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unserer Ankunft hier im März 1862 fanden wir fast alles noch wie am Tage nach dem Gefecht. Überall Spuren des Feuers, die Häuser zerstört, die wenigen Boote, teilweise zerbrochen, lagen auf der Erde, durch die Schüsse zersplitterte Bäume – überall das Bild der Verwüstung. Es hatte dies Unglück gänzlich den Mut der Bewohner gebrochen, und erst jetzt (Juli), fast zehn Monate später, beginnen sie wieder ihr Haupt zu erhe­ben. Wunderbar bleibt mir nur, dass auf keiner Seite eine Verwundung stattgefunden zu haben scheint, ob­gleich der Rock des Kapitäns von einem Schuss durch­löchert, seinem Boote durch eine Geschützkugel ein Stück des Bordes abgerissen worden sein soll. Von fei­ten der Engländer wurden gefüllte, wahrscheinlich 18p­fündige Granaten und eine Menge 2½- oder 3zölliger Raketen abgefeuert, von denen eine durch das Haus von Krei dicht an seinem Kopfe vorbeifuhr und auf der andern Seite seinen verderblichen Inhalt entleerte. Von diesen Raketen sollen mehr als 50 Stück aufgefunden worden sein, und ebenso eine Menge nur teilweise kre­pierter Granaten.

      Manchem Europäer, an die Gräuel europäischer Krie­ge gewöhnt, mag ein zweitägiges Gefecht, in welchem kein Leben verloren wurde, nicht hinreichender Grund zu solcher Anklage scheinen, wie ich sie hier erhebe. Diesen gegenüber halte ich es für unnötig, mehr zu sagen; aber für jeden humanen, edel denkenden Menschen wird das Lesen jener Tatsachen hinreichen, ihn über die begangene Rohheit als Europäer erröten zu lassen. Wenig, ja nichts lässt sich zur Entschuldigung sagen, denn wenn auch, wie zu vermuten ist, die üblichen drei Schüsse behufs Aufziehens der Nationalflagge gefeuert wurden, wenn auch der Kapitän Browne durch die Versicherungen jenes Cheyne, vielleicht sogar durch falsche Eide der seit langen Jahren hier residierenden Engländer Davis und Simpson getäuscht und zum Angriff veranlasst wurde – so gereicht dies wohl zur Erklärung nicht aber zur Entschuldigung. Es war nicht seine Aufgabe, für die Sache eines Mannes, dessen Aussagen nur durch zwei verwilderte Engländer unterstützt wurden, in den Kampf zu gehen, und die Nichtbeachtung jener drei Schüsse, wenn diese überhaupt gefeuert wurden, kann den Angriff nicht rechtfertigen, da man bedenken musste, dass man es mit Eingeborenen zu tun hatte, welche europäische Gebräuche nicht kennen. Ja wäre selbst der erste Schuss von Seiten der Eingeborenen gefallen, so ist hierfür überreicher Grund zur Entschuldigung vorhanden, denn jener Cheyne hatte seit langem dem Dorfe Aibukit, dessen Bewohner nicht für ihn fischen wollten, mit Krieg und dem Herbeirufen eines Kriegsschiffs gedroht; und als sein Boot mit den drei andern ankam als wahrscheinlich nach Aibukit, mit oder ohne Absicht, die Nachricht gebracht worden warm dass nun Cheyne wirklich komme, sie zu bekriegen, da, deucht mir, war (nach den Gebräuchen des Landes) genug Anlass zur Eröffnung des Feuers von feiten der Bewohner von Aibukit gegeben.

      Man nennt den Ozean, der diese Inseln badet, das Stille Meer. Aber wie seine mächtigen Wogen, oft kräftig genug, die größten Schiffe über die Riffe feiner Atolle in die Lagune hinüberzuheben, sich bald zum Spiegel eb­nen, jede Spur des gewesenen Aufruhrs tilgend – so hört die Geschichte nicht den Sturm unter seinen Bewoh­nern, die Grausamkeiten nicht, die sie unter sich verüb­ten, die gegen sie von den Europäern von jeher began­gen wurden. Nicht erscheinen wir Weißen dabei im günstigeren Lichte. Wo immer ein Zusammenstoß zwi­schen Farbigen und Weißen stattfand, da war ein Irrtum von unserer Seite der geringste Fehler, öfter war es Rohheit der Seefahrer, vielleicht am häufigsten gemeine Gewinnsucht, welche ihn hervorrief. Ich kenne dunkle Blätter aus der Lebensgeschichte eines noch lebenden Mannes, welcher in der Hoffnung, eine reiche Ladung als Lohn für solche Gunst zu erhalten, in seinem Schiffe eine Menge bewaffneter Leute nach einer andern Insel brachte, wo sie verräterisch eingeführt, ein furchtbares Blutbad unter den Bewohnern anrichteten, Weiber und Kinder nicht schonend. Seine ganze Bezahlung bestand in einem Schweine. Solche Geschichten scheuen die Öffentlichkeit; aber wo sie zufällig in den Besitz redlicher Menschen gelangen, da ist es ihre Pflicht zu sprechen, so laut zu sprechen, als ihre Stimme es ihnen erlaubt. Möge die meinige nicht ungehört verhallen.

