratio, begreifen kann und alles andere beiseite schiebt, wie z. B. parapsychologische Phänomene.

      Häufig ergeben sich schwere Folgeschäden lediglich daraus, dass der Mensch in seinem Denken ohne böse sein zu wollen einfach interessen- und ichgeleitet ist und damit nur auf seinen Vorteil achtet und dabei übersieht, welche Nachteile sein Handeln im Gefolge hat. Dass durch dieses interessengeleitete Denken immer wieder die Zusammenhänge nicht gesehen werden, möchte ich an einem kleinen Beispiel verdeutlichen: Es gibt eine EU-Verordnung, nach der kein Aas liegen bleiben darf. Jäger sind verpflichtet, alles Aas zu beseitigen. Das hat sehr einleuchtende hygienische Gründe. Seuchen wie Milzbrand und Maul- und Klauenseuche werden auf herumliegendes Aas zurückgeführt. Was aber nicht gesehen wird ist, dass sich viele Tiere von Aas ernähren. Durch diese scheinbar sinnvolle Verordnung sind viele Geierarten – in Spanien leben weit über 20 000 Paare – oder Bären nach dem Winter ernsthaft in ihrem Bestand bedroht. Dieses Verhalten des Menschen zeigt ein ganz typisches ichhaftes Denken: Der Mensch hat nur seinen Vorteil im Blick, in diesem Fall seine Gesundheit; das macht es ihm unmöglich, den Gesamtzusammenhang zu sehen. Von viel weittragenderer Bedeutung ist das Leerfischen der Meere: Weil es den Produzenten um ihren Vorteil – den Gewinn - geht, werden die Folgen überhaupt nicht bedacht. Es wird überhaupt nicht gesehen, dass durch die modernen technischen Fähigkeiten wie Schleppnetze und hundert Kilometer lange Fangleinen die Natur zerstört wird. Ebenso führt das Abholzen der Regenwälder heute zur Katastrophe, was in früheren Zeiten wegen der geringeren technischen Möglichkeiten nicht der Fall war. Der Mensch hat sich nicht geändert! Die südlichen Länder wie Griechenland, Italien usw. waren früher voll bewaldet und sind heute durch Jahrhunderte langen Raubbau weitgehend kahl.

      Immer schon haben gottesfürchtige Menschen davor gewarnt, die Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind, zu überschreiten: Noah – die Sintflut (Gen 6-9) - und Lot – Vernichtung Sodom und Gomorras (Gen 19) - sind die herausragenden biblischen Beispiele. Und immer wurde ihre Warnung von den Menschen in den Wind geschlagen, bis heute. Immer haben sich die Menschen angemaßt, die Dinge in den Griff zu bekommen und haben die Warner verlacht, die ja letztlich immer unrecht behalten haben, denn die Menschheit existierte weiter. Ein schönes Beispiel für diese Situation ist B. Brechts Gedicht vom „Schneider von Ulm“. Der Bischof hat davor gewarnt, dass der Mensch seine gottgegebene Natur überschreite mit dem Satz: „Der Mensch wird nie fliegen“. Prompt stürzte der Schneider in die Donau und gab scheinbar dem Bischof recht. Aber aus heutiger Sicht hat der hybride Mensch doch recht behalten und fliegt, nicht nur um die Erde, sondern sogar in den Weltraum. Und dennoch: Noch nie war die Erde durch das Tun des Menschen mehr bedroht als heute. Es braucht gar kein Eingreifen Gottes, um die Menschen wachzurütteln in ihrem vermessenen Tun – der Mensch schafft es ganz alleine, sich zugrunde zu richten. Und es ist die Folge seines Seinwollens wie Gott, seiner Arroganz den Mitgeschöpfen gegenüber, seiner Haltung, nichts anderes über sich anzuerkennen als seinen eigenen Willen. Die Folge ist die Zerstörung seiner eigenen Lebensgrundlage!

      Das Ich setzt sich über die in der Natur grundgelegten Gesetze hinweg. Darin besteht seine angemaßte Autonomie. Das Ich befreit sich von Gott und setzt sich selbst als Gott. Genau diese Haltung wird in der Aufklärung proklamiert. Feuerbach verlangt in seinem Werk „Das Wesen des Christentums“, dass der Mensch erkennt, dass er das selber ist, was er bisher auf Gott projiziert hat: Unendlichkeit, Allmacht, Ewigkeit. Das ist nach Feuerbach der Mensch in seinem Wesen selbst. Die paradoxe Situation besteht darin, dass das gleiche in der spirituellen Literatur vom Menschen ausgesagt wird, und dass doch beides grundverschieden ist: Feuerbach meint mit dem Wesen des Menschen das Ich, in der spirituellen Sicht ist es die Dimension des Göttlichen, die im Menschen gegenwärtig ist, was aber, um sie zu erleben, die Transzendierung des Ichs voraussetzt.

