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Stuart hatte vor Gericht vier Vertreter: die Sheriffs Brown von Coulston und Miller, Mr. Robert Macintosh und Mr. Stuart junior von Stuart Hall. Die vier waren eingeladen, nach der Predigt bei dem Anwalt zu speisen, und ich wurde freundlichst aufgefordert, mit von der Partie zu sein. Kaum war das Tischtuch abgenommen und die erste Bowle Punsch kunstvoll von Sheriff Miller gebraut, als wir über das Thema herfielen, das uns beschäftigte. Ich gab einen kurzen Bericht meiner Gefangennahme und Absperrung und wurde wiederholten Verhören und Kreuzverhören unterzogen. Man wird sich erinnern: es war das erstemal, daß ich ausführlich reden konnte, und daß der Fall von einem Juristenkollegium behandelt wurde; das Resultat war für die anderen ungemein entmutigend und für mich (wie ich zugeben muß) eine Enttäuschung. »In summa,« erklärte Coulston, »Ihr beweist, daß Alan dabei war; Ihr habt ihn Drohungen gegen Glenure ausstoßen hören; und obwohl Ihr uns versichert, er wäre nicht der Mann, der den Schuß abfeuerte, hinterlaßt Ihr doch durchaus den Eindruck, daß er mit dem andern im Bunde stand, zum minderten, daß er der Tat zustimmte, selbst wenn er sich nicht an ihr beteiligte. Ihr beweist ferner, daß er unter Gefährdung seiner Freiheit nach Kräften des Verbrechers Flucht begünstigte, und der Rest Eurer Aussage (sofern sie von materiellem Wert ist) stützt sich auf das bloße Wort der beiden Angeklagten Alan und James. Ihr brecht durchaus nicht die Kette, die unseren Klienten an den Mord fesselt, sondern verlängert sie vielmehr um ein Glied; und ich brauche wohl kaum hervorzuheben: die Einführung eines dritten Komplicen verstärkt eher den Verdacht einer Verschwörung, welcher von Anfang an das Hindernis war, an dem wir scheiterten.« »Ich bin der gleichen Ansicht«, meinte Sheriff Miller. »Ich glaube, wir können Prestongrange alle sehr dankbar sein, daß er einen höchst lästigen Zeugen aus dem Wege räumte. Und hauptsächlich glaube ich, schuldet Mr. Balfour selbst ihm Dank... Ihr redet von einem dritten Komplicen, doch Mr. Balfour erweckt (in meinen Augen) ganz den Eindruck eines vierten.«

      »Vergebung, meine Herren«, warf hier Stuart, der Anwalt, ein. »Es gibt noch einen ganz anderen Gesichtspunkt. Hier ist ein Zeuge – ob wichtig oder nicht, ist einerlei –, ein Zeuge in diesem Prozeß, der von jener gesetzlosen alten Räuberbande, den Glengyle MacGregors, überfallen und fast einen Monat lang in einem elenden kalten Steinhaufen auf Baß gefangengehalten wurde. Rührt das auf und seht, welchen Schmutz Ihr aufwirbelt und dem Prozeß anhängen könnt! Meine Herren, das ist eine Geschichte, von der die ganze Welt reden wird! Es müßte schon nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn wir auf diese Art nicht eine Begnadigung für unseren Klienten herausdrückten.«

      »Schön, angenommen, wir greifen morgen den Fall Balfour auf«, entgegnete Stuart Hall. »Ich müßte mich sehr täuschen, wenn man uns nicht derart viele Hindernisse in den Weg rückte, daß wir den James gehenkt sähen, ehe wir einen Gerichtshof zusammenhätten, um den Fall zu vernehmen. Die Sache ist ein unerhörter Skandal; aber ich meine, wir haben alle einen noch größeren Skandal nicht vergessen: den Fall der Lady Grange. Die Dame befand sich in Gefangenschaft; mein Freund, Mr. Hope von Rankeillor, tat, was in Menschenmacht stand, und wieweit kam er? Er erzielte nicht einmal einen Haftbefehl! Nun, das gleiche wird sich wiederholen; man wird sich der nämlichen Waffen bedienen. Das hier ist ein Fall der Clananimosität. Der Haß gegen den Namen, den zu tragen ich die Ehre habe, ist an höchster Stelle entfesselt. Wir haben es hier lediglich mit der krassen Bosheit und schmutzigen Intrigue der Campbells zu tun.«

      Man glaube mir, damit hatte er ein Thema angeschlagen, das ihnen nur allzu willkommen war, und eine ganze Weile saß ich hier unter meinen gelehrten Rechtsbeiständen mit einem Kopf, der mir vor lauter Reden brummte, ohne jedoch um ein Jota klüger zu werden. Charles Stuart ließ sich zu einigen hitzigen Bemerkungen fortreißen; Coulston sah sich genötigt, ihn zu widerlegen; die übrigen schlugen sich auf die eine oder andere Seite, alle aber mit ziemlichem Aufwand von Stimme und Worten. Der Herzog von Argyle wurde zu Mus zerstampft; König George erhielt beiläufig ein paar Rippenstöße und wurde dann des langen und breiten verteidigt. Ein einziger Mann schien ganz vergessen: James von der Schlucht. Indessen verhielt sich jener Mr. Miller ganz still. Er war ein kleiner, zierlicher Herr mit rosigem Gesicht und zwinkernden Augen und sprach mit einer sonoren, einschmeichelnden Stimme auf unendlich pfiffige Art, wobei er jedes Wort wie ein Schauspieler betonte, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Ja, selbst wenn er schwieg und, die Perücke beiseite gelegt, das Glas in beiden Händen, mit komisch aufgeworfenen Lippen und vorgestrecktem Kinn dasaß, schien er die Verkörperung munterer Schlauheit. Es war klar, auch er hatte ein Wort zu sagen und wartete die passende Gelegenheit ab.