      Aibukit den 28. Juli 1862.“

      * * *

      Mit dem Sammeln der in obiger Erzählung niederge­legten Notizen – die ich jedoch auch später beständig zu ergänzen versuchte – vertrieb ich mir die erste Zeit, die mir sonst wohl herzlich langweilig geworden wäre. Denn wenn ich auch den Verkehr mit Wilden, deren Sprache ich nicht verstand, schon aus der Erfahrung kannte, so lernte ich doch hier zum ersten Mal in Johnson einen Dolmetscher kennen, der mir wenig nützte, von dem ich aber doch abhängig blieb. Selten nur ließ er sich sehen, sodass ich mich meistens von Cordo begleiten ließ. Während er in Manila und an Bord noch einigermaßen als Europäer gelten konnte, hatte er hier in Aibukit gleich wieder das eingeborene Wesen angenommen, er schwatzte unendlich viel, tat wenig und zeigte eine wahrhaft erstaunenswerte Geduld in allen Dingen. Er war von meinen Planen unterrichtet, und wusste dass ich, um arbeiten zu können, notwendig mein eigenes Haus, gebaut nach meiner Anordnung und in der Nähe des Meeres, haben musste. Dennoch aber zögerte er von Tag zu Tage, die Leute zu engagieren, die mir dasselbe bauen und mir einheimische Diener zu verschaffen, die mich auf meinen Fahrten auf die Riffe und bei den Exkursionen im Lande begleiten sollten. Erst ein Zufall musste mir wirklich dazu verhelfen.

      Nach Landessitte hatte ich, als ich das Schiff verließ, mein Quartier in jenem großen Hause (bai) aufgeschla­gen, welches meinem mich unter seinen speziellen Schutz nehmenden Freunde Krei und seinen fürstlichen Genossen gehörte. Hier wurde ich, solange ich im Dorfe blieb, von ihm und seinem Clöbbergöll in liebenswürdigs­ter Weise bewirtet, freilich war es da nicht sehr unterhal­tend; die Rupacks schliefen fast immer und brachten den größten Teil des Tags mit Nichtstun zu, und ihr Haus durfte nach Landessitte nur von ihnen selbst, aber von keinem den beiden andern Klassen angehörenden Man­ne betreten werden. So waren die einzigen Wesen, mit denen ich einige schüchterne Unterhaltungsversuche machen konnte, einige junge Mädchen – Phrynen (Lie­besdienerinnen) –, welche dort mit den Fürsten ein fröhli­ches und freies Leben führten. Über ihre sonderbare, gesellschaftlich in ganz strenge Formen gezwängte Le­bensweise sollte ich erst später genaue Auskunft erhal­ten. Sie bekamen häufig von ihren gleichaltrigen Freun­dinnen aus den Bais anderer Clöbbergölls Besuche, und da sie gesprächiger waren als die älteren Rupacks und sich offenbar eine Freude daraus machten, mich in ihrer Sprache zu unterrichten, so hatte ich schon nach einigen Tagen die wenigen Worte gesammelt, die bei dem einfachen Bau der dortigen Sprache genügten, um Fragen an die Leute richten zu können. Dann ging ich oft auf meinen Spaziergängen in die verschiedenen Häuser, die alle voneinander durch niederes Gestrüpp, Betelpalmen, Kokospalmen und Bananen getrennt, am Abhange des Bergzugs zerstreut lagen, und deren Eigentümer sehr erfreut waren, wenn ich ihnen einen Besuch abstattete. Sie setzten mir ausnahmslos ein süßes Getränk (eilaut) vor, das sie durch rasches Eindampfen aus dem Safte der Palmenblüte gewannen, welcher gegoren den bei allen rein malaiischen Völkern so beliebten Palmenwein liefert. Auf diesen Inseln jedoch wird das Gären absichtlich vermieden; und ebenso wenig bereiten sie hier die Kawa, die sonst auf den Inseln des Stillen Ozeans eine so große Rolle spielt. Mitunter besuchte ich auch Mad in seinem Hause. Hier fiel mir eines Tags ein junger Mann, Namens Arakalulk, gleich seines offenen Wesens und seines intelligenten Auges wegen auf. Wir mussten beide gegenseitig aneinander Gefallen gefunden haben, denn am nächsten Tage kam er mich in der Abwesenheit der Rupacks zu besuchen und mir – wie ich glaubte – seine Dienste anzubieten. Cordo, der zufällig vorüberging, machte den Dolmetscher, und so wurden wir, ohne dass Johnson ein Wort davon erfahren hatte, handelseinig.

      Bau eines eigenen Hauses für mich

      Arakalulk versprach mir, Leute zu suchen, um mir das Haus bauen zu helfen und nachher als Diener, wie ich wähnte, gegen eine angemessene Bezahlung bei mir bleiben zu wollen. Als ich dann später dies Johnson mit­teilte, wurde er böse und meinte, ich hätte ihm mehr Ver­trauen zeigen sollen; er sei gerade gekommen, mir an­zuzeigen, dass auch er einen Diener, Namens Asmal­dra, für mich engagiert und auch bereits mit einem Clöb­bergöll unterhandelt habe wegen des möglichst billigen Baues meines Hauses. Eine große Schwierigkeit sei freilich dabei zu überwinden, es gelte nämlich den Wi­derwillen der Leute gegen den Bau eines Wohnhauses, welches nicht im einheimischen Stil aufgeführt werden solle, zu besiegen; es dürfte dies leicht zu einigen Strei­tigkeiten Anlass geben und würde jedenfalls den Bau sehr verteuern. Ich erklärte mich mit allen seinen Be­merkungen

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