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lagen, bevor die Schatzsucher eintrafen.

      »Ah!« rief Silver, »es war ein Glück für mich, daß ich Hawkins bei mir hatte! Sie hätten den alten John in Fetzen schlagen lassen, ohne sich einen Augenblick darum zu bekümmern, Herr Doktor!«

      »Nicht einen Augenblick!« rief der Doktor lustig lachend.

      Mittlerweile waren wir bei den Booten angekommen. Der Doktor schlug mit der Pickaxt das eine in Stücke; dann bestiegen wir alle das andere und fuhren los, um auf dem Seewege die Nordbucht zu erreichen.

      Es war eine Fahrt von acht oder neun Meilen. Silver mußte, wie die anderen alle, ein Ruder nehmen, obgleich er vor Müdigkeit halbtot war, und bald flogen wir schnell über eine glatte See dahin. Binnen kurzem waren wir aus dem engen Sund heraus und um die Südostspitze der Insel herum, um die die Boote vor vier Tagen die Hispaniola am Tau geschleppt hatten.

      Als wir an dem zweigipfeligen Berg vorüberfuhren, konnten wir die schwarze Mündung von Ben Gunns Höhle sehen und neben dieser eine menschliche Gestalt, die sich auf eine Muskete lehnte. Es war der Squire, und wir winkten mit einem Taschentuch und brachten ein dreifaches Hurra aus, in welches Silver so herzhaft wie alle anderen einstimmte.

      Als wir drei Meilen weiter gerade in die Mündung der Nordbucht einfuhren, wem begegneten wir da? Der Hispaniola, die auf eigene Hand sich auf die Fahrt begeben hatte!

      Die letzte Flut hatte sie flott gemacht, und wäre ein kräftiger Wind geweht oder wäre die Strömung so stark gewesen wie an dem südlichen Ankergrund, so hätten wir das Schiff überhaupt nicht mehr oder jedenfalls als hoffnungslos gestrandetes Wrack gefunden. So war der Schaden nicht groß, abgesehen davon, daß das Hauptsegel etwas gelitten hatte. Ein anderer Anker wurde fertig gemacht und in anderthalb Faden tiefem Wasser ausgeworfen. Dann ruderten wir wieder nach der Rumbucht zurück, der nächsten Landungsstelle bei Ben Gunns Schatzhaus; und dann kehrte Gray allein mit dem Gig nach der Hispaniola zurück, auf der er die Nacht über wachen sollte.

      Eine sanfte Steigung führte vom Strande bis zum Eingang der Höhle hinauf. Oben trat der Squire uns entgegen. Zu mir war er herzlich und freundlich; von meinem Durchbrennen sagte er kein Wort, weder des Lobes noch des Tadels. Als Silver ihn höflich mit einer Verbeugung begrüßte, wurde der Squire etwas rot und sagte:

      »John Silver, Ihr seid ein überlebensgroßer Schurke und Betrüger – ein fürchterlicher Betrüger, Herr! Mir ist gesagt worden, ich soll Euch nicht verfolgen. Nun gut, ich tu's auch nicht. Aber die Toten, Herr, hängen an Eurem Halse wie Mühlsteine!«

      »Danke Ihnen freundlichst, Herr!« antwortete Long John mit einer abermaligen Verbeugung.

      »Verschont mich mit Eurem Dank!« rief der Squire. »Es ist eine schwere Pflichtverletzung von mir, daß ich Euch begnadige. Abtreten!«

      Hierauf betraten wir alle die Höhle. Es war ein großer, luftiger Raum mit einer kleinen Quelle, die ein von Gebüschen eingefaßter Weiher gedeckt hatte. Der Boden bestand aus reinem Sand.

      Vor einem großen Feuer lag Kapitän Smollett, und in einer entfernten Ecke, die von der Glut des Feuers nur ab und zu erleuchtet wurde, erblickte ich große Haufen von Münzen und würfelförmig aufgeschichteten Goldbarren. Das war Flints Schatz, den zu suchen wir die weite Reise gemacht hatten, und der bereits siebzehn Menschen von der Hispaniola das Leben gekostet hatte. Wie viele Menschenleben es gekostet hatte, ihn aufzuhäufen, wieviel Blut und Tränen, wie viele gute Schiffe in das tiefe Meer versenkt waren, wieviel brave Menschen mit verbundenen Augen über die Planke geschickt worden waren, wie viele Kanonenschüsse abgefeuert, wieviel Schande und Lüge und Grausamkeit mit ihm verbunden war – das konnte vielleicht kein lebender Mensch sagen. Doch waren noch drei auf dieser Insel, Silver und der alte Morgan und Ben Gunn – die jeder ihren Anteil an diesen Verbrechen hatten, wie auch jeder von ihnen vergeblich gehofft hatte, einen Anteil von der Beute zu bekommen.