      Sie kam sehr bald. Coulston hatte eine seiner Reden mit irgend einem Hinweis auf ihre Pflicht gegenüber ihrem Klienten geschlossen. Sein Kollege Miller war vermutlich über den Übergang entzückt. Mit bedeutungsvoller Geste und vielsagendem Blick zog er die Tafelrunde in sein Vertrauen.

      »Das bringt mich auf einen Punkt, der, wie mir scheint, bisher übersehen worden ist«, bemerkte er. »Das Interesse unseres Klienten hat selbstverständlich allem voranzugehen, doch die Welt ist ja mit James Stuart noch nicht zu Ende.« Hier zwinkerte er schlau. »Da sind, exempli gratia, noch ein Mr. George Brown, ein Mr. Thomas Miller und ein gewisser Mr. David Balfour. Mr. Balfour hat allen Grund zur Klage, und ich glaube, meine Herren, wir können, wenn wir seine Sache geschickt durchfechten, eine ganze Reihe Whigs zur Strecke bringen.« Wie auf Kommando wandte sich der ganze Tisch ihm zu. »Richtig gedreht und sorgfältig ausgeschlachtet, ist das hier eine Geschichte, die bedeutungsvolle Folgen haben dürfte«, fuhr er fort. »Unsere gesamte Justizverwaltung, von den höchsten Beamten abwärts, wäre dann kompromittiert, und mir sieht es ganz so aus, als müßten diese Beamten ersetzt werden.« Er strahlte förmlich vor Schlauheit. »Ich brauche wohl nicht erst zu betonen: der Fall Balfour ist ein gutes Schlachtpanier.« Nun, damit hatten sie ein neues Wild aufgespürt. Der Fall Balfour, und welche Reden dabei gehalten und welche Beamten verabschiedet werden müßten, und wer ihr Nachfolger sein sollte, wurde das Gesprächsthema. Ich will nur zwei Beispiele anführen. Es wurde vorgeschlagen, Simon Fraser zu gewinnen, dessen Zeugnis Argyle und Prestongrange den Hals brechen mußte, Miller war durchaus für den Versuch. »Vor uns liegt ein fetter Bissen,« sagte er, »es fällt für jeden ein Mundvoll ab.« Mir kam's vor, als leckten sich alle die Lippen. Miller sah das Ende bereits vor sich. Charles Stuart war vor Entzücken außer sich, denn er witterte Rache an seinem Erzfeinde, dem Herzog. »Meine Herren,« schrie er, sein Glas füllend, »ich trinke auf Sheriff Miller. Seine juristischen Fähigkeiten sind weltbekannt. Für seine kulinarischen spricht vor uns die Bowle Punsch! Doch erst seine politischen –«, er leerte sein Glas.

      »Ja, aber die Politik dürfte kaum nach Eurem Geschmack sein«, sagte der erbaute Mr. Miller. »Nennt es, wenn Ihr wollt, eine Revolution; ich glaube Euch sogar versprechen zu können, daß Historiker sie vom Falle Balfour ab datieren werden. Doch richtig geleitet, Mr. Stuart, mit Vorsicht geleitet, wird es eine friedliche Revolution werden.« »Wenn nur die verdammten Campbells eins ausgewischt kriegen!« schrie Stuart, mit der Faust auf den Tisch schlagend, »alles andere ist mir gleich!«

      Man kann sich denken, daß ich von alledem nicht sonderlich entzückt war, obwohl ich mich kaum enthalten konnte, über eine gewisse Einfalt an diesen alten Verschwörern zu lächeln. Aber es entsprach nicht meiner Absicht, so viel Kummer erduldet zu haben, nur um Sheriff Miller zu befördern und im Parlamentshaus eine Revolution anzuzetteln. Ich mischte mich daher mit so viel Unschuld, als ich aufzubringen vermochte, ein.

      »Ich danke Euch für Euren Rat, meine Herren«, sagte ich. »Und jetzt möchte ich mit Verlaub zwei, drei Fragen stellen. Eine Sache wurde hierbei ein wenig in den Hintergrund gedrängt, zum Beispiel: wird dieser Fall unserem Freunde James von der Schlucht weiterhelfen?« Alle schienen einen Schatten gedämpfter und gaben die verschiedensten Antworten; aber in einem Punkte waren sie sich so ziemlich einig: daß James nur noch auf Begnadigung durch den König hoffen dürfe.

      »Um fortzufahren,« bemerkte ich, »wird es Schottland irgendwie nützen? Es gibt ein Sprichwort: der ist ein schlechter Vogel, der sein eigenes Nest beschmutzt. Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß wir damals, als ich noch in den Windeln lag, in Edinburgh eine Revolte hatten, die die hochselige Königin veranlaßte, unser Land ein barbarisches Land zu nennen, und ich glaubte bisher immer, wir hätten dadurch mehr verloren als gewonnen. Dann kam das Jahr '45, und ich habe auch nie vernommen, daß die Revolution '45 uns genützt hätte. Jetzt kommen wir zu diesem Fall Balfour, wie Ihr ihn nennt.

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