      Man sieht, wie schwierig es ist, sich zu verständigen, weil gleiche Begriffe nicht das gleiche bedeuten. Den entscheidenden Hinweis darauf, dass Feuerbach wirklich dem Ich des Menschen göttliche Attribute zuspricht, sehe ich in seiner Aussage über den Geist: Für ihn ist Geist nichts anderes, als die Gehirnfunktion des Menschen. Wörtlich heißt es auf S. 83: „Der Begriff des Geistes ist lediglich der Begriff des Denkens, der Erkenntnis, des Verstandes, jeder andere Geist ist ein Gespenst der Phantasie.“ Damit ist für mich alles klar. So wird der Mensch – das Ich des Menschen mit Verstand und Willen – an die Stelle Gottes gesetzt, er erhält die Eigenschaften Gottes.

      Im Ich geht die unmittelbare Beziehung zur Wirklichkeit verloren, denn man ist nicht mehr Teil der Welt, sondern hat sie als Objekt. Man ist selbst das Subjekt, das alles andere – die Welt, die Natur, den anderen Menschen und sogar sich selbst – als Objekt hat. Man hat die Welt als Gegenstand und ist nicht mehr Teil dieser Welt, zu der man gehört. Damit ist der Mensch gespalten und hat seine Welt nur im Denken und nicht mehr als Wirklichkeit. Darin liegt der Kern des Sündenfalls: Nicht mehr im Einklang mit der Welt zu leben, sondern sie sich gegenüber zu haben als Objekt. Das hat den Vorteil der Beherrschung, aber den Nachteil der Getrenntheit. Der unmittelbare Zugang zur Welt ist einem verwehrt; die Welt wird einem nur mehr durch das eigene Denken vermittelt. Dieser Zustand ist nicht rückgängig zu machen. Der Mensch ist ausweglos in sein Denken eingesperrt.

      Luzifer heißt Lichtträger; es ist das Licht des Verstandes, mit dessen Hilfe der Mensch alles unter Kontrolle bringen möchte, mit Hilfe seiner Ratio glaubt er sein zu können wie Gott. Das ist ja die Versuchung im Paradies: „Wenn ihr von diesem Baum der Erkenntnis esst, dann werdet ihr sein wie Gott“ (nach Genesis 3,5)

      Der Sündenfall besteht in der Erkenntnis von Gut und Böse, das einen befähigt, zu sein wie Gott (Gen 3,5). Es ist der Beginn der Fähigkeit zu unterscheiden. Von „klug zu werden“ (Gen 3,6) ist die Rede, was ganz klar den Verstand meint, der nun in den Vordergrund tritt; und damit entsteht das Ich. Der Mensch kann jetzt denken, er sieht die Welt und den anderen nicht mehr unmittelbar, sondern vermittelt durch das Denken. Damit wird ihm die Welt zum Gegenstand, zum Objekt und er sieht sich selbst als Subjekt. Und indem er auch über sich nachdenken kann, macht er sich selbst zum Objekt und ist damit gespalten in Subjekt – der, der denkt - und Objekt – der, über den er nachdenkt. Und damit ist er nicht nur von der Welt getrennt, die er nun hat, sondern auch von sich selbst. Karl Marx nennt das die Entfremdung des Menschen von sich und dem anderen. Dies ist die Subjekt-Objekt-Spaltung und damit die Trennung von sich selbst und der Welt, der Natur und den Mitmenschen. Die Einheit mit sich selbst und der Natur ist verloren gegangen – das ist der Sündenfall.

      „Mit der Erkenntnis seiner selbst als separates Wesen büßt er (der Mensch, Anm. des Verf.) seine Unschuld ein, die sich nicht gedanklich zurückerobern lässt“ heißt es bei Pfrommer (S. 125). Das Einbüßen der Unschuld wird symbolisch dargestellt als Erkenntnis der Sexualität – „sie erkannten, dass sie nackt waren“ (Gen 3,7) -, wobei die Sexualität gar nicht das Entscheidende ist, sondern die Erkenntnis des Getrenntseins in Mann und Frau. Der Mensch ist keine Ganzheit, keine Einheit mehr, sondern er erlebt sich getrennt als Mann und Frau. Bei Plato gibt es das schöne Bild vom Menschen als Kugel. Und weil der ganzheitliche Mensch als Kugel den Göttern gefährlich werden konnte, zerschlugen sie ihn in zwei Hälften. Und fortan ist der Mann auf der Suche nach seiner anderen Hälfte, eben der Frau, und umgekehrt ist die Frau auf der Suche nach ihrer anderen Hälfte, dem Mann. Und diese Suche wird auf das andere Geschlecht projiziert. Und anstatt die andere fehlende Hälfte in sich selbst zu suchen, sucht sie der Mensch im anderen. Und das muss schief gehen. Noch nie in der Menschheitsgeschichte ist so deutlich geworden, dass es schief geht, wenn man glaubt, durch die Vereinigung mit dem anderen Geschlecht die Ganzheit zu finden. Das

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