      »Komm her, Jim,« sagte der Kapitän, »du bist ein guter Junge auf deine Art, Jim; aber ich glaube nicht, daß du und ich noch einmal miteinander zur See gehen werden. Du bist ein geborener Günstling, und solche Leute kann ich nicht vertragen. Seid Ihr das, John Silver? Was wollt Ihr hier, Mann?

      »Melde mich wieder zu meinem Dienst, Herr,« antwortete Silver.

      »Ah!« sagte der Kapitän; und das war alles, was er sagte.

      Wie schmeckte mir das Abendessen heute, da alle meine Freunde um mich herumsaßen! Und was für eine köstliche Mahlzeit war das: Ben Gunns gepökeltes Ziegenfleisch und dazu einige Leckereien und ein paar Flaschen alten Weines von der Hispaniola. Niemals waren Menschen lustiger, davon bin ich überzeugt.

      Und Silver war auch dabei; er saß beinahe im Dunkeln, seitwärts von uns anderen, aber er aß mit herzhaftestem Appetit, immer dienstbereit aufspringend, wenn irgend etwas gewünscht wurde, und sogar ganz gemütlich in unser Gelächter einstimmend – derselbe höfliche, freundliche, diensteifrige Seemann wie auf der Ausreise.

      Am nächsten Morgen gingen wir in aller Frühe an die Arbeit; denn es war eine anstrengende Aufgabe für eine so kleine Zahl von Arbeitern, diese große Masse Gold beinahe eine Meile weit über Land an den Strand zu schaffen und von dort noch drei Meilen zu Wasser bis auf die Hispaniola. Um die drei Meuterer, die sich noch auf der Insel herumtrieben, kümmerten wir uns nicht weiter; eine einzige Schildwache auf der Staffel des Berges genügte, um uns gegen einen plötzlichen Überfall zu sichern; außerdem waren wir der Meinung, sie hätten vom Fechten mehr als genug bekommen.

      So ging es also mit der Arbeit schnell voran. Gray und Ben Gunn kamen und gingen mit dem Boot, während die übrigen in den Zwischenpausen den Schatz am Strande aufstapelten. Zwei von den Goldbarren, in ein Tau eingeschlungen, waren eine gute Traglast für einen Erwachsenen – eine Last, mit der er gerne langsam ging. Da ich beim Tragen nicht viel helfen konnte, wurde ich den ganzen Tag in der Höhle beschäftigt, indem ich das gemünzte Geld in Zwiebackbeutel verpackte.

      Es war eine merkwürdige Sammlung, die an Verschiedenheit der Münzen Billy Bones' Schatz glich; aber sie war sehr viel größer und noch abwechslungsreicher, so daß ich glaube, ich hatte in meinem Leben noch nie soviel Vergnügen gehabt wie bei dem Aussuchen der einzelnen Stücke. Englische, französische, spanische, portugiesische Goldmünzen, mit den Bildnissen der Könige George und Louis, Dublonen und Doppelguineen und Moidore und Zechinen mit den Köpfen aller europäischen Könige, die in den letzten hundert Jahren geherrscht hatten; seltsame morgenländische Münzen mit Stempeln, wie wenn sie mit einem Spinngewebe überzogen wären, runde Münzen und viereckige Münzen, und Münzen mit einem Loch in der Mitte, wie wenn sie um den Hals getragen werden sollten – wohl so ziemlich alle Arten von Münzen auf der Welt müssen, glaub' ich, in dieser Sammlung vertreten gewesen sein, und zahlreich waren sie gewiß, wie dürre Blätter im Herbst, so daß mir mein Rücken von der gekrümmten Haltung und meine Finger von dem Sortieren weh taten.

      Tag auf Tag ging diese Arbeit fort; jeden Abend war ein Vermögen an Bord verstaut worden, aber immer noch war ein Vermögen für den nächsten Tag vorhanden; und während dieser ganzen Zeit hörten wir nichts von den drei am Leben gebliebenen Meuterern.

      Ich glaube, es war am dritten Abend, da machten der Doktor und ich einen kleinen Spaziergang nach der Staffel des Berges, wo wir einen Ausblick über die tieferen Teile der Insel hatten; da trug aus der dichten Finsternis unter uns der Wind einen Ton herüber. War es ein Schreien? War es ein Singen? Nur ein einziger Laut schlug an unsere Ohren, und dann war alles wieder still wie zuvor.

      »Vergebe ihnen der Himmel!« sagte der Doktor; »das sind die Meuterer!«

      »Alle betrunken, Herr!« sagte Silvers Stimme hinter uns.

      Ich habe zu erwähnen vergessen, daß Silver vollständig frei herumging; obgleich er täglich zurückgewiesen wurde, schien er sich doch wieder als einen gern gesehenen Freund und Diener zu betrachten. Es war wirklich bemerkenswert, mit welcher guten Art er diese Zurückweisungen hinzunehmen wußte und mit welcher unermüdlichen Höflichkeit er immer wieder versuchte, sich allen angenehm zu machen. Trotzdem behandelten ihn alle, glaube ich, nicht viel besser als einen Hund, abgesehen von